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Wo die Seele atmen kann. John EldredgeЧитать онлайн книгу.

Wo die Seele atmen kann - John Eldredge


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bedeutet euch meine Nachricht nicht?, dachte ich enttäuscht. Habt ihr keine Zeit, ein paar Worte für mich zu tippen?

      Als das Briefeschreiben von E-Mails abgelöst wurde, erschien uns der Fortschritt riesig. Dann kamen Textnachrichten auf und fühlten sich an wie Raketentreibstoff der Kommunikation. Aber anscheinend haben wir nichts gewonnen. Verzweifelt kämpfen wir darum, mit dem immer schneller werdenden Tempo Schritt zu halten. Wir wischen, statt zu tippen, wir liken, statt zu kommentieren. Das Leben lässt uns so wenig Zeit, dass wir es uns nicht leisten können, auch nur einen Satz zu schreiben.

      Mit wem ich auch rede, alle fühlen sich gestresster als früher. Die Musiker in meinem Freundeskreis haben kaum noch Zeit zum Musizieren, die Gartenbesitzer kommen nicht mehr dazu, neue Pflanzen in die Erde zu setzen. Ich lese im Moment acht verschiedene Bücher und in keinem bin ich bis jetzt über das erste Kapitel hinausgekommen.

      Das rasante Tempo, mit dem wir durch den Alltag gejagt werden, macht niemandem so richtig Spaß.

      Dazu kommt das zweite Problem: die Flut von Nachrichten, die unsere Aufmerksamkeit fesseln. Pro Tag verbringen wir durchschnittlich drei Stunden mit unseren Smartphone-Apps, zehn Stunden sind wir verschiedenen Medien ausgesetzt. Die Informationen, die wir pro Woche aufnehmen, würden ausreichen, um einen Laptop zum Abstürzen zu bringen.1 Wir reden von Handyfasten, sind aber gleichzeitig den sozialen Medien ergeben – das Karussell von Liebe und Hass dreht sich, banal, erschreckend, sensationslüstern und unerbittlich, und wir drehen uns mit. Jede Nachricht macht etwas mit uns und verlangt eine Reaktion. Persönliche Kämpfe und Katastrophen gab es schon immer, aber nun poppen auch noch pausenlos Schicksalsschläge der ganzen Welt auf unseren Handydisplays auf.

      Das ist für die Seele nicht gut. Wer traumatischen Ereignissen ausgesetzt ist, kann davon auch selbst traumatisiert werden – und wie viel Leid ereignet sich laufend vor unseren Augen?2 Es ist, als wären wir in das Gravitationsfeld eines digitalen schwarzen Lochs geraten, das uns jedes Fünkchen Leben entzieht.

      So weit nichts Neues. Alarmiert wurde ich erst, als ich bemerkte, wie mich diese Realität als Person bereits verändert hat. Reaktionen wie diese sind jetzt keine Seltenheit mehr:

      Ein Freund schickt mir eine Nachricht, fragt, ob ich Zeit habe – und ich antworte nicht. Ich drücke mich davor, meine E-Mails zu lesen, aus Angst vor den Erwartungen, die darin an mich gestellt werden. Beim Autofahren verliere ich wegen Kleinigkeiten die Nerven. Traurige Nachrichten lassen mich kalt. Was ist los mit mir? Verwandle ich mich gerade in eine kalte, lieblose Person? Für ein Treffen mit Freunden finde ich in meinem Terminkalender keine Lücke und Dinge, die mir guttun, müssen warten – Waldspaziergänge, Essen gehen, Schwimmen im See. Nehme ich mir gelegentlich doch Zeit dafür, bin ich so wenig bei der Sache, dass ich es auch hätte lassen können.

      Schließlich dämmert mir: Es fehlt mir nicht an Liebe und Barmherzigkeit. Was ich an mir selbst beobachte, sind Symptome einer Seele, die zu viel Druck abbekommen hat, die überdehnt wurde, die ausgelaugt ist und nicht mehr richtig funktioniert. Meine Seele kann mit dem Tempo, das die Smartphones vorlegen, einfach nicht Schritt halten. Trotzdem habe ich es von mir selbst verlangt und ich fürchte, wir verlangen es alle voneinander.

      Ich gehe davon aus, Ihnen geht es ähnlich wie mir, sonst hätten Sie nicht zu diesem Buch gegriffen. Ihre Seele zeigt Mangelerscheinungen, sehnt sich nach etwas anderem. Aber wonach? Wenn wir uns die folgenden Fragen anschauen, was verraten unsere Antworten über den Zustand unserer Seele?

      Sind Sie meistens glücklich?

      Wie oft fühlen Sie sich unbeschwert?

      Denken Sie mit Freude an Ihre Zukunft?

      Fühlen Sie sich von Herzen geliebt?

      Wann waren Sie zuletzt sorglos unterwegs?

      Ich weiß, diese Fragen darf man eigentlich gar nicht stellen. Unsere Seelen sind trüb geworden, verletzt, besudelt. Trotzdem können wir immer noch lieben, hoffen und träumen. Aber am Abend kommen wir erschöpft nach Hause. Die meisten von uns sind ausgelaugt, unsere Seele ist bestenfalls wie betäubt, oft auch böse zugerichtet. Oder um es in den Worten von Bilbo Beutlin zu sagen, einem Hobbit aus „Herr der Ringe“: „Ich komme mir dünn vor, sozusagen gestreckt … wie zu dünn aufs Brot gestrichene Butter.“3

      Unsere Welt ist außer Kontrolle, und wenn wir nicht achtsam sind, reißt sie unsere Seele mit sich in den Abgrund.

      Ob es einen Ausweg aus diesem Dilemma gibt? Ich glaube, wir bräuchten mehr von Gott in unserem Leben, das würde helfen. Dann könnten wir uns an seiner Liebe sättigen, aus seiner Kraft leben, uns von seiner Weisheit beraten und mit Belastbarkeit ausstatten lassen. Immerhin ist er die Quelle des Lebens. „Menschen suchen Zuflucht im Schatten deiner Flügel. Sie dürfen den Reichtum deines Hauses genießen, und aus einem Strom der Freude gibst du ihnen zu trinken. Bei dir ist die Quelle allen Lebens, in deinem Licht sehen wir das Licht“ (Psalm 36,8-10). Wenn mehr von seinem übersprudelnden Leben durch uns strömen würde, wäre das eine Wohltat für unsere gequälten Seelen.

      Aber diese hektische, vergängliche Welt saugt unsere Seelen aus, lässt sie austrocknen und verschrumpeln, bis ihr Zustand an Rosinen erinnert, die kein Leben mehr aufnehmen können.

      In der Chemie spricht man von einer Doppelbindung. Das schnelle und von Informationen überflutete Leben setzt der Seele so zu, dass sie nicht mehr in der Lage ist, sich an der Quelle, beim Schöpfer, zu erfrischen und aufbauen zu lassen. So scheint die Lage in zweifacher Hinsicht aussichtslos.

      Nachdem ich festgestellt hatte, wie sehr meine Seele schon gelitten hatte, machte ich mich auf die Suche nach Abhilfe. Schnell erkannte ich: Gottes Nähe ist das Heilmittel. Wenn ich mehr von ihm erfüllt bin, kann ich dem Alltag besser standhalten. Also tat ich, was man als Christ so tut: beten, Bibel lesen, Gott anbeten, Abendmahl feiern.

      Trotzdem wurde ich das Gefühl nicht los, dass meine Beschäftigung mit Gott sich nur oberflächlich auswirkte. Es war, als würde ich das Wasser des Lebens löffelweise zu mir nehmen, statt es in großen Schlucken zu trinken; als würde ich nur darin waten, statt ganz in die Fluten einzutauchen. Meine Seele fühlte sich an wie eine flache Pfütze, aber eigentlich ist sie ja alles andere als das. Sie ist tief und weit, voller Symphonien und Heldenmut. Aus dieser Tiefe wollte ich leben, aber ich fühlte mich wie gefangen in seichten Gewässern.

      Es ist sicher kein Zufall, dass eines der erfolgreichsten Bücher über unsere heutige Welt und den Einfluss der modernen Technologie den Titel trägt: „The Shallows: What the Internet Is Doing to Our Brains“ (etwa: Seichte Gewässer: Was das Internet mit unserem Denken macht).4 Wir verlieren die Fähigkeit, fokussiert zu denken und uns über einen längeren Zeitraum zu konzentrieren. Wir verteilen Likes und scrollen uns durch Artikel, ohne in die Tiefe zu gehen.5

      Das ist nicht nur ein intellektuelles Problem unserer Zeit, sondern es wird zu einer Gewohnheit, die sich auch im Geistlichen auswirkt. Können wir hören, wie „eine Tiefe die andere ruft“6, während wir von dieser hektischen Welt in die seichten Bereiche unserer Seele gedrängt werden?

      Glücklicherweise hörte Jesus auch meine oberflächlichen Gebete. Er kam mir zu Hilfe und begann, mich in eine Reihe von Übungen einzuführen, die ich als pure Gnadengaben empfand. Es sind einfache Dinge wie zum Beispiel einminütige Pausen, die man leicht im Alltag einbauen kann, um neue Kraft zu tanken. Auf diesem Weg lernte ich, Dinge loszulassen. Statt nahtlos von einer Sache zur nächsten zu hetzen, hielt ich bewusst inne und nahm die Schönheit wahr, die Gott in den ruhigen Momenten vor mir ausbreitete.

      Langsam begann meine Seele, sich zu erholen, sich besser zu fühlen, besser zu funktionieren – wie auch immer man es beschreiben mag. Mein Leben mit Gott begann, mir wieder Freude zu machen, und schließlich erlebte ich dieses Mehr von ihm, das ich mir so sehr gewünscht hatte. Leben kehrte in meine Seele zurück.

      Dann zählte ich eins und eins zusammen …

      Gott möchte gern zu uns kommen, er will unsere Kraft und unser Leben erneuern. Und er tut es auch. Aber wenn es unserer Seele nicht gut geht, ist es uns fast unmöglich, ihm zu begegnen. Trockener, verdorrter


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