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Das Geheimnis von Cloomber-Hall. Arthur Conan DoyleЧитать онлайн книгу.

Das Geheimnis von Cloomber-Hall - Arthur Conan Doyle


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Schloß wieder bewohnt werden sollte, große Aufregung im Dorfe hervor, und zahllos waren die Hypothesen und Vermutungen, die von den Klatschbasen männlichen und weiblichen Geschlechts aufgestellt wurden, weshalb die Heatherstones sich gerade diesen weltabgelegenen Winkel zum Wohnplatz erwählt hätten. Daß die letzteren nicht etwa für eine kurze Zeit hier zu verweilen gedachten, wurde bald klar; denn Scharen von Handwerkern kamen von Wigtown herüber, und des Hämmerns, Sägens, Klapperns war kein Ende von Tagesanbruch bis spät in die Nacht hinein. Mit überraschender Schnelligkeit verschwanden die Spuren, die Wind und Wetter an den Wänden hinterlassen hatten, und ehe man sich 's versah, stand das alte Haus wieder frisch und freundlich da, als ob es eben erst erbaut wäre. Man konnte sehen, daß es dem General auf Geld nicht ankam und daß Not sicher nicht der Grund seiner Flucht aus der großen Welt war.

      »Es ist möglich, daß er ein Gelehrter ist,« sagte mein Vater eines Morgens beim Frühstück, »und daß er sich diesen wildeinsamen Fleck Erde ausgesucht hat, um irgendein magnum opus zu beendigen. In dem Falle würde ich ihm mit Vergnügen meine Bibliothek zur Verfügung stellen.«

      Esther und ich mußten uns das Lachen verbeißen, als er in solch großartiger Weise von seinen zwei Kartoffelsäcken mit Büchern sprach.

      »Wohl möglich,« erwiderte ich, »aber während unseres kurzen Interviews machte er kaum den Eindruck eines Literaten auf mich. Mir kommt es eher vor, als ob er irgendeiner chronischen Krankheit halber von seinem Arzte hierher geschickt wäre. Wenn du seine wildstarrenden Augen und nervös zuckenden Finger gesehen hättest, würdest du selber zugeben, daß er der Erholung im höchsten Grade bedürftig ist!« –

      »Mich soll nur wundern, ob er eine Frau und Familie hat,« meinte meine Schwester. – »Arme Seelen! Wie entsetzlich einsam werden sie sein! Es gibt ja außer uns im Umkreise von sieben Meilen und mehr keine Familie hier, mit der sie verkehren könnten!«

      »General Heatherstone ist ein berühmter Offizier!« warf mein Vater ein.

      »Nanu, Papa; was weißt du denn von ihm?«

      »Ja, seht ihr,« lachte mein Vater, »da witzelt ihr über meine Bibliothek, und doch kann die zuweilen sehr nützlich sein.« Er langte ein rot eingebundenes Folio von seinem Bücherbrett herunter und blätterte darin herum. »Dies ist das ostindische Armeeregister für die letzten drei Jahre,« erklärte er, »und hier haben wir den Herrn, den wir suchen. J. B. Heatherstone, Oberst a. D. der ostindischen Armee, einundvierzigstes bengalisches Regiment zu Fuß, als Generalmajor pensioniert. Erstürmung von Ghuznee, Verteidigung von Jellalabad, Sobrasu 1848, Sepoy-Aufstand und Einnahme von Oudh. Fünfmal in offiziellen Telegrammen erwähnt. – Wir haben guten Grund, auf unseren neuen Nachbarn stolz zu sein, denke ich.«

      »Es steht nicht darin, ob er verheiratet ist, nicht wahr?« fragte Esther.

      »Nein!« schmunzelte mein Vater, über seinen eigenen Humor entzückt und behaglich mit dem Kopfe wackelnd. »Ich kann es unter der Rubrik ›Waghalsige Unternehmungen‹ nicht finden, obwohl es eigentlich dorthin gehört.«

      Alle unsere diesbezüglichen Zweifel wurden jedoch bald zerstreut, denn als ich an demselben Tage, an welchem die Ausbesserung und Ausstattung des alten Schlosses beendet war, zufällig Gelegenheit hatte, nach Wigtown zu reiten, traf ich auf dem Wege den General, der mit seiner Familie nach Cloomber fuhr. Eine ältliche Dame von abgezehrtem und kränklichem Aussehen saß an seiner Seite, und beiden gegenüber neben einem jungen Burschen von ungefähr meinem Alter ein Mädchen, das ein paar Jahre jünger zu sein schien. Ich grüßte und wollte gerade vorbeireiten, als der General seinen Kutscher halten ließ und mir seine Hand entgegenstreckte. Ich konnte jetzt sehen, daß sein Antlitz, obwohl es hart und finster war, doch auch freundliche Züge aufzuweisen hatte.

      »Wie geht's, Herr West?« rief er. »Ich muß mich noch wegen meines barschen Benehmens von neulich abend entschuldigen. Sie werden es aber einem alten Soldaten, der sein ganzes Leben lang im Geschirr zugebracht hat, wohl nicht übelnehmen. Sie müssen jedenfalls zugeben, daß Sie für einen Schotten eine sehr dunkle Gesichtsfarbe haben!«

      »Wir haben spanisches Blut in unseren Adern,« erwiderte ich, obwohl es mir unerklärlich war, weshalb er auf diesen Punkt zurückkam.

      »Das ist wahrscheinlich die Ursache,« bemerkte er, um dann zu seiner Frau gewendet fortzufahren: »Meine Liebste, darf ich dir Herrn Fothergill West vorstellen? Dies ist mein Sohn und meine Tochter. Wir sind hierher gekommen, um Ruhe zu finden, Herr West, vollkommene Ruhe!«

      »Einen besseren Platz hätten Sie sich dazu nicht aussuchen können,« sagte ich.

      »Meinen Sie?« antwortete er. »Ich glaube selbst, daß es hier sehr ruhig und einsam ist. Man kann wohl nachts hier manchen Weg machen, ohne eine Menschenseele anzutreffen, nicht wahr?«

      »Wohl möglich,« entgegnete ich, »es gibt wenig Nachtwandler hier.«

      »Und Sie haben nicht viel von Vagabunden und dergleichen Gesindel zu leiden?«

      »Ich finde es ziemlich kalt hier,« unterbrach Frau Heatherstone ihren Gatten fröstelnd, indem sie ihren mit Seehundsfell gefütterten Mantel fester um sich zog. »Und außerdem halten wir Herrn West auf!«

      »Das ist wahr, Schatz, du hast recht! Vorwärts, Kutscher! Gott befohlen, Herr West!«

      Der Wagen rasselte davon, dem Schlosse zu, und ich trabte nachdenklich weiter nach der kleinen Landstadt.

      Als ich Hig-Street hinaufritt, kam Herr Mc. Neil aus seinem Bureau gelaufen und winkte mir zu, anzuhalten.

      »Unsere neuen Pächter sind hinübergezogen,« sagte er, »heute morgen fuhren sie fort.«

      »Ich weiß,« antwortete ich, »ich traf sie auf dem Wege.«

      Als ich mir den kleinen Verwalter näher ansah, bemerkte ich, daß sein Gesicht gerötet war und daß er augenscheinlich ein Glas über den Durst getrunken hatte.

      »Mit solchen Leuten lassen sich noch Geschäfte machen,« lachte er, »da versteht man einander. Wieviel soll ich's machen? fragt der General, nimmt ein Scheckformular aus seiner Brieftasche und legt es auf den Tisch. Zweihundert Pfund, sage ich, dabei fällt dann für mich noch ein kleines Diskonto ab.«

      »Ich dachte, der Eigentümer bezahlt Ihnen das?« bemerkte ich.

      »Nun freilich. Aber doppelt hält besser! Er füllt also den Scheck aus und wirft ihn mir auf den Tisch, als ob es eine Briefmarke wäre. Das nenne ich Geschäft zwischen ehrlichen Leuten! Wollen Sie nicht einen Augenblick eintreten und einen Tropfen zu sich nehmen?«

      »Danke sehr!« sagte ich. »Ich habe Geschäfte zu besorgen!«

      »Recht so! Das Geschäft muß immer vorgehen. Frühmorgens sollte man überhaupt nichts trinken. Es bekommt einem nicht. Ich selbst trinke morgens nie etwas, außer vielleicht einen Tropfen vor dem Frühstück, um mir Appetit zu machen, und einen oder zwei nachher, der Verdauung wegen. Ich glaube selbst, daß ich vielleicht in dieser Sache ein wenig zu penibel bin, aber besser ist besser. Was denken Sie denn von Ihrem neuen Nachbar, Herr West?«

      »Ich habe noch keine Gelegenheit gehabt, ihn genauer kennen zu lernen,« entgegnete ich.

      Herr Mc. Neil deutete mit dem Mittelfinger auf seine Stirn.

      »Wollen Sie wissen, was ich von ihm denke?« fragte er vertraulich. »Verrückt ist er! Was würden Sie zum Beispiel als ein Zeichen von Verrücktheit ansehen, Herr West?«

      »Einem Wigtowner Hausagenten einen leeren Scheck anzubieten,« sagte ich.

      »Spaßvogel Sie! Aber ernsthaft! Wenn jemand Sie fragte, wieviel Meilen es bis zum nächsten Hafen seien, ob dort Schiffe aus dem Orient hinkämen, ob sich hier Vagabunden umhertreiben und ob es gegen den Mietskontrakt sei, eine hohe Mauer um das Grundstück auszuführen – wofür würden Sie einen solchen Menschen halten?«

      »Für sehr exzentrisch jedenfalls!« antwortete ich, und Herr Mc. Neil blinzelte mir vielsagend zu.

      »Wenn der Mann dort wäre, wohin er gehört, brauchte er sich kein Kopfzerbrechen wegen der hohen Mauer zu machen.«


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