Legendäre Frauen. Barbara BeckЧитать онлайн книгу.
dominierten. Seine skrupellose Machtpolitik und vor allem seine rücksichtslose persönliche Bereicherung hatten ihn weithin unbeliebt gemacht. Am 18. Juli wurde der Herzog in Cambridge verhaftet, sein Staatsstreich war damit endgültig gescheitert. Während der Regentschaftsrat mit Maria Tudor über die Machtübergabe zu verhandeln begann, flüchtete Henry Grey, der Herzog von Suffolk, aus London und überließ seine älteste Tochter Jane samt ihrem Ehemann ihrem Schicksal. Das junge Paar wurde im Tower festgesetzt. Jane Grey protestierte nicht gegen ihre Entmachtung. Offenbar scheint sich weder die Familie Grey noch die Dudleys für die von ihnen auf den Schild gehobene Königin Jane eingesetzt zu haben.
Maria Tudor gewährte Henry Grey ihre Verzeihung und ließ ihn wieder frei. Jane Grey verblieb dagegen weiterhin in Haft. Königin Maria I., die Katholische, war sich noch im Unklaren darüber, wie sie mit Jane, die sie gut kannte, verfahren sollte. Im Grunde sah sie in ihr wohl nur ein Werkzeug anderer machthungriger Personen. Am 18. August 1553 fand die Verhandlung gegen den Herzog von Northumberland und seine Mitverschwörer statt. Von den elf zum Tode Verurteilten wurden am 22. August allerdings nur drei hingerichtet, darunter John Dudley, Herzog von Northumberland. Der kaiserliche Gesandte riet der neuen Königin dringend, auch Lady Jane Grey hinrichten zu lassen, da diese, solange sie lebte, als Mittelpunkt etwaiger Verschwörungen dienen könnte und so eine ständige Bedrohung für Marias Regierung darstellen würde. Am 14. November 1553 wurden Jane und ihr Ehemann wegen Hochverrats zum Tode verurteilt, das Urteil wurde aber zunächst nicht vollstreckt.
Erst die protestantische Rebellion von Sir Thomas Wyatt im Januar 1554 brachte der gestürzten Königin Jane den Tod, obwohl sie überhaupt nicht daran beteiligt war. Der Aufstand richtete sich gegen die Heirat von Königin Maria mit dem katholischen Habsburger Philipp von Spanien. Zu Janes Unglück hatte sich ihr unbelehrbarer Vater Henry Grey der Rebellion angeschlossen und die Wiedereinsetzung seiner Tochter als Königin gefordert. In dem Augenblick, in dem Jane Grey zu einem realen machtpolitischen Risiko für Königin Maria I. wurde, hatte sie ihr Leben verwirkt. Unter dem Druck der Ereignisse stimmte Maria jetzt der Exekution ihrer Verwandten zu. Janes Enthauptung so wie jene von Guildford Dudley wurden für den 12. Februar 1554 festgesetzt. Als Jane Grey darüber informiert wurde, erklärte sie demütig: „Ich bin bereit und froh, meine elenden Tage zu beenden“6.
Vor ihrem Tod verfasste sie noch Briefe an ihre Schwester Katherine sowie an ihren Vater, dem sie seine Schuld an ihrem Tod verzieh. Außerdem schenkte sie dem obersten Offizier des Towers ein in Samt gebundenes Gebetbuch. Die von Guildford Dudley gewünschte letzte Zusammenkunft mit seiner Ehefrau verweigerte diese ihm jedoch, da sie sich ungestört auf ihren eigenen bevorstehenden Tod vorbereiten wollte. Jane Grey stand allerdings am Fenster, als ihr Ehemann, den sie nie geliebt hatte und der nun seiner Ehefrau im Tod vorausgehen sollte, seinen letzten Gang zum Schafott antrat. Laut den Augenzeugenberichten trat Jane Grey selbst scheinbar sehr gelassen, mit ihrem Gebetbuch in der Hand, ihren Weg zum Schafott an, obwohl sie vorher noch den Karren mit der Leiche ihres Mannes vom Richtplatz zurückkehren sah, worüber sie in Tränen ausgebrochen war. In ihrer Begleitung befand sich John de Feckenham. Im Vorfeld der Hinrichtung hatte Königin Maria die Katholische ihren Kaplan Feckenham noch zu Jane Grey geschickt, um sie zur Konversion zum katholischen Glauben zu bewegen. Jane Grey erwies sich aber als standhafte Protestantin. Vielleicht stärkte sie ja auch der Gedanke, als Märtyrerin des Protestantismus in die Geschichte einzugehen. Die zahlreichen Zuschauer bei ihrer Hinrichtung waren auf jeden Fall von ihrer gefassten Haltung sehr beeindruckt. Nach ihrer Ansprache auf dem Schafott kniete sie sich nieder und betete alle neunzehn Verse des 51. Psalms. Dem erschütterten Kaplan Feckenham reichte sie daraufhin für einen Moment die Hand und küsste ihn. Die beiden Frauen, die sie zum Richtplatz begleitet hatten, öffneten nun Jane Greys Kleidung am Hals. Die junge Lady verband sich selbst die Augen und tastete danach mit den Händen nach dem Richtblock. Da sie zu weit von diesem entfernt stand, rief sie zur Bestürzung aller Anwesenden: „Wo ist er? Ich kann ihn nicht finden!“ Diesen höchst dramatischen und zugleich zutiefst berührenden geschichtlichen Moment hat der Maler Paul Delaroche in seinem eingangs erwähnten Gemälde „Die Hinrichtung der Lady Jane Grey“ festgehalten. Erst nach einigen Augenblicken wurde Jane Grey zum Richtblock geführt, vor dem sie sich niederkniete und ihr letztes Gebet sprach: „Herr, in deine Hände befehle ich meinen Geist“7. Danach gab sie dem wartenden Henker mit ausgestreckter Hand das Zeichen zu ihrer Enthauptung. Ihr Vater Henry Grey, Herzog von Suffolk, folgte ihr nur wenige Tage später wegen seiner Teilnahme an der Wyatt-Rebellion in den Tod, am 23. Februar 1554 wurde auch er exekutiert.
ANMERKUNGEN
1Zit. nach Marita Panzer, Englands Königinnen. Von den Tudors zu den Windsors, 5. Aufl., München 2009, S. 71.
2Zit. nach Alasdair Hawkyard, Die Tudor, in: Helmut Gajić (Red.), Die großen Dynastien, München 1978, S. 139–151, hier S. 146.
3Zit. nach Panzer, Englands Königinnen, S. 68.
4Zit. nach ebd., S. 68.
5Zit. nach Bärbel Brodt, Eduard VI. 1547-1553, in: Peter Wende (Hrsg.), Englische Könige und Königinnen der Neuzeit. Von Heinrich VII. bis Elisabeth II., München 2008, S. 47–59, hier S. 56f.
6Zit. nach Panzer, Englands Königinnen, S. 70.
7Zit. nach Sylvia Jurewitz-Freischmidt, Krone und Schafott. Maria Stuart und Elisabeth I. – eine Doppelbiographie, Gernsbach 2008, S. 152f.
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