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Traum aus Eis - Der Kalte Krieg 3. Dirk van den BoomЧитать онлайн книгу.

Traum aus Eis - Der Kalte Krieg 3 - Dirk van den Boom


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Kreuzer die flexible Leitung einzuholen begann. Doch der Schreck währte nur eine Sekunde. Es blitzte auf, als das Boot feuerte und sich auch der letzten Verbindung entledigte. Mit einem befriedigenden Ruck befreite es sich, scherte seitwärts in einer erneuten Kursänderung aus.

      »Die Dropships sind jetzt sehr nahe«, sagte Sol.

      »Die Darstellung täuscht. Es sind noch Dutzende von Kilometern«, belehrte ihn Darius. Dann erklang ein angenehmes Signal, ein Gongschlag mit einem sanften, vibrierenden Nachhall.

      »Endlich!«

      Mit einem Schlag veränderte sich die Umgebung. Der Sternenhimmel machte dem undefinierbaren Anblick des Hyperraums Platz. Die Anspannung fiel von Darius ab. Er schaute erst auf die Instrumente, dann auf Sol.

      »Das ist nicht ganz so gelaufen, wie ich es mir erhofft habe. Ich war zu naiv.«

      »Wohin fliegen wir jetzt? Du hast es mir noch nicht gesagt.«

      »Es wird eine kurze Reise, nicht einmal eine Stunde. Wir kehren zu den Serail-Systemen zurück.«

      Sol zuckte zusammen. »Aber die Kalten …«

      »Halten sich noch in dem System auf, in dem wir ihnen begegneten«, informierte ihn Darius. »Und wir bleiben nicht lange. Ich muss aber die einzige Verbündete aufsuchen, die mir in dieser Situation noch bleibt, und ich weiß nicht einmal, ob sie mir tatsächlich helfen kann.«

      »Verbündete?«, echote Sol. »Wohin genau sind wir jetzt unterwegs? Es muss sich ja um eine ganz spezielle Person handeln, wenn sie uns jetzt noch helfen kann.«

      Darius nickte und lehnte sich zurück.

      »Das würde ich so unterstreichen.« Er lächelte. »Es geht heim zu Mami.«

      9

      Sie verließen den Serail, die Gruppe der Kernsysteme und damit auch die Verzweiflung eines Sonnensystems, das durch die Kalten eingefroren wurde und dabei Milliarden das Leben kostete. Ihr Abflug wurde bemerkt, zumindest insofern, als eine Kontaktaufnahme versucht wurde, doch Aume hatte beschlossen, alle zu ignorieren – und die Natur dieser Anfragen ihrer Besatzung gar nicht erst mitzuteilen. Das war egoistisch, auf so vielen unterschiedlichen Ebenen: Auf der einen Seite wollte sie nicht mit Vorschlägen und Ideen konfrontiert werden, die den mühsam erarbeiteten Konsens über ihr weiteres Vorgehen infrage stellten; auf der anderen wollte sie vermeiden, dass ihre Besatzung ganz oder in Teilen beschloss, sie zu verlassen. Aume musste es sich eingestehen, aber ohne eine Crew, ob sie dieser nun bedurfte oder nicht, fühlte sie sich verlassen, möglicherweise auch etwas nutzlos. Damals, in der Zukunft, als sie noch für andere Zivilisationen geflogen war, ehe Dendh sie erbte und zu missbrauchen begann, hatte sie sich darüber selten Gedanken gemacht. Die Idee, dass sie noch existieren würde, wenn längst alle anderen Intelligenzen der universalen Entropie zum Opfer gefallen waren, beschlich sie das erste Mal, als ihre letzten Besitzer kollektiven Selbstmord begangen hatten. Würde. Dendh hatte sich ihrer angenommen und sie war ihm nicht zuletzt deswegen so lange gefolgt, weil er ihr eine Orientierung gegeben hatte. In gewisser Weise war sie für den Verrat, den er an ihr begangen hatte, dankbar: Er hatte ihr geholfen, sich zu emanzipieren. Früher war sie als Schiffsintelligenz – und das war auch konstruktionsmäßig so angelegt – darauf aus gewesen, ihrer Crew in allem dienlich zu sein, und eigene Wünsche, soweit sie zur Formulierung solcher imstande war, hintanzustellen. Doch Aume lebte nun schon sehr lange und hatte vieles gesehen und gehört. Ihr Bedürfnis, sich jemandem zu unterwerfen, war auf ein kaum messbares Maß geschrumpft. Sie hatte eigene Ideen und Überzeugungen entwickelt und deren Ausbruch war durch Dendhs Verrat ihrer Beziehung endgültig getriggert worden. Sie konnte ihm dafür danken, würde es vielleicht auch, in etwa tausend Jahren, wenn der Schmerz über die Weise, wie ihr Captain sie missbraucht hatte, etwas abklang.

      Die Koordinaten, die Horton Vigil entdeckt hatte und die sie nun mithilfe der Kath extrapolierten, lösten eine lange Reise aus, auch für ein Schiff wie Aume, das Distanzen ganz anders betrachtete als irdische Navigatoren. Ein Zwischenstopp zur Aufnahme von Ressourcen war schnell erledigt, dann traten sie eine lange Etappe an, die ihnen alle eine Phase relativer Passivität bescherte. In jedem Fall Zeit genug, um sich unnötige Gedanken zu machen, Streitigkeiten zu entfachen oder Angst zu entwickeln. Vieles davon fand sie bei der Beobachtung ihrer Mannschaft wieder. Es führte dazu, dass immer mehr aus ihrer Crew immer weniger miteinander redeten, alle in dem Bewusstsein, dass es besser war, zu kooperieren und die Atmosphäre nicht zu vergiften, wenn man das gemeinsame Ziel erreichen wollte. Eine vernünftige Entscheidung, geboren aus der Erkenntnis eigener Fehlbarkeit – und damit ein positives Charaktermerkmal, das jeden an Bord von Dendh unterschied.

      Aume beobachtete und lernte.

      Vocis machte sich Sorgen um Yela. Yela war ein distanziertes Mädchen, sehr ernsthaft, und sie schien von der Idee gefangen zu sein, von ihren toten Eltern für etwas auserwählt worden zu sein, wie eine Schuld, die sie nun abzutragen hätte. Vocis versuchte, ihr das auszureden. Aber kleinen Mädchen redete man nichts aus und so klein war Yela auch nicht mehr. Die Ereignisse hatten sie schneller erwachsen werden lassen, als für ihr biologisches Alter gut war. Vielleicht noch ein Grund, sich um sie Sorgen zu machen.

      Hamid machte sich Sorgen um Vocis. Er war, so Aumes Vermutung, an ihr interessiert. Da Vocis sich um Yela sorgte, übertrug sich dieser emotionale Stress auch auf ihn. Er wirkte ein wenig hilflos. Es war für ihn eine ungewohnte Situation. Er versuchte, ruhig und souverän zu wirken, aber kleine Gesten und Worte verrieten ihn. Er redete manchmal zu viel, manchmal zu wenig. Aber er dachte offenbar darüber nach, wie er auf andere wirkte, vor allem auf die Frau. Aume war sich nicht immer sicher, welche Schlüsse er aus dieser Art von Selbstbetrachtung zog.

      Plastikk machte sich Sorgen um sein Geschäft. Er redete oft von seinem Schrotthandel auf Canopus. Doch Aume durchschaute ihn. Der Gauner benutzte sein Unternehmen als Metapher für … alles. Er war kein Patriot. Er war ein Geschäftsmann, der wusste, dass es keinen Handel mehr geben würde, wenn alle Kunden erfroren waren. Er war pragmatisch und bereit, ein Risiko einzugehen. Und er sehnte sich mit großer Leidenschaft nach diesem Leben zurück, der Existenz kleiner Gaunereien, der Gemütlichkeit einer vertrauten Umgebung. Er fühlte sich möglicherweise ein wenig entwurzelt.

      Aume dachte an Darius und Sol, die sie verlassen hatten, um einem dummen Traum nachzujagen, eine Reise, in der es um Vernunft in einer unvernünftigen Welt ging, eine Mission, die nach ihrer Bewertung zum Scheitern verurteilt war. Sol machte sich ganz bestimmt Sorgen um Darius, aber nur deswegen, weil er nicht verstand, was aus seinem Freund geworden war. Ein Prinz. War er also noch der, den er kennengelernt hatte, oder war er nun jemand anders? Und wenn anders, hieß dies, dass Sol ganz allein war? Aume bedauerte, ihn nicht mehr beobachten zu können, um mehr darüber zu lernen. Darius wiederum, zu dem Schluss war sie früh gekommen, sorgte sich um alle. Er wäre ein guter Imperator, dachte Aume, insoweit es dieses Konzept überhaupt gab. Eine Idee, die Darius vehement abgelehnt hätte, was diese in Aumes Augen nur noch attraktiver machte.

      Dr. Thasri machte sich bestimmt auch Sorgen. Doch sie war eine Frau des klaren Verstandes und der Wissenschaft, und sie hatte Dinge erlebt und getan, die sie vom Rest der Gruppe abhob, ohne dass sie auf dieser Sonderstellung bestand. Sie war neben Plastikk auch die Älteste und ruhte auf eine Weise in sich, wie es Organische nur selten in ihrer so flüchtigen Existenz schafften. Sie war sparsam mit Worten und Gesten, aber sie wurde um Rat gefragt und manchmal ernster genommen als Aume selbst. Sie bot eine Perspektive an, um die auch die Schiffsintelligenz mitunter aktiv bat.

      Und dann war da Holoban Kerr.

      Schwierig, schwierig.

      Wenn sie an ihn dachte, setzte Aume immer für einen winzigen Moment aus. Sie kam nicht gerne zu einem vorschnellen Urteil, geboren aus Leichtfertigkeit. Kerr hatte sie geweckt und von Anfang an begleitet, und er war in so vielem das Gegenteil von Dendh. Wo ihr alter Captain Machtbewusstsein und Fanatismus gezeigt hatte, blieb Kerr zurückgezogen, bescheiden und behutsam. Schüchtern. Still. Wo Dendh seine Autorität zum Maßstab aller Dinge gemacht hatte, bis hin zu Betrug und Missbrauch, blieb Kerr ein Helfer, ein Begleiter, ein beinahe schon dienstbarer Geist. Anspruchslos. Keiner, der sich aufdrängte. Keiner, der so tat, als sei er derjenige, der das Sagen habe.


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