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Traum aus Eis - Der Kalte Krieg 3. Dirk van den BoomЧитать онлайн книгу.

Traum aus Eis - Der Kalte Krieg 3 - Dirk van den Boom


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den emotionalen Aufruhr. Aber die Gerüchteküche brodelte auch in der Öffentlichkeit und die wenig hilfreichen offiziellen Verlautbarungen heizten die Stimmung eher noch an. Keiner wusste genau, was geschehen war, und so wurden die Geschichten immer wilder. Das Erschreckende war: Die Realität schien noch viel schlimmer zu sein als die Fantasien der Geschichtenerzähler. Die Kommunikationslinien mit dem angegriffenen System waren ausgefallen. Die dort stationierte Flotte schien vollständig vernichtet. Eine militärische und humanitäre Katastrophe. Schon früher hatte das Imperium Welten an die Kalten verloren. Doch niemals so plötzlich, so eindringlich und umfassend, so rasend schnell und ohne jede effektive Gegenwehr. Das war eine neue Qualität und auch jenen, die von Berufs wegen die Ruhe zu bewahren hatten, stand die Angst in den Augen.

      Der kaiserliche Palast schwieg. Das konnte sich schnell als fatal für die öffentliche Stimmung erweisen. Vigil wollte sich vorstellen, dass der Imperator entschlossen und gefasst seinen Beraterstab einberufen hatte und die Situation kühl analysierte, ehe er sich an die Öffentlichkeit wandte. Der Agent klammerte sich ein wenig an diesem Bild fest, der Illusion, dass irgendwer noch etwas unter Kontrolle hatte. Das Imperium war ein Behemoth, ein Gebilde aus Hunderten von Systemen, ruhend auf einer jahrhundertelangen Tradition. Es war nicht immer eine gute Tradition, Vigil war der Erste, der das zugeben wollte. Aber es war doch nichts, was man einfach vom Tisch fegen konnte.

      Oder?

      Er wollte gar nicht daran denken. Wie gut, dass ihn die Annäherung an das Hauptquartier ablenkte. Bisher war er ohne Probleme vorangekommen, aber jetzt würde er sich erneut Fragen ausgesetzt sehen, und möglicherweise würde Ildaya unter Beweis stellen müssen, dass sie ihre Rolle zu spielen bereit war.

      Er sah sie an. Sie begegnete seinem Blick, hob die elektronischen Fesseln an ihren Handgelenken. »Ich bin die Gefangene.«

      »Ich schütze Sie, versprochen.«

      »Vergessen Sie mich nur nicht beim Abflug. Ich werde schließlich tatsächlich gesucht. Und nach imperialem Gesetz absolut zu Recht.«

      Vigil hatte sich dessen vergewissert. Es gab einen Strafbefehl und er war ein wenig blass geworden, als er die Liste der Anklagen überflogen hatte. Ildaya war eine Terroristin. Sie hielt sich selbst für eine Freiheitskämpferin. Wie immer wurden die Definitionen am Ende von denen gemacht, die auf der Seite der Sieger standen. Es war bezeichnend, dass die Frau und er kooperierten, denn es drohte ihnen beiden die absolute Niederlage. Und die Panik auf allen Frequenzen legte beredt Zeugnis dieser Tatsache ab. Aber dennoch. Ildaya war keine Heldin für ihn, keine Freiheitskämpferin, soviel Sympathie er grundsätzlich mit dem Schicksal ihres Volkes auch hatte. Unter anderen Umständen …

      Die gab es aber nicht. Es gab jetzt nur diese hier.

      »Wir landen. Schauen Sie wütend und verzweifelt drein, Ildaya.«

      Die Audh sah Vigil immerhin zweifelnd an, nicht zuletzt wohl als Hinweis auf die Tatsache, dass sie eigentlich immer Wut und Verzweiflung empfand und es keiner besonderen Anstrengung bedurfte, um diesen Ausdruck wiederherzustellen.

      Die Sylvana dockte an. Nein, das war nicht richtig. Das Flottenhauptquartier verschluckte sie. Der Moloch aus Stahl und Plast war eines der größten Monumente imperialer Technik, gleichermaßen darauf ausgerichtet, zu funktionieren wie auch zu repräsentieren. Jeder musste von diesem Symbol menschlicher Macht beeindruckt sein und auch Vigil, obgleich er die Anlage nun wirklich oft genug besucht hatte, konnte sich diesem Eindruck nicht völlig entziehen. Er beobachtete verstohlen Ildaya, als sich die Sylvana zum letzten Anflug einreihte, und merkte, dass die Rebellin ebenfalls darum kämpfte, ihre Ehrfurcht nicht allzu offen zu zeigen. Es wäre für sie bestimmt eine Schwäche, das zu tun. Aber wenn einem dieser Anblick vor Augen führte, wie sinnlos der Widerstand gegen diese Maschinerie der Macht im Grunde war, dann musste das von ihrer Warte her sehr deprimierend sein.

      Oder ernüchternd.

      »Wir gehen!«, sagte Vigil und erhob sich, als die Jacht zum Stillstand gekommen war. Ehe sie aber das Schiff verließen, wandte er sich noch einmal an die KI.

      »Sylvana …«

      »Ich weiß, was du sagen willst, Vigil. Es könnte passieren, dass die imperialen Behörden ihre respektvolle Einstellung gegenüber unseren Legitimationen im Verlauf der kommenden Stunden noch einmal überdenken könnten, korrekt?«

      »Du bist auf eine etwas verschwurbelte Weise ein richtig schlaues Mädchen, Sylvana.«

      »Ich werde Intrusionsversuche der HQ-KI abzuwehren wissen. Ich wurde mit sehr wirkungsvollen Protokollen ausgestattet, wie du weißt.«

      »Du wirst daran scheitern. Wenn das HQ dich knacken will, wird es dich knacken. Du musst in so einem Fall auf totale Isolation schalten und darauf hoffen, dass ich rechtzeitig zurückkomme. Im Zweifel musst du all deine Kommandofunktionen löschen und ich werde das Schiff manuell steuern.«

      »Das ist unangenehm.«

      »Es beschneidet deine Autonomie und deine Kognition. Aber …«

      »Das meine ich nicht. Du bist ein richtig schlechter Pilot, Vigil.«

      Sylvana kicherte. Der Agent schüttelte den Kopf und zeigte auf die Schleuse.

      »Jetzt gehen wir wirklich. Sie vor mir, Ildaya. Reden Sie mit niemandem. Sehen Sie einfach nur deprimiert aus.«

      »Verdammt, Vigil«, murmelte die Gefangene leise, als sich das Innenschott öffnete, »ich bin deprimiert!«

      »Dann kann ja nichts schiefgehen.«

      So gut vorbereitet betraten sie die Höhle des Löwen.

      2

      Und so wurde eine Welt gefressen.

      Der expandierende Schirm, kristallklar, kaltweiß, berührte die obersten Schichten der Atmosphäre. Es war ein bemerkenswerter Anblick, wie die Luftmassen milchig wurden, sich immer mehr verdichteten, Wolken wallten, je tiefer der Schirm vordrang. Eis und Schnee begann, zu Boden zu fallen, als die Gase und Flüssigkeiten heruntergekühlt wurden und alles zu Eis wurde, nicht nur das Wasser, sondern auch der Stickstoff, die Edelgase, das Kohlendioxid. Und unten auf dem Planeten, einer dicht besiedelten Welt, die kaum evakuiert worden war, erfasst von einem tödlichen, eiskalten Hauch, der vor nichts und niemandem haltmachte, begann das große Sterben.

      Es war nicht wie die Arbeit eines Kollapsars, die dem Imperium wohlbekannt war. Nicht das allmähliche Herunterkühlen, nicht die schrittweise Eroberung, der hinhaltende Kampf mit verbissenem Widerstand, ohne Chance, den Prozess zumindest zeitweise aufzuhalten, zu retten, zu evakuieren, die Katastrophe ein wenig zu mindern und damit die Niederlage nicht absolut werden zu lassen. Es war kein Ringen mehr, es war diesmal ein Naturgesetz. Der Schirm berührte Materie, ob fest oder gasförmig, und kühlte diese in radikaler Geschwindigkeit herunter. Abwehreinrichtungen zeigten Widerstand. Raketen wurden abgefeuert, Energiewaffen ausgerichtet. Explosionen erhellten das Firmament einer sterbenden Welt. Wie auch die Angriffe der Flotte draußen im All waren die Bemühungen sofort und endgültig zum Scheitern verurteilt. Überall stieg die verzweifelte Bevölkerung in die Gleiter, floh auf die andere Seite des Planeten und zögerte damit das unausweichliche Ende nur um kurze Zeit hinaus. Jene Gleiter, die durch die ausgelösten Stürme in der Luft herumgewirbelt, gegen Gebirgsmassen oder die zunehmend vereiste See gestoßen wurden, waren die ersten, die scheiterten. Jene, die sich in der Luft hielten, stürzten erst ab, als die Luft um sie herum gefror und die Maschinen der Fluggeräte keine Möglichkeit mehr hatten zu funktionieren. Mit Glück schafften sie die Landung und dann erfroren oder erstickten die Passagiere, je nachdem, wie gut und sicher ihr Gefährt gebaut worden war. Aber sterben, das mussten sie alle, und aus dem Weltall, unterstützt durch hochauflösende Teleskope, durch noch funktionierende Bildübertragungen von da unten, wurde man Zeuge der Katastrophe, hilfloser, ohnmächtiger Zuschauer eines Genozids von unbeschreiblichen Ausmaßen. Es starben Milliarden. Gigantische Metropolen verendeten in einem umfassenden Eispanzer, nahmen ihre verängstigten und alleingelassenen Bewohner mit in ein ewiges Grab.

      Funksprüche der Beobachter klangen wie ein Abgesang. Es wurde gemeldet, mit fester Stimme, dann zitternd, es gab Schluchzen


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