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Mami Bestseller Staffel 3 – Familienroman. Jutta von KampenЧитать онлайн книгу.

Mami Bestseller Staffel 3 – Familienroman - Jutta von Kampen


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der Brunnen. Es wirkte seltsam beruhigend auf sie. Die Straßen waren leer und still. Vor dem Hotel »Eisenhut« zögerte Urte. Neulich war es ihr nicht möglich gewesen, die Atmosphäre dieses Hauses auf sich wirken zu lassen. Heute würde ihr sicher gelingen, was sie sich vorgenommen hatte: allein auf der Terrasse zu sitzen und die Gedanken ziellos schweifen zu lassen. Heute würde sie hier keine heitere Tischgesellschaft finden, die sie sofort mit einbezog.

      Urte durchquerte das Restaurant, in dem nur wenige Gäste saßen, und ließ sich auf der Terrasse an einem abseits stehenden Tischchen nieder. Eine abgeschirmte Lampe schuf eine Lichtinsel in der Nacht mit ihrer wehmutsvollen Schwüle.

      Nachdem der Kellner den gewünschten Martini gebracht hatte, gelang es Urte, die Gedanken an H.G.B. zu verbannen. Nur ein dumpfer Schmerz wühlte noch immer an der Bewußtseinsgrenze. Urte konzentrierte sich auf die bittere Süße des Getränks, spürte erfrischend die Eiswürfel an den brennenden Lippen, sah einem Nachtfalter zu, der vergeblich versuchte, sich in das Licht der Glühbirne zu stürzen. Er prallte immer wieder gegen das Glas, bis er ermattet auf den Tisch fiel.

      Von seinen Flügeldecken starrten Urte zwei Augen an – eine unheimliche, unbewegliche Maske des Schreckens. Urte war so in die Betrachtung des kleinen Nachtungeheuers versunken, daß sie heftig zusammenfuhr, als jemand hinter ihr sagte:

      »Das ist aber eine Überraschung!« Die Stimme der Schwarzroten war honigsüß und in Urtes Hirn flammte ein Warnsignal auf.

      »Darf ich mich zu Ihnen setzen? Danke.« Sie saß, bevor Urte ein Wort sagen konnte. Der Kellner erschien sofort.

      »Sekt mit Campari«, bestellte Toska von Tersky, ohne den Blick von Urte zu wenden.

      »Sie sehen unglücklich aus, Fräulein Söhrens. Verzeihen Sie, ich will nicht indiskret sein, aber ich glaube, Sie sind zu viel allein.«

      Urte lehnte sich zurück und fragte mit aufreizender Langsamkeit: »Und was glauben Sie sonst noch?«

      »Interessiert Sie das wirklich?« Ohne eine Antwort abzuwarten fuhr Toska fort: »Ich glaube, daß Sie in H.G.B.verliebt sind, und Sie tun mir leid.«

      »Sie hätten zur Heilsarmee gehen sollen mit Ihrer überströmenden Menschenliebe.«

      »Ich glaube, die Uniform würde mir nicht sonderlich stehen!« Das überlegene Lächeln war Sonne auf dem Gletschereis.

      »Die Menschenfreundlichkeit steht Ihnen auch nicht besonders«, erwiderte Urte kühl.

      »Oh!« Toskas Schlangenfinger mit den roten Nägeln legten sich auf den Arm des blonden Mädchens. »Aber Kindchen, ich meine es doch nur gut mit Ihnen! H.G.B. können Sie nicht verkraften! Dazu braucht man eine ganze besondere Lebensauffassung.«

      Urte wischte die Hand des anderen Mädchens fort wie ein lästiges Insekt. Die Berührung war ihr unangenehm.

      »Ihre Lebensauffassung, Fräulein von Tersky, nicht wahr? Und wie sieht die aus?«

      »Ich würde sagen: großzügig, modern und flexibel.«

      »Ja, ich glaube gern, daß dies Ihre Auffassung vom Leben ist. Aber Ihre rührende Besorgnis ist völlig unangebracht. Ich brauche keine Lehrmeisterin im Umgang mit Männern. Ich denke, Sie können den Lauf der Dinge in Ruhe abwarten.«

      Urte trank ihr Glas leer und sah unter gesenkten Lidern, daß Toska von Tersky die perlweißen Zähne in die Unterlippe grub. Doch nur eine Sekunde lang – dann hatte sie wieder Eisaugen und Haltung.

      Urte stand auf. »Ich wünsche Ihnen angenehme Träume, meine Dame.«

      Sie ging ins Restaurant und fühlte Toskas Blicke wie Phosphor auf der Haut. Der Trotz hatte dem Mädchen geholfen, der mondänen Schönheit entsprechend zu begegnen. Urte zahlte im Vorübergehen und floh.

      Als sie ihr Zimmer im Gasthaus betrat, wirkte es seltsam leer. Wie sie sich in wenigen Tagen an das Kind gewöhnt hatte! Sie vermißte das kleine Wesen mit den fragenden Vergißmeinnichtaugen und den immer verwuschelten krausen Haaren.

      Auf dem Nachttisch stand der Käfig mit dem Goldhamster. Urte nahm das Tierchen heraus und spürte das kleine krabbelnde Leben in ihrer Hand. Zutraulich blitzten die schwarzen Perlaugen.

      Auch Hans-Günther hatte dunkle, fast schwarze Augen…

      Ihre Gedanken begannen wieder zu kreisen.

      *

      Urte erwachte am nächsten Morgen mit bleiernen Gliedern und einem benommenen Gefühl. Sie erinnerte sich, daß sie gestern eine Schlaftablette geschluckt hatte, um den quälenden Bildern zu entfliehen.

      Mit Gewalt wischte Urte die Benommenheit fort, die ihre Wahrnehmungen und Erinnerungen dämpfte.

      H.G.B., das Kind, die Schwarzrote tauchten nacheinander aus dem Nebel auf, mit ihnen das Unbehagen und dann der Schmerz.

      Urte sprang aus dem Bett. Der Nebel vor ihren Augen wurde schwarz. Sie klammerte sich ans Waschbecken, der Schwächeanfall ging vorüber.

      Urte ließ das eiskalte Wasser aus dem großen Schwamm über den nackten Körper fließen. Es war ein Schock, aber es half. Dann wählte sie mit Sorgfalt ein fliederblaues Kleid aus Naturseide. Sie spürte den Stoff glatt und zärtlich auf ihrer Haut. Schmuck? Die glitzernden Steine waren kalt und hart. Urte wählte den warmen goldenen Bernstein – Herzblut untergegangener Urwälder. Erstarrte Tropfen, die einst Leben waren, legte sie sich tröstlich um ihren Hals. Sie steckte auch den Ring auf und fühlte sich bereits besser.

      Urte frühstückte auf der Veranda. Sie sah eine Schwalbe in den Telefondrähten sitzen wie eine Note zwischen den Linien. Ein verlorener Ton im blauen Himmel.

      Auch Urte fühlte sich verloren, entwurzelt und seltsam ratlos. Sie spürte, daß es so nicht weitergehen konnte. Sie mußte sich aufraffen und eine Entscheidung treffen. Aber sie verschob diesen Gedanken bis zur Ankunft des Kindes. Mit Veronika würde auch H.G.B. kommen… Eine irre Hoffnung durchzuckte sie.

      Sie dehnte das Frühstück aus in der Hoffnung, H.G.B. und das kleine Mädchen würden bald eintreffen.

      Endlich erhob sie sich und setzte sich auf die schiefe Steintreppe, die zur Straße hinunterführte. Sie wollte unbedingt da sein, wenn H.G.B. das Kind brachte. Sie mußte eine letzte Gewißheit haben – die Gewißheit, daß…

      Sie dachte den Satz nicht zu Ende.

      Sie rupfte einen Grashalm aus und begann an der Rispe zu zählen: Er liebt mich, von Herzen, mit Schmerzen, über alle Maßen, fast gar nicht… mit Schmerzen, über alle Maßen!

      Das Mädchen seufzte tief. Schön wär’s ja!

      »Blödsinn ist’s!« Sie erhob sich. In diesem Moment hörte sie den starken Motor des Sportwagens, der Sekunden später am Fuß der Treppe stoppte.

      Urtes Herz hämmerte.

      Die Tür ging auf und Ika schlüpfte heraus.

      Urte wollte die Stufen hinuntersteigen, obwohl ihre Knie merkwürdig zitterten – da entdeckte sie das andere Mädchen. Es saß auch noch ein Mann auf den schmalen Rücksitzen, aber Urte sah nur die Schwarzrote.

      Ihr Schritt stockte. Sie erstarrte zur Leblosigkeit. Dann sah sie H.G.B. lässig winken. »Urte, wir unterhalten uns nachher. Ich möchte Toska nicht unnötig warten lassen. Wir fahren nach Detwang zur Kirche. Bis bald!«

      Er ließ sich wieder hinter das Lenkrad sinken.

      Veronika stürmte die Treppe herauf. »Ist sie fort?«

      »Wer?« fragte Urte verständnislos.

      »Tante Anni.«

      »Ach so. Ja, natürlich.« Sie hob das Kind auf und drückte es an sich. »Schön, daß du wieder da bist.«

      Veronika schlang die Ärmchen um Urtes Hals und löste damit die Erstarrung…

      »Ich brauche nicht wieder ins Heim!« plapperte Ika aufgeregt. »Onkel H.G.B. hat gesagt, ich kann bei ihm bleiben. Er hat eine schöne Wohnung,


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