Toni der Hüttenwirt Paket 2 – Heimatroman. Friederike von BuchnerЧитать онлайн книгу.
er scheint mich nicht zu verstehen.
Oder er macht mir etwas vor?
Oder ich bin nur eine von vielen?
Vielleicht machte ich mir selbst etwas vor?
Gesa überlegte weiter. Sie hatte bisher nur auf ihre Gefühle gehört. Das war der Grund dafür, daß sie jetzt in einer peinlichen Situation war. Das hat mich nicht weitergebracht und wird mich auch nicht weiterbringen, dachte Gesa. Also versuche ich es mit Verstand. Ich suche mir jemand anderen. Er muß schnell gefunden werden. Er muß noch schneller verführt werden. Dann muß es zum Traualtar gehen.
Gesa überlegte weiter.
Ich werde auf einem Ehevertrag bestehen, der mir auch Rechte gibt und eine Abfindung, falls wir uns später wieder trennen. Außerdem werde ich nicht kirchlich heiraten. Das kann ich mir ja für eine spätere Ehe aufheben – mit Jochen, zum Beispiel, dem Vater meines Kindes.
Gesa hatte für ihre verstandesmäßige Lebens- und Zukunftsplanung längst jemanden ins Auge gefaßt. Ihre Eltern hatten Gesa die Anregung gegeben. Sie wollte sich Dieter Wasmayr erobern. Dieter war blond und hatte blaue Augen. Gesas Haare waren rotbraun. Jochen hatte schwarze Haare und schwarze Augen.
Gesa rechnete durchaus damit, daß das Kindchen schwarze Haare haben könnte.
Würden dann nicht Fragen gestellt?
Würde Jochen nicht die Ehe auflösen wollen?
Einen Skandal wollten die Wasmayrs bestimmt nicht. Darunter würde der Ruf des Hofes leiden für die nächsten Jahrzehnte. Um das zu vermeiden, würden es sich die Wasmayrs etwas kosten lassen, dessen war sich Gesa sicher. Also war es ein guter Plan, sich mit einem Ehevertrag abzusichern.
Und was mache ich mit Jochen?
Wie werde ich ihn los?
Er muß zumindest eine Weile fort. Dann kann ich später zu ihm zurück, wenn eine dauerhafte Bindung mit Dieter nicht möglich ist.
In gleichem Maße wie Gesa bisher voller Gefühl und mit viel Liebe im Herzen sich eine Zukunft mit Jochen ausgemalt hatte, plante sie jetzt mit Verstand die Zukunft mit Dieter Wasmayr.
Das war nicht einfach. Gesa mußte erst einmal an Dieter herankommen, bevor sie ihn verführen konnte. Das war die zu überwindende Schwierigkeit. Gesa überlegte und überlegte. Aber alle Szenerien schienen ihr nicht umsetzbar.
Ach, vielleicht sollte ich heute nicht mehr darüber nachdenken. Wie heißt es so schön? Es hilft oft, wenn man eine Nacht darüber schläft.
Gesa machte sich auf den Heimweg.
*
Am nächsten Tag war sie im Büro unkonzentriert. Das fiel ihrer Kollegin auf.
»Geht es dir nicht gut, Gesa?« fragte Elfi.
Die beiden Frauen verbrachten die Mittagspause in einem Café.
»Ja, es gibt da etwas, was mir Kopfzerbrechen bereitet.« Gesa sah die Kollegin ernst an. »Lach’ mich aber bitte nicht aus. Eigentlich wollte ich nicht drüber sprechen. Du darfst auch niemanden etwas sagen. Ich will mich auch nicht lächerlich machen.«
»Hör’ mal, wir arbeiten in einer Kanzlei. Wenn wir nicht verschwiegen sein könnten, hätten wir schon längst die Arbeit verloren. Also? Was ist los?«
Gesa schaute sich um, so als wollte sie sichergehen, daß an den anderen Tischen niemand saß, der ihr Gespräch belauschen konnte.
»Ich habe mich verliebt! Ich sterbe fast vor Sehnsucht!« heuchelte Gesa raffiniert.
»Was du nicht sagst! Hat es dich endlich erwischt? Nun, es wurde auch Zeit, Gesa! Wer ist es? Kenne ich ihn?«
»Das denke ich nicht. Er ist aus Kirchwalden. Ein wirklich fescher Bursche, groß, sehr breite Schultern, blondes lockiges Haar und große blaue Augen. Er könnte direkt aus einem Modemagazin sein, so fesch ist er. Dazu diese sonnengebräunte Haut. Ein Adonis von Mann!«
»Du schwärmst ja richtig!«
»Ach ja! Aber wie komme ich an ihn ran? Er kapselt sich ab, ist sehr zurückhaltend. Das kann man verstehen. Er sieht nicht nur sehr gut aus, er ist auch sehr, sehr vermögend. Einziger Sohn des reichen Wasmayrbauern! Da ist er vorsichtig.«
»Du redest von Dieter Wasmayr?«
»Ja!« staunte Gesa und sah Elfi mit großen Augen an. »Du kennst ihn?«
Elfi schüttelte den Kopf.
»Ich kenne ihn nicht persönlich! Ich kenne ihn nur aus Erzählungen. Er muß wirklich ein fescher Bursche sein. Er soll so gut aussehen, daß jeder andere Bursche in seiner Nähe verblaßt.«
»Woher…?«
Elfi schob sich einen Bissen der Sahnetorte in den Mund. Sie liebte es, es spannend zu machen. Elfi kaute genüßlich. Sie trank einen Schluck Kaffee, dann beugte sie sich über den Tisch und flüsterte:
»Mein Vetter Hans arbeitet im Büro vom Schlachthof. Dort gibt es die Ina. Hans gefällt die Ina. Die will aber von ihm nichts wissen. Deshalb hat er ihr nachgestellt und herausgefunden, daß sie sich einmal in einem Lokal mit Dieter Wasmayr getroffen hat. Hans denkt, daß die beiden vielleicht etwas miteinander haben. Du verstehst?«
Gesa dachte einen Augenblick nach. Dann schüttelte sie den Kopf.
»Das muß Zufall gewesen sein, als dein Verwandter sie gesehen hat. Ich weiß aus zuverlässiger Quelle, daß Dieter kein Madl hat. Sollte es dennoch so sein, daß sich da etwas anbahnt zwischen dieser… Wie heißt das Madl?«
»Ina!« warf Elfi ein.
»Sollte also etwas sein zwischen Dieter und Ina, muß man einschreiten. Meinst du, dein Vetter ist bereit, mir zu helfen? Wie gut kennt er Dieter?«
»Gut! So gut eben, wie sich Bergkameraden kennen. Sie waren früher oft zusammen in den Bergen. Sie sind auf den Gipfel des ›Engelssteig‹ raufgeklettert. Doch das gehört der Vergangenheit an. Seit Hans Dieter mit Ina gesehen hat, geht er nicht mehr mit ihm in die Berge. Die Bergfreundschaft ist abgekühlt. Er ist Dieter noch öfter heimlich gefolgt, wenn der junge Wasmayr in Kirchwalden war. Hans glaubt sicher zu sein, daß da etwas ist zwischen Ina und Dieter.«
»Hat er mit Dieter darüber gesprochen?«
»Bewahre! Nein! Er zog sich einfach zurück. Dieter sei verwundert gewesen, sagt Hans.«
Gesa war aufgeregt. Sie bestellte sich ein weiteres Stück Sahnetorte.
»Also, zählen wir zwei und zwei zusammen. Dein Vetter Hans will diese Ina. Ich will Dieter.«
Gesa schmunzelte.
Dann entwickelte sie Elfi ihren Plan. Elfis Vetter sollte sich mit Dieter verabreden, um diese Männerfreundschaft wieder aufleben zu lassen. Die beiden sollten sich in einer Schutzhütte treffen. Es könnte so ein richtiger Männerabend werden mit viel Bier und Schnaps. Elfis Vetter sollte dafür sorgen, daß Dieter viel trinken würde, so viel, daß er sich am nächsten Morgen an nichts erinnern könnte.
»Den Rest übernehme dann ich, Elfi. Das berede ich im Detail mit Hans. Jedenfalls kann dein Vetter sicher sein, daß Ina über kurz oder lang wieder frei ist. Das garantiere ich. Das ist doch ein gutes Angebot, oder? Wann kann ich mit Hans reden?«
»Ich kann ihn vom Büro aus anrufen. Wir könnten nach Büroschluß zusammen Pizza essen gehen. Das sind wirklich schöne Aussichten für Hans. Er sagt sicher zu. Wie hast du dir die Einzelheiten gedacht?«
»Nicht hier!« sagte Gesa leise.
Sie tranken den Kaffee aus und bezahlten. Dann gingen die beiden jungen Frauen noch ein Stück spazieren. Dabei erzählte Gesa, in Andeutungen, wie sie sich das alles dachte. Dabei verschwieg sie ihrer Arbeitskollegin aber wichtige Punkte.
»Das ist ein ganz verwegener Plan! Doch was soll es? Irgend jemand wird Jungbäuerin werden auf dem Wasmayr Hof. Warum sollst du