Toni der Hüttenwirt Paket 2 – Heimatroman. Friederike von BuchnerЧитать онлайн книгу.
Anna, des stimmt! Des hat der Patrick erzählt.«
Gunter wurde wieder blaß.
»Was geht dem Buben nur im Kopf herum? Ich schwöre, ich hatte nie die Absicht, die beiden in ein Internat zu geben!«
Toni hielt Gunter die Flasche mit dem Obstler hin.
»Hier, nimm noch einen Schluck, aber nur einen kleinen. Es ist ein weiter Weg bis rauf zum ›Paradiesgarten‹! Anna richte den Proviant. Ich kümmere mich um die Sachen für das Biwak! Möglich, daß wir über Nacht oben biwakieren müssen. Es ist schon spät. Wir schaffen es nicht mehr rauf und heute noch zurück!«
Anna hielt Toni am Handgelenk fest.
»Laß die Kinder erst mal erzählen! Auf eine Minute kommt es jetzt nicht an!«
Anna strich der kleinen Franziska liebevoll über das Haar.
»So, Franzi! Jetzt tust du schön erzählen. Versuche dich genau zu erinnern. Wie war das?«
»Sie mögen die Frauke nicht! Wenn der Gunter die Frauke heiraten tut, dann tut die Frauke die Kinder ins Internat.«
»Das ist Unsinn!« schrie Gunter. »Wie kommen die darauf?«
Toni bat Gunter, sich zu beruhigen.
Dann erzählte Sebastian, daß er von Patrick wisse, daß andere Eltern von Mitschülern in Patricks und Pollys Schulklasse auch geschieden seien. Wenn ein Elternteil wieder geheiratet hatte, dann kamen die Kinder meistens in ein Internat.
»So ein Unsinn!« brüllte Gunter. »Wie kommt Patrick nur darauf? Davon war nie die Rede! Ich weiß, daß Patrick unglücklich war in den letzten Wochen. Vor einiger Zeit wollte er nicht mehr bei Helen wohnen. Er kam dann zu mir. Jetzt will er wie-
der zurück. Er vermißt wohl Polly sehr!«
»Und er hat Angst, daß er ins Internat muß, wenn du Frauke heiraten tust!« sagte die kleine Franziska mit Nachdruck.
Gunter war verzweifelt.
»Franzi, da irrt sich Patrick! Da irrt er sich gewaltig! Helen würde nie ihre Zustimmung geben, daß die Kinder ins Internat kämen. Das ist wirklich Unsinn! Wie kommt der Junge nur auf so etwas?«
Toni legte Gunter die Hand auf die Schulter.
»Versuche dich zu beruhigen, Gunter. Kinder reimen sich oft etwas zusammen. Jetzt müssen wir sie erst mal finden.«
Ein dunkles Geräusch hallte zwischen den Bergwänden.
»Mei, des hört sich nach dem Leo an! Den schickt uns der Himmel!« rief Toni freudig.
Toni lief hinaus auf die Terrasse der Berghütte. Alle folgten ihm. Sie hatten sich nicht geirrt. Der Hubschrauber der Bergwacht näherte sich der Berghütte.
»Ja, ja! Wenn die Not am größten, da ist Gottes Hilfe am nächsten!« murmelte der alte Alois.
Noch bevor die Rotorblätter stillstanden, rannte Toni gebückt zum Hubschrauber.
»Grüß Gott, Toni! Mei, hast du es aber eilig! Ist kein Bier mehr hier? Ich wollte dir ja schon Anfang der Woche die Fässer bringen. Aber wir hatten in dieser Woche extrem viele Rettungseinsätze. Die Leut’ werden immer leichtsinniger. Da war keine Zeit für einen Übungsflug unter der Ansage Schwertransport!«
Leo blinzelte Toni zu. Seit Toni und Anna die Berghütte übernommen hatten, flog ihnen Leo die vollen Bierfässer herauf und nahm die leeren Fässer mit. Das Ganze wurde in den Büchern der Bergwacht als Übungsflüge bezeichnet. Sicherlich waren Übungsflüge vorgeschrieben, aber damit war nicht der Transport von Bier auf eine Berghütte gemeint. Toni und Anna bedankten sich oft mit einem schönen Hüttenfest, zu dem sie alle Mitglieder der Bergwacht in Kirchwalden einluden.
»Grüß Gott, Leo! Dem Himmel sei Dank, daß du da bist! Es geht net ums Bier! Trotzdem danke! Komm, laß uns schnell ausladen, hier auf dem Geröllfeld. In den Schuppen bringe ich sie später. Ich wollte dich gerade anrufen, als ich dich hab’ anfliegen hören. Zwei kleine Hüttengäste, zwölf Jahre sind sie alt, Zwillinge, sind heute nacht oder heute morgen ganz früh abgehauen. Sie treiben sich alleine in den Bergen herum. Ich vermute, sie könnten rauf zum ›Paradiesgarten‹ sein. Laß uns schnell mal rauffliegen, vielleicht sehen wir etwas.«
»Toni, des hört sich net gut an!«
Während Toni mit Leo die vier großen Bierfässer aus dem Helikopter hob, erzählte Toni kurz was vorgefallen war. Dann stiegen sie ein. Leo verständigte über Funk die Zentrale der Bergwacht in Kirchwalden. Anschließend hoben sie ab.
Leo flog den Fußweg zum ›Paradiesgarten‹ in geringer Höhe entlang. Toni saß angeschnallt auf dem Sitz neben Leo. Er suchte zusätzlich das Gelände unter ihnen mit dem Fernglas ab.
»Da ist nix, Toni!« brüllte Leo wegen des Lärms in der Hubschrauberkanzel.
Er zeigte mit dem Daumen nach unten. Das bedeutete so viel wie, ich fliege zurück und lande. Toni nickte.
Augenblicke später setzte der Hubschrauber wieder auf dem Geröllfeld vor der Berghütte auf. Inzwischen hatte Gunter mit einigen anderen Hüttengästen und unter Anweisung von Anna und dem alten Alois die Bierfässer im Schuppen verstaut.
»Was ist? Habt ihr die Kinder gesehen?« rief Gunter aus tiefstem Herzen gegen den Wind, der sich langsam ausdrehenden Rotorblätter.
Toni schüttelte den Kopf. Dann stellte er Leo Gunter vor.
»Die Kinder können net im ›Paradiesgarten‹ sein. In den Bergen ist heute nacht Schnee gefallen. Der Weg war weiter oben verschneit. Da ist niemand gegangen. Da gab es keine Fußspuren. Die hätten wir gesehen! Also die Kinder können net rauf zum ›Paradiesgarten‹ sein. Wo könnten sie noch hin sein? Runter zur Oberländer Alm?« fragte Leo.
Seine sachliche Art, die Sache anzugehen, beruhigte Gunter etwas. Leo setzte sich mit allen an einen großen Tisch in der Berghütte. Anna brachte Kaffee und Kuchen. Leo stellte Gunter viele Fragen. Danach befragte er ausführlich die Bichler Kinder. Langsam rundete sich das Bild für Leo ab.
»Die Kinder sind net zum ersten Mal in den Bergen! Ich glaube nicht, daß sie leichtsinnig sind. Trotzdem werde ich eine Suchaktion einleiten. Vielleicht sind sie rauf zum Sattel, dort wo der ›Pilgerweg‹ auf der anderen Seite hinunterführt. Ich werde gleich noch einmal mit dem Hubschrauber aufsteigen. Finde ich sie, lande ich wieder. Sehe ich sie nicht, drehe ich ab nach Kirchwalden. Dann stelle ich dort eine Suchaktion zusammen. Du kannst hier nix machen, Gunter! Bleib hier! Am besten nimmst du dir ein Stück Papier und schreibst alles auf, was ihr gemacht habt, was ihr geredet habt, seit ihr von daheim aufgebrochen seid. Wenn man etwas aufschreiben tut, dann fallen einem oft noch Details ein, die man beim Reden vergißt. Des ist eine Erfahrung.«
Dann wandte sich Leonhard Gasser, an die Bichler-Kinder.
»Das gilt auch für euch! Jeder geht jetzt in sein Zimmer und schreibt alleine alles auf.«
Sebastian und Franziska rannten davon.
Toni begleitete Leo zum Hubschrauber.
»Wenn die Kinder und Gunter mit den Berichten fertig sind, dann gehe sie durch, Toni. Vielleicht stehen noch Sachen drin, die sie noch net erzählt haben. Dann laß es mich sofort wissen!«
Toni versprach es. Er ging zur Berghütte zurück. Von dort aus sah er dann Leo nach, wie er mit dem Hubschrauber über den Bergen kreiste.
So ging das eine ganze Weile. Dann drehte Leo ab und flog in Richtung Kirchwalden.
»Ich habe Frauke eine SMS geschickt«, sagte Gunter nachdenklich. »Sie hat nicht geantwortet.«
Toni schaute Gunter an.
»Sie wird schon noch! Vielleicht kann sie unterwegs auf der Autobahn nicht anhalten.«
Es war für Gunter nur ein schwacher Trost.
»Wie steht es mit Helen? Hast du sie schon informiert?«
»Nein!