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Dezemberkids. Kaouther AdimiЧитать онлайн книгу.

Dezemberkids - Kaouther Adimi


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versucht, sie schnell vom Bolzplatz wegzuziehen. Jussef und seine beiden Freunde sehen, wie sie näher kommt. Rasch werfen sie ihre Zigaretten weg, drücken sie mit dem Fuss aus.

      Die verrückte Alte in Adilas Schlepptau kichert noch immer: »Sie nehmen ihn euch weg, alles nehmen sie euch weg! Dann gibt es hier gar nichts mehr! Alles werden sie euch wegnehmen, alles! Ihr werdet schon sehen, die werden uns verschlingen mit Haut und Haar!«

      »Und was ist dann passiert?«, bestürmen die Jugendlichen ungeduldig Jussef.

      »Na, dann haben wir losgelegt! Alle drei. Und dann ist es schnell aus dem Ruder gelaufen.«

      Der eine der beiden, die dabei waren, als es hoch herging, bestätigt: »Wir mussten uns doch wehren. Sie haben uns provoziert.«

      Und der andere ergänzt: »Und dieser Angsthase von Chauffeur hat die Gendarmen zu Hilfe gerufen. Da meinte Jussef, es wäre besser, wenn wir uns vom Acker machten, während er und die Mudschahida Adila weiter auf die Generäle eindroschen.«

      »Ich wollte nicht, dass die Gendarmen euch verhaften! Ihr seid nicht aus der Siedlung. Ich hatte Angst, dass ihr am Ende wegen unserem Bolzplatz Probleme bekommt. Und eure Eltern hätten sie auch mit hineinziehen können.«

      »Dir können sie aber auch Schwierigkeiten machen.«

      Jussef zuckt nur mit den Achseln.

      4

      Wie ist es passiert? So sollten die pensionierten Militärs am Abend des 3. Februar ihre Freunde, Oberst Mohamed und Oberst Scherif, fragen, die den Streit zwischen den Generälen und den Jugendlichen miterlebt hatten. Sämtliche Männer, die da am Rand des Stadions stehen, sind hochrangige Offiziere, Oberst oder Oberstleutnant. Alle in den Sechzigern, nennen sie sich selbst »die jungen Pensionäre« und warten geduldig, dass auch für sie die Stunde an der Spitze des Staates schlägt. Der Armee haben sie, sobald sie konnten, nach ungefähr dreissig Dienstjahren den Rücken gekehrt. Die meisten von ihnen hatten sich gleich nach dem Abitur dort verpflichtet, um ihr Studium zu finanzieren und beim Aufbau des Landes mit dabei zu sein. In den siebziger Jahren machte die Armee jungen Leuten das Angebot, ihnen für die Dauer ihres Studiums ein monatliches Gehalt zu zahlen, als Gegenleistung für fünfundzwanzig Jahre Dienstverpflichtung ohne jede Möglichkeit, vorzeitig auszuscheiden. Kaum waren sie im Ruhestand, haben sie sich gleich wieder Arbeit gesucht. Im Geschäftsleben, an der Universität oder indem sie eigene Consultingfirmen gründeten.

      An diesem Mittwochabend im Februar sind es ihrer ein halbes Dutzend, die sich da um Mohamed und Scherif scharen. Alle beben sie vor Ungeduld, eine köstliche Anekdote witternd, die Mundwinkel schon spöttisch verzogen, gieren sie nach Einzelheiten. Sie bedrängen Mohamed und Scherif wie Kinder, die vor dem Einschlafen auf ihrer Gutenachtgeschichte bestehen.

      Und die beiden Männer lassen sich nicht lange bitten.

      »Wir wussten gleich, dass das nur Generäle sein konnten, selbst wenn wir zu weit weg waren, um sie zu erkennen. Gepanzerte Limousine, ein Chauffeur, der ihnen die geöffneten Regenschirme hinhielt, ihr seht schon, was ich meine«, würde Mohamed erklären.

      »Die klassischen Kennzeichen halt«, würde Scherif nachschieben.

      Mohamed und Scherif sind alte Freunde. Sie kennen sich seit ihrer Zeit auf dem Gymnasium in Constantine. Beide waren sie dort im Internat, sind dann zusammen zum Studium nach Algier gegangen, haben am gleichen Tag den Vertrag mit der Armee unterzeichnet und ihn am Abend desselben Tages gemeinsam begossen, haben im Abstand von einigen Monaten geheiratet und sind beide mit dem Grad eines Obersten in den Ruhestand gegangen, vor ungefähr zehn Jahren war das.

      Seitdem unterrichten sie einige Stunden wöchentlich an der Universität und treffen sich täglich, um durchs Viertel zu schlendern. Gemeinsam diskutieren sie über Gott und die Welt, reden über ihre ärmliche Kindheit in den Dörfern im Osten des Landes, ihre Zeit in der Armee, den jahrelangen Kampf gegen den Terrorismus während der Schwarzen Dekade, die unglaubliche Bürokratie der Armee, die kleinen Demütigungen durch die Chefs, die Eifersüchteleien mancher Kollegen, die weniger Diplome als sie vorweisen konnten, die vielen Soldaten, die im Kampf ihr Leben liessen, die Kälte in den Kasernen während der Grundausbildung, die Entbehrungen, den beruflichen Aufstieg, der zwar langsam, aber am Ende dann doch kam. Schliesslich haben sie die Armee mit einem der höchsten Dienstgrade verlassen, und nicht selten übergehen sie die traurigen Episoden, erinnern sich lieber an die Regimentswitze, die Freundescliquen oder das Ende des Terrorismus, das auch, ja, vor allem an das Ende des Terrorismus.

      Mohamed hat aus freien Stücken den Dienst quittiert, kaum dass er mit dem Bau seines Hauses fertig war, der ihn mehr als fünfundzwanzig Jahre in Atem hielt. Scherif dagegen hat lange gezögert, den Antrag zu stellen, obwohl er die reguläre Dienstzeit längst erreicht hatte und es ihm freistand zu gehen. Einige Monate nach seiner Verabschiedung hat Mohamed dann den Freund angerufen, um ihn zu überzeugen, dass es auch für ihn an der Zeit sei, ins zivile Leben zurückzukehren: »Wenn du zu lange wartest, wird die Armee dich entlassen, und das steht dann für immer so in deinen Papieren.«

      »Ich weiss, aber ich bin noch nicht so weit.«

      »Bei mir steht ›auf eigenen Wunsch aus dem Dienst ausgeschieden‹. Ich bin ein freier Mann, nicht wie diese Militärs, die warten, bis man sie rauswirft, und die dann den Rest ihrer Tage damit verbringen, total deprimiert im Offizierskasino herumzuhängen.«

      »So werde ich niemals enden!«

      »Über die, die den Absprung nicht schaffen, macht man sich lustig, und ich will nicht, dass es dir ebenso geht. Warte bloss nicht zu lange, sonst werden sie dich am Ende noch demütigen. Und weisst du, wie es dann weitergeht?«

      »Ja … sie werden mir eines Morgens ein Schreiben schicken, um mir mitzuteilen, dass ich meine Sachen packen, meine Dienstmarke abgeben, meinem Chauffeur ade sagen und mein schönes Häuschen binnen drei Monaten räumen muss.«

      »Genau so, und in diesen drei Monaten musst du dich komplett neu organisieren, musst eine Wohnung und eine neue Arbeit finden, denn dein Ruhegehalt wird dir kaum genügen, all das …«

      »Ich weiss, aber ich bin jetzt dreissig Jahre bei der Armee, was sollte ich denn im zivilen Leben mit mir anfangen?«

      »Weisst du, Scherif, ich kenne Leute, die lebten in ihrer Dienstvilla wie du und fanden sich über Nacht im Ruhestand wieder, mit der Auflage, sich schleunigst zu verziehen. Du musst in die Gänge kommen. In Dely Brahim, gleich neben meinem, ist ein Haus zu verkaufen, der Mann ist gestorben, die Frau braucht dringend Geld und will das Haus, so schnell es geht, abstossen.«

      »Ich weiss nicht, ob ich mir das leisten kann, in Dely Brahim zu leben.«

      »Leih dir Geld von irgendwem, du wirst es zurückzahlen. Ich werde dich mit der Witwe in Kontakt bringen, sie ist ein wenig deprimiert und sehr einsam, ihre Kinder leben in Kanada und sind noch nicht mal zur Beerdigung des Vaters zurückgekommen! Sie hat keine Ahnung, was das Haus wirklich wert ist, ich bin sicher, du wirst es zu einem guten Preis erstehen können. Und im Zivilsektor gibt es unendlich viele Möglichkeiten für junge Armeepensionäre, die seriös sind wie wir, dazu diplomiert und perfekt zweisprachig. Da findet man immer Arbeit!«

      Und Scherif beantragte die Versetzung in den Ruhestand und zog zu Mohamed nach Dely Brahim.

      Immer wenn sie über Politik reden oder die Regierung kritisieren wollten, gingen sie spazieren, kreuz und quer durchs Viertel. Sie wussten ja, sie wurden abgehört, überwacht, beschattet. Es kam vor, dass sie den Wagen eines Typen vom Geheimdienst gerade gegenüber ihrem Zuhause entdeckten. Den grüssten sie dann jedes Mal. Und der arme Kerl antwortete auch jedes Mal, ein wenig verlegen, aber nicht wirklich böse, enttarnt worden zu sein. Eines Tages schlug Mohamed ihm lachend vor: »Wenn du willst, geb ich dir eine Kopie meines Terminkalenders, dann ist es für dich leichter, mir zu folgen, wenn ich wegfahre. Ich habe nichts zu verbergen, das kannst du deinen Vorgesetzten mal ausrichten!«

      Seit ihrer Rückkehr ins zivile Leben geniessen Scherif und Mohamed es, frei von der Leber weg reden zu können, das hat ihnen in all den Jahren bei der Armee doch


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