Dr. Norden Bestseller Box 13 – Arztroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
»Du kannst ihm ja gut zureden, damit es ein bißchen schneller geht«, sagte er. »Mir ist diese Geschichte mit Herrn Sommer sehr peinlich. Schließlich erwartet seine Frau ein Baby und kann Aufregungen nicht vertragen.«
Tini nickte nur beklommen, dann stand sie auf. »Ich muß jetzt gehen«, sagte sie.
»Sie trifft sich jeden Morgen mit dem Bichler«, trumpfte Achim auf.
»Halt endlich mal deinen Mund!« herrschte ihn sein Vater an. »Du scheinst ja einen feinen Umgang zu haben.«
Die drei weiblichen Familienmitglieder waren sprachlos. So was hatten sie noch nicht erlebt, und Achim spürte nun doch, daß es seinem Vater ernst war.
»Was meinst du, was uns blühen würde, wenn es einen anderen als Herrn Sommer getroffen hätte, Bürschchen? Und es hätte noch bedeutend schlimmer ausgehen können. Los, nimm deine Schultasche, wir fahren jetzt!«
Tini war schon gegangen. Sie traf sich tatsächlich jeden Morgen mit Rainer Bichler. Er nahm sie stets in seinem Wagen mit zu ihrem Büro.
Er arbeitete ganz in der Nähe in einem Ingenieurbüro. Sie hatten sich kennengelernt, als er noch keinen Wagen hatte und ebenso wie sie jeden Morgen mit der S-Bahn fuhr.
Schnell drückte er ihr einen Kuß auf die Wange.
»Wie geht es deinem Vater, Rainer?« fragte Tini.
»Ein bißchen besser. Aber es sah recht böse aus, und er wird noch lange nicht arbeiten können.«
»Papa hat gesagt, daß du die Installationen bei uns machst«, sagte sie, »er war gar nicht gereizt.«
»Was du nicht sagst. Wahrscheinlich werde ich den Betrieb übernehmen müssen, Tini. Es muß ja weitergehen. Vater wird sonst überhaupt nicht mehr gesund.«
»Warum auch nicht«, meinte sie.
»Dir würde es nichts ausmachen?«
»Ich wüßte nicht weshalb.«
»Ich meine nur, daß es dann doch Schwierigkeiten gibt, wenn wir heiraten wollen.«
»Papa hat gesagt, daß ich mündig bin und mein eigenes Geld verdiene«, erwiderte sie mit einem flüchtigen Lächeln.
»Bei dem Herrn Direktor scheint sich eine Sinneswandlung vollzogen zu haben, oder er ist nur darauf bedacht, daß das Haus schnell fertig wird.«
»Papa hat sich wegen Achim schrecklich geärgert. So hart ist er noch nie mit ihm umgesprungen.«
»Es wird Zeit. Er treibt sich mit einer Clique herum, die nicht der richtige Umgang ist.«
»Davon weiß ich nichts«, sagte Tini erschrocken. »Warum hast du bisher nichts davon erwähnt?«
»Ich bin keine Klatschbase. Es ist auch nicht meine Angelegenheit. Außerdem brauchst du dich nicht wegen Papas Liebling in die Nesseln zu setzen.«
»Aber Achim ist doch mein Bruder«, sagte sie. »Was ist das für eine Clique?«
»Solche Rüpel, die nichts anderes im Sinn haben, als ältere Leute zu schikanieren, mit Rollbrettern vor ihren Füßen herumzufahren und überall mitgehen lassen, was nur greifbar ist.«
»Um Gottes willen!« rief Tini aus. »So etwas würde Achim doch nicht tun!«
»Schlechte Beispiele verderben gute Sitten«, sagte Rainer. »Sie sind jetzt in einem dummen Alter, aber gerade da ist es nicht angebracht, von einem Extrem ins andere zu fallen bei der Erziehung. Dann werden diese Burschen erst recht aufsässig.«
»Papa ist richtig sauer«, sagte Tini. »Ich hätte nie gedacht, daß er mal so mit Achim umspringen würde.«
Und als Achim von seinem Vater bei der Schule abgesetzt wurde, mußte er nochmals Ermahnungen einstecken, aber noch schlimmer traf es ihn, als seine Klassenkameraden ihn deswegen hänselten, weil er mit dem Auto gebracht worden war.
»Ich darf nicht radfahren, weil mir was passiert ist«, rechtfertigte er sich. Und er gab allen anderen Schuld daran. Herrn Sommer, Dr. Norden, nur nicht sich selbst.
»Dann borgst du dir halt ein Rad!« sagte Sepp, der als Anführer der Clique galt.
»Borgen? Keiner verborgt sein Rad«, maulte Achim.
»Doch nicht richtig borgen«, meinte Sepp grinsend. »Was meinst du, wie viele Räder nicht angeschlossen sind. Wir wollen doch heute das Rennen veranstalten. Also, schau zu, daß du ein Rad bekommst, sonst bist du ausgeschlossen. Feiglinge können wir nicht brauchen.«
Als Feigling wollte Achim nun gewiß nicht gelten, und gegen seinen Vater hegte er an diesem Tag einen tiefen Groll.
*
Pünktlich halb zwölf Uhr kam Andrea mit ihrem Mann in die Praxis. Dr. Norden hatte Loni schon Bescheid gesagt, und so wurde sie gleich in den Untersuchungsraum geführt. Helmut wollte schnell zur Baustelle fahren und sie dann wieder abholen.
An diesem Vormittag war es verhältnismäßig ruhig zugegangen nach den vorangegangenen stürmischen Tagen. Dr. Norden mußte noch eine Patientin abfertigen, dann konnte er sich Andrea widmen.
Er erfuhr von ihr die Vorgeschichte ihrer Ängste. Ihre Schwester Sonja war auch zweiundzwanzig gewesen, als sie ihr Baby erwartete.
»Eine normale Schwangerschaft?« fragte Dr. Norden.
»Sie hatte keine besonderen Beschwerden«, erklärte Andrea, »erst drei Wochen vor dem Termin setzten die ein. Dr. Kobelka hielt es für richtig, daß sie ins Entbindungsheim ging. Da lag sie dann und fühlte sich immer schlechter. Der Geburtstermin rückte heran, aber es kamen keine Wehen. Sie wurden künstlich eingeleitet, hielten eine Nacht an und setzten dann wieder aus. Zu einem Kaiserschnitt entschloß sich Dr. Kobelka nicht.«
»Warum nicht?« fragte Dr. Norden.
»Ich weiß es nicht. Ich habe darüber gar nicht viel erfahren. Das Kind wurde mit der Saugglocke geholt, nachdem die Wehen wieder in Gang gesetzt waren. Mehr weiß ich wirklich nicht. Nur, daß es eigentlich ein kräftiges Kind war, allerdings ein bißchen blaß. Mit Sonja konnte man darüber nicht sprechen. Sie leidet immer noch, und natürlich ist sie nun sehr besorgt um mich.«
»Meinen Sie nicht, daß sie etwas zu besorgt sein könnte?«
»Ich kann es ihr nicht übelnehmen. Für mich wäre es auch schrecklich, wenn ich mein Kind verlieren würde. Wir freuen uns so sehr darauf.«
»Die Freude ist geteilt, wenn Sie in ständigen Ängsten leben und sich Gedanken machen. Sie sind nie richtig entspannt. Warum sind Sie auch zu Dr. Kobelka gegangen?«
»Er hat sich dann so nett um Sonja gekümmert. Meine Eltern kennen ihn von früher. Da ist man irgendwie verpflichtet. Es hätte dann ja auch so ausgesehen, als hätten wir ihm die Schuld zugeschrieben. Das mag man doch nicht. Mein Mann hat mir zugeredet, daß ich mich doch von Dr. Leitner untersuchen lasse. Aber eigentlich bin ich schon im Entbindungsheim angemeldet. Sie verstehen schon, daß alles ein bißchen peinlich ist.«
»Die Entscheidung liegt bei Ihnen, Frau Sommer«, sagte Dr. Norden.
»Ja, ich möchte mich gründlich untersuchen lassen. Man liest ja so viel über die neuesten Methoden, ohne sich richtig etwas darunter vorstellen zu können. Versäumen möchte ich nichts. Könnten Sie vielleicht mit Dr. Leitner vorher sprechen?«
»Er nimmt es nicht übel, daß Sie vorher bei einem anderen Arzt waren«, erwiderte Dr. Norden lächelnd. »Ich glaube nicht, daß organisch bei Ihnen etwas nicht in Ordnung ist, aber eine Kontrolle wäre schon angebracht. Je ruhiger Sie der Geburt entgegensehen, desto besser ist es für Sie und für das Baby. Ich rufe Dr. Leitner gern an und mache einen Termin für Sie mit ihm aus.«
»Ja, vielen Dank«, sagte Andrea errötend.
Dann kam ein Anruf, der ihrem Gespräch ein schnelles Ende setzte. Dr. Norden wurde zu einem Unfall gerufen.
»Ich gebe Ihnen