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Unter den Narben (Darwin's Failure 2). Madeleine PuljicЧитать онлайн книгу.

Unter den Narben (Darwin's Failure 2) - Madeleine Puljic


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dass du hierbleibst. Wir sind nicht lange fort.«

      Ariat verzog die Lippen, als wollte sie ihm an die Gurgel springen und die Zähne in sein Fleisch schlagen. Aber so durchtrainiert sie auch war, Haron war ihr an Kraft weit überlegen, und das wussten sie beide. Sie hatten es im Bett oft genug getestet.

      Er senkte die Stimme. »Zwing mich nicht, dir wehzutun.«

      Sie zögerte, warf einen Blick in die Richtung, in die Hemmon verschwunden war. Als sie sich Haron wieder zuwandte, lag in ihren Zügen blanke Wut. »Dann geh doch!«, spie sie ihm ins Gesicht. »Aber glaub nicht, dass du danach zu mir kommen kannst.«

      »Keine Sorge, das habe ich nicht vor.«

      Ariat hieb die Faust gegen die steinerne Wand in ihrem Rücken und stürmte davon. Ein kleiner, blutiger Fleck blieb an der Mauer zurück.

      Haron wischte ihn fort.

      Faran

      Während der Rechner initialisierte und all die angeschlossenen Gerätschaften erkannte und aktivierte, sah Faran sich unauffällig um. Geld musste ihr Auftraggeber haben, das hatte bereits seine Bestellung deutlich gemacht. Das Gebäude an sich war eindrucksvoll genug mit seinen unzähligen Sicherheitsvorkehrungen und dem Zugang über das Verbindungssystem, der erst im elften Stock lag. Wer tiefer hinab wollte, musste auf eines der benachbarten Gebäude ausweichen. Vermutlich gab es irgendwo eine versteckte Treppe, das erforderten die Vorschriften – doch wer etwas auf sich hielt, verschwieg so etwas geflissentlich. Die Räume waren hoch, alle Fenster mit Monitoren ausgestattet, die keinen Blick nach draußen erlaubten – oder herein. Noch waren sie schwarz. Das würde sich ändern, sobald die Installation abgeschlossen war.

      Das erste Lämpchen schaltete auf Grün. Faran überprüfte die Verbindung: der DNS-Sequenzierer. Er gab einige Befehle ein und führte den Programm-Testlauf durch. Keine Fehlermeldung, alles lief nach Vorgabe. Einer der Fenster-Bildschirme nahm das Signal auf und warf das dreidimensionale Abbild eines menschlichen Genoms vor sich in den Raum. Wozu auch immer der alte Knacker einen Sequenzierer benötigte. Falls er seine Optimierung verbessern wollte, war er eindeutig zu spät dran, auch wenn er das vermutlich nicht hören wollte. Zu viel Geld machte Leute zu Idioten, jedenfalls Farans Meinung nach.

      Hinter ihm schrillte ein Systemalarm los. Kelak hatte Probleme mit dem Extraktor. Ausgerechnet. Das sensible Gerät reagierte auf Störungen besonders anfällig. Aber das war Kelaks Problem, das musste er allein lösen. Entsprechend sah Faran nicht einmal von seiner Arbeit auf, als von der Tür her ein leises Schaben erklang und der Alte mit brüchiger Stimme schimpfte: »Das sind empfindliche Geräte! Wenn ihr nicht wisst, wie man damit umzugehen hat, richte ich sie lieber selbst ein.«

      Faran ließ sich seine Schadenfreude nicht anmerken. Auch nicht den Hauch von Belustigung, den er bei dem Gedanken daran verspürte, wie der Alte mit seinem Rollstuhl zwischen den empfindlichen Geräten herumkurvte, solange die noch nicht an ihrem endgültigen Bestimmungsort standen. Als ob der auch nur eines der Dinger aktiviert bekommen hätte. Wahrscheinlich war der letzte Rechner, an dem der Alte gesessen hatte, noch über Kabel gelaufen, mit einem großen roten Knopf, auf dem »Einschalten« stand.

      Kelak dagegen tat, als wäre der Alte sein Vorgesetzter persönlich. »Verzeihung, das war nur ein kleiner Fehler in der Systemintegration. Ich behebe das umgehend. Es wird nicht wieder vorkommen.«

      Natürlich, ein Fehler in der Systemintegration. Wahrscheinlich hatte Kelak bloß einen falschen Berechtigungscode bei der Verbindung eingegeben.

      Dem Alten schien diese Antwort jedoch zu genügen. Er grunzte und rollte davon. Nun blickte Faran doch auf. Er sah ihrem Auftraggeber nach, bis sich die Tür hinter ihm schloss. Dann drehte er sich auf seinem Sessel zu seinem Kollegen herum.

      »Wenn der Extraktor schon über deinen Fähigkeiten liegt, solltest du vielleicht mal deine Eignung überprüfen lassen.«

      »Halt die Klappe.« Kelak arbeitete verbissen weiter. Die Hälfte seiner Lämpchen leuchtete bereits grün und zeigte funktionierende Verbindungen an.

      Dennoch konnte es Faran nicht lassen, noch einen draufzusetzen. »Dass du dich von einem Halbtoten so einschüchtern lässt … Was will der Krüppel überhaupt mit diesem ganzen Zeug? Das kann er doch niemals bedienen. Wenn du mich fragst, sollte er lieber Sterbehilfe in Anspruch nehmen, da würde er seinen Erben sicher einen Gefallen tun.«

      »Bist du verrückt?« Kelak sah alarmiert zur Tür, doch die blieb geschlossen. »Ich habe gesagt, du sollst still sein!«, zischte er. »Willst du dafür sorgen, dass man uns beide degradiert?«

      »Blödsinn.« Natürlich wollte er nicht degradiert werden. Da konnte er gleich seine Kündigung einreichen und versuchen, sich auf Bedienungshilfe umstrukturieren lassen. Aber selbst wenn der Alte sich über ihn beschwerte – seine Quoten waren gut, und er tat, was von ihm verlangt wurde: den Stundenaufwand unauffällig nach oben treiben, sodass der Gewinn ihrer Firma größer ausfiel.

      »Vielleicht solltest eher du deine Eignung überprüfen lassen«, meinte Kelak. »Oder stellst du dich einfach nur dumm?« Erneut zuckte sein Blick zur Tür. »Das ist nicht irgendein Auftraggeber. Das ist O. G. Esser!«

      Damit hatte er plötzlich Farans volle Aufmerksamkeit. »Der Orson Esser?«

      Kelak nickte.

      Ohne weitere Umschweife wandte Faran sich wieder seinen eigenen Aufgaben zu. Er versuchte nicht länger, Zeit zu schinden, sondern arbeitete konzentriert und effizient. Er fragte nicht, ob sein Kollege sich sicher war, was die Identität ihres Auftraggebers anging. Diese Erklärung war zu logisch. Er musste auch nicht länger überlegen, was der alte Knacker mit der besten Laborausstattung wollte, die man für Geld und Einfluss kaufen konnte.

      Orson G. Esser war Hauptsponsor des N4-Centers gewesen. Das letzte Forschungsprojekt, an dem er aktiv beteiligt gewesen war, hatte die neue Generation hervorgebracht: die verbesserte Optimierung. Klone, deren Gene direkt aus dem Datenpool zur bestmöglichen Funktionalität zusammengesetzt werden konnten. Jedes führende Mitglied der Gesellschaft gehörte der neuen Generation an. Dieser Mann war der Vater der Menschheit, wie Faran sie kannte, und egal, was er mit dieser Ausrüstung vorhatte – es war nichts, dem Faran im Weg stehen wollte.

      Das zweite Signal sprang auf Grün.

      Ramin

      Der Tod lag über Noryak, solange Ramin denken konnte, und vermutlich schon etliche Jahre länger. Bisher war es das schleichende Gift des Smogs gewesen, welches die Stadt erstickte; der Hunger, der sie zerfraß. Nun hatte der Tod ein anderes Gesicht bekommen. Ebenso hässlich, doch weniger verborgen. Er war willkürlich geworden, gierig und brutal. Menschlich.

      Ein leises Pling ertönte, und die Fahrstuhltür öffnete sich vor Ramin. Er stieg aus, überquerte den mit kalten Steinfliesen verkleideten Gang und trat in den nächsten Aufzug, der ihn weiter nach oben bringen würde. Es dauerte eine Sekunde, ehe der Sensor seinen Mikrochip erkannte und die Berechtigung für den Zugang zu den gesicherten Ebenen akzeptierte. Das Bedienfeld aktivierte sich. Ramin legte den Finger auf die oberste Taste.

      Jedes Mal diese Verzögerung. Und jedes Mal fürchtete er, dass seine Farce aufflog, dass statt der Freigabe ein Alarm ausgelöst wurde. Viel zu lange spielte er bereits dieses Spiel. Es konnte nicht ewig gut gehen.

      Ramin musste sich zusammenreißen, um nicht über die schwulstige Narbe in seinem Nacken zu tasten, die unter dem Haaransatz verborgen lag. Narben waren verräterisch, und er trug zu viele davon. Klone und Optimierte erhielten den Chip im embryonalen Stadium, um ihre Entwicklung schon in dieser frühen Wachstumsphase in die gewünschte Richtung zu fördern. Ramin hatte seinen Chip von einem Schwarzhändler erstanden und ihn sich eigenhändig ins Fleisch geschoben. Eine falsche Identität, ein falsches Leben. Und wofür das alles?

      Die Intrigen hatten ihren Reiz verloren, das Risiko, dem er sich aussetzte, war nichts mehr im Vergleich zu dem, was dort draußen im wahren Leben geschah. Es gab nichts, das er noch erreichen konnte, außer aus großer Entfernung zuzusehen, wie der Tod Noryak endgültig besiegte.

      Da ertönte ein weiteres Pling, und


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