Mami Staffel 10 – Familienroman. Lisa SimonЧитать онлайн книгу.
eine Übereinstimmung.
*
Kristin hatte sich von Marion das Rezept für die tolle Spaghettisauce geben lassen wollen, merkte aber schon beim Aufzählen der Zutaten, daß sie ihre Kochkünste damit überschätzte. Also kaufte sie am Freitag auf dem Markt Antipasti, getrocknete Tomaten in Olivenöl, geschmorte Auberginen, Oliven und Ähnliches, dann für jeden ein saftiges Steak, die Zutaten für Salat und ein fertiges Dressing. Dazu würde es italienisches Weißbrot geben. Ein gutes Essen, das ihrem Gast sicher schmeckte.
Sie verließ die Buchhandlung um halb sechs, um genügend Zeit zu haben für die Vorbereitung des Essens und – noch wichtiger – ihrer selbst. Kristin war aufgeregt. Es war lange her, daß sie einen Mann in ihre Wohnung eingeladen hatte. Würden sie wirklich ins Kino gehen? Oder wäre es so gemütlich… Na ja, daran dachte sie nicht wirklich. So leicht wollte sie es Frederik auch nicht machen. Schließlich sollte es kein kurzes Abenteuer werden. Die blauen Augen wären sicher in ein paar Jahren auch noch reizvoll.
Bei diesem Gedanken zuckte Kristin zusammen. Dachte sie etwa an Heirat? Der »Marion-Virus« schien sie voll erwischt zu haben, dabei kannte sie Frederik ja kaum.
Trotzdem pfiff sie vergnügt vor sich hin, während sie die Antipasti auf einem weißen Porzellanteller anordnete, das Brot in den Backofen schob und den Tisch deckte. Nachdem das alles geschehen war, wollte sie an ihre eigene »Aufrüstung« gehen, als es klingelte.
»Mist…«, murmelte sie vor sich hin, ging aber trotzdem zur Tür. Hoffentlich war das nicht schon Frederik, der sich mit der Zeit geirrt hatte.
Es war eine strahlende Marion.
»Gut, daß du da bist.«
»Ich habe aber eigentlich keine Zeit. Ich bekomme Besuch.«
»Oh, das macht nichts. Ich wollte dich nur bitten, Johannes bei dir schlafen zu lassen. Stell dir vor, eben hat Derrik angerufen! Er will mit mir essen gehen…«
Ihre Augen leuchteten wie Scheinwerfer. Das war ja auch ein Ereignis, denn wie Kristin wußte, war er bisher noch nie mit ihr in der Öffentlichkeit aufgetreten. Er mußte ganz schön Angst haben, daß Marion nichts mehr mit ihm zu tun haben wollte. Nur paßte es gerade jetzt nicht so gut…
»Aber ich will mit Frederik noch ins Kino…«
»Oh, bitte, Kristin, bitte, bitte… ich flehe dich an… Laß mich nicht im Stich! Ich bin dann um halb zehn wieder hier, dann kannst du ja noch gehen. Ich glaube sowieso, daß Derrik und ich es dann sehr eilig haben werden, herzukommen…«
Sie errötete sogar.
Kristin war hin und her gerissen. Natürlich könnte sie das machen, um Marion zu helfen. Johannes schlief meist fest, wenn er abends ins Bett kam. In seinem Reisebettchen könnte er später hinübergetragen werden, eigentlich kein Problem…
»Ich weiß, was ich dir zumute, Kristin, aber es ist mir so wichtig… Derrik sagte, er will mir einen Vorschlag machen…«
Konnte sie dem Glück ihrer Freundin im Wege stehen? Nein, sie hätte den ganzen Abend ein schlechtes Gewissen.
»Na gut. Dann bring ihn rüber. Aber sei bitte wirklich um halb zehn wieder hier.«
»Du bist ein Schatz! Das werde ich dir nie vergessen.«
Marion umarmte sie stürmisch.
»In einer halben Stunde bringe ich Johannes. Er hat dann gegessen und ist fertig zum Schlafen. Müde ist er sowieso schon.«
»Gut, dann kann ich mich vorher noch schnell fertigmachen.«
Jetzt wurde es Zeit. Kristin merkte, daß sie sich doch ein bißchen überrumpelt fühlte, doch nun hatte sie einmal zugesagt. Hoffentlich suchte sich Johannes nicht gerade diesen Abend aus, um seine Gewohnheiten zu ändern.
Es ließ sich gut an. Johannes schlief fest, als seine Mutter das Bett über den Flur rollte. Er sah aus wie ein kleiner Engel, kaum zu glauben, wie hartnäckig er sein konnte, wenn er etwas wollte…
»Derrik kommt gleich. Bis später dann. Wenn er eine neue Windel brauchen sollte, weißt du ja, wo alles liegt. Aber das wird sicher nicht passieren.«
Warum erwähnte sie es dann? Kristin beäugte das schlafende Kind mißtrauisch. Johannes grunzte einmal und schob einen Daumen in den Mund.
Kristin ließ die Schlafzimmertür einen Spalt offenstehen, damit sie hören konnte, falls er erwachte. Dann wartete sie auf ihren Gast. Das Essen war vorbereitet, sie mußte nur noch die Steaks braten. Der Tisch sah
hübsch aus, sie machte sicher den Eindruck der perfekten Hausfrau. Allerdings war Kristin nicht ganz sicher, daß sie das auch wollte. Jedenfalls nicht vordringlich…
Frederik brachte Blumen und Wein mit. Er umarmte sie sogar zur Begrüßung und gab ihr einen Kuß auf die Wange. Kristin lächelte.
»Bitte, setz dich. Wir können gleich anfangen.«
Für Johannes war es offenbar auch eine Aufforderung. Plötzlich hörte sie ein leises Weinen aus dem Schlafzimmer.
Frederik schaute sie leicht irritiert an.
»Was ist denn das?«
»Johannes. Tut mir leid, aber meine Nachbarin mußte plötzlich weg und… Sie holt ihn aber um halb zehn wieder. Warte mal kurz, ich bin gleich wieder da.«
Dieses kleine Monster! Warum gerade heute? Er schrie, und es klang irgendwie jämmerlich, nicht wie sonst, wenn er bockig war.
Kristin roch schon, was das bedeuten mußte, als sie sich über sein Bettchen beugte. Johannes hatte die Windeln voll. Und sie die Nase, denn bisher hatte sie mit solchen Dingen nie zu tun gehabt. Sie wußte nicht einmal, wie man jetzt fachmäßig vorging.
»Ich muß mal eben rüber und eine frische Windel holen. Tut mir leid, Frederik. Wie wäre es, wenn du schon mal anfängst?«
»Nein, ich warte. Mach dir keinen Streß, das ist schon in Ordnung.«
Er sah tatsächlich noch einigermaßen gespannt aus. Kristin atmete auf. Hoffentlich behielt er seinen Humor. Sie war schon nahe daran, ihn zu verlieren. Wenn sie sich jetzt doof anschickte beim Windelwechsel, würde das das Bild der perfekten Powerfrau sicher ein wenig ankratzen. Eigentlich sollte doch jede Frau in der Lage sein, eine Windel zu wechseln. Ob Männer so dachten?
Alles wurde schlimmer, als sie es sich vorgestellt hatte. Johannes hatte Durchfall, er war bis zum Hals vollgeschmiert und mußte komplett umgezogen werden. Da Kristin ihn auf ihre Überdecke gelegt hatte, bekam auch die etwas ab, weil Johannes sich mit Schwung umdrehte und fortkrabbeln wollte. Kristin würgte bereits an einem Brechreiz. Ohne Hilfe von Frederik würde sie hier nicht fertig werden.
Notdürftig wischte sich Johannes’ Po ab und legte ihn wieder ins Bettchen, um frische Kleidung für ihn zu holen. Er schrie sofort wie am Spieß.
Frederik sah nicht mehr ganz so gelassen aus. Inzwischen stank es auch schon im Wohnzimmer.
»Du hast da etwas an der Bluse…«
Na prima, das hatte gerade noch gefehlt. Ihre beste Seidenbluse, die sie nicht selbst waschen konnte…
»Ich… es tut mir echt leid. Ich muß noch eben Wäsche für ihn holen…«
»Kann ich irgendwie helfen?«
Sie mußten beide ziemlich laut sprechen, um das Geschrei zu übertönen.
»Nein, ich schaff’ das schon«, gab sie tapfer und wenig überzeugend zurück.
Wo war die Wäsche? Kristin öffente Schubladen und Schränke, bevor sie alles zusammengesammelt hatte, was sie vielleicht brauchte. Marion würde sich allerhand einfallen lassen müssen, um das wieder gutzumachen! Sie hatte wohl gewußt, daß ihr Sohn nicht ganz in Ordnung war, warum sonst hatte sie auf die Windeln hingewiesen?
Kristin wußte, daß sie ein wenig ungerecht war, aber es tat im Moment gut, einen Schuldigen