Toni der Hüttenwirt Paket 2 – Heimatroman. Friederike von BuchnerЧитать онлайн книгу.
Karoline lächelte.
»Du mußt mich nicht zum Straubinger Hof fahren. Ich finde den Weg dorthin auch alleine und zu Fuß. Höre mir jetzt gut zu, Pascal, und unterbreche mich nicht.«
Er nickte.
»Pascal ich liebe dich nicht so, wie ich den Mann, den ich heiraten werde, lieben möchte. Ich habe nur liebevolle Gefühle für dich, wie für einen Bruder vielleicht. So weh ich dir damit auch tue, Pascal. Es wäre nicht gut für uns beide. Ich habe mich entschieden! Ich habe mein Auto verkauft – verkaufen lassen. Ich werde nicht zurückkehren. Ich werde in Waldkogel bleiben. Ich werde mit Sicherheit nicht Pharmazie studieren und die Apotheke übernehmen. Du kannst gern bei meinem Vater einsteigen. Du kannst ihm später die Apotheke auch abkaufen. Das überlasse ich dir und Vater. Wenn er sie erhalten will, kann er es auch tun. Ich werde eines Tages heiraten und Kinder haben. Vielleicht gibt es in der nächsten Generation jemanden, der Freude daran hat. Ich habe keine Freude damit. Pascal, ich gebe dich frei. Lebe dein Leben! Werde so glücklich, wie du nur werden kannst. Ich werde mein Leben leben, von dem ich jetzt schon weiß, daß es mich glücklich machen wird.«
Pascal schaute Karoline an. Er war blaß geworden.
»Ist das das endgültige Aus?«
»Was denkst du? Sei ehrlich zu dir! Sei ganz ehrlich zu dir, Pascal! Hast du dich immer wohlgefühlt? War dir diese Planung und Bestimmung nicht auch zu eng? Du hast dich nicht gewehrt! Warum? Das weißt nur du. Ich breche aus! Raus aus dem goldenen Käfig, raus in die freie Natur, raus in die Berge! Die Sonne ist golden über den Bergen. Dieses Gold gefällt mir besser. Pascal, ich will dir nicht weh tun, denn ich spüre immer noch diese liebevolle Verbundenheit mit dir. Ich wünsche mir, daß unsere Freundschaft weiterbesteht.«
Pascal atmete tief durch. Nervös spielte er mit seiner Brille. Er schaute Karoline in die Augen.
Dann sagte er ganz langsam:
»Du bist eine sehr mutige Frau, Karoline! Ich bewundere dich! Du hast den Mut, der mir fehlte. Ja, es stimmt. Es ist nicht die große Liebe zwischen uns. Ja, es stimmt. Wir sind in die Rolle gedrängt worden. Ich hatte alle Bedenken zur Seite geschoben, wollte alle Erwartungen erfüllen und es jedem recht machen.«
Karoline trat ganz nah an Pascal heran. Sie schaute ihm in die Augen, streichelte seine Wange.
»Ich weiß, mein lieber Pascal! Ich weiß! Höre auf dein Herz, nicht auf den Verstand. Eines Tages wirst du jemanden finden und die große Liebe spüren.«
»Hast du jemanden gefunden?«
Karoline lächelte Pascal an.
»Ich wünsche dir, daß du glücklich wirst, Karoline.«
»Karo! Hier in den Bergen werde ich Karo gerufen.«
»Das paßt! Dann werde glücklich, Karo! Danke für deinen Mut. Du hast uns beide vor einer Dummheit bewahrt.«
»Es war die Liebe, die mich getroffen hat.«
Karoline trat einen Schritt zurück. Sie schaute in die Weite über das Tal, hinauf zu den Gipfeln der Berge.
»Ich werde den Eltern einen Brief schreiben. Ich kann nicht mit ihnen reden. Sie hören nie zu. Sie werden mich nicht verstehen. Doch darauf kann ich keine Rücksicht nehmen. Ich folge der Liebe. Ich höre auf mein Herz.«
»Ich werde dich verteidigen, Karoline! Nein, Karo! Dein Mut ist ein wunderbares Geschenk. Ich werde dir immer dafür dankbar sein. Aus uns wird kein Paar, aber wir werden immer Freunde bleiben!«
Karoline und Pascal gingen aufeinander zu. Sie nahmen sich in die Arme und drückten sich, wie es wahre innig verbundene Freunde tun.
»Dann werde ich jetzt gehen«, sagte Pascal.
»Wenn du einen Augenblick warten kannst, dann könntest du mich runter nach Waldkogel mitnehmen. Ich will noch einkaufen gehen. Ich will mir einige Anziehsachen für die Berge kaufen.«
»Ich nehme dich gern mit!«
Staunend sah Pascal zu, wie Karoline die Kühe, Ziegen und Schafe anlockte. Sie folgten willig. Sie lockte sie in den Stall und verschloß die Tür. Sie räumte den Tisch ab und sperrte die Almhütte zu.
»Du bist hier wirklich glücklich, Karoline. Das kann ich dir ansehen. Karo hat das gefunden, was dir als Karoline versagt blieb.«
»Ich hoffe, noch mehr zu bekommen!« blinzelte sie Pascal zu.
Dann fuhren sie nach Waldkogel. Pascal setzte Karoline auf dem Marktplatz ab. Er fuhr zu den Baumbergers, holte seine Sachen und fuhr heim.
*
Karoline betrat den Andenken- und Trachtenladen Boller.
»Da hast Glück gehabt, Madl! Wir wollten schließen.«
»Heute abend brauche ich nicht viel. Ich komme in den nächsten Tagen noch einmal. Jetzt möchte ich nur ein schönes Dirndl aus Baumwolle oder Leinen und noch ein paar andere Kleinigkeiten, Umschlagtuch, Kropfkette, Strümpfe und Schuhe.«
Es dauerte nicht lange. Dann hatte Karoline ein Dirndl gefunden. Es war aus dunkelblauem Leinen mit hellerer Schürze. Der Rock war gemustert, das Mieder einfarbig. Die Dirndlbluse hatte lange Ärmel und nur einen kleinen Ausschnitt. Dazu wählte Karoline die passenden Schuhe und Strümpfe und ein großes Umschlagtuch.
»Mei, fesch schaust aus, Madl! Da werden die Burschen Augen machen. Willst bestimmt zum Tanz nach Marktwasen.«
»So, in Marktwasen ist Tanz? Das wußte ich nicht. Doch das ist eine gute Idee!«
Karoline behielt das Dirndl an. Sie kaufte noch eine große Tasche und packte die alten Sachen hinein. Dann spazierte sie zum Straubinger Hof.
Karoline war froh, daß niemand zu sehen war. So hatte sie Zeit, den Hof zu betrachten. Ihre Augen glitten an den Mauern des großen Wohnhauses hinauf. Es hatte zwei Stockwerke und darüber ein Dachgeschoß unter einem weit ausladenden Dach. Das im Laufe der Jahrhunderte schwarz gewordene Holz hob sich gegen die weißen mit Lüftlmalerei verzierten Hauswände ab. Auch die Stallungen und die übrigen Gebäuden waren schneeweiß. Vor den Fenstern und an den Balkonen hingen Blumenkästen mit verschiedenfarbigen Hängegeranien. An den Fenstern hingen Scheibengardinen mit breiter Spitze. Mitten im Hof stand ein überdachter Brunnen. Der ganze Hof war fein gepflastert.
Alles sah so freundlich aus. Karolines Herz schlug schneller. Ich will mich immer an diesen Augenblick erinnern, dachte sie.
Die Haustür des großen Wohnhauses ging auf. Eine Frau mittleren Alters kam heraus, gefolgt von einem großen Berner Sennenhund. Der überholte sie und raste auf Karoline zu.
»Rambo! Net so stürmisch! Rambo, tu die Karo net umwerfen!«
Der Hund sprang an Karoline hoch, legte die Pfoten auf die Schulter und schnüffelte ihr Gesicht ab. Karoline spürte deutlich, wie willkommen sie war. Sie kraulte dem Hund das Fell und streichelte ihn. Dann schob sie ihn vorsichtig fort.
»Rambo! Rambo lauf und hole Gustl! Lauf, Rambo, lauf!« sagte Karoline leise.
Der Hund rannte laut bellend davon.
»Du bist die Karo! Madl, ich bin die Tante Traudel! Herzlich willkommen auf dem Straubinger Hof. Ich hoffe, du bleibst für immer.«
Karoline errötete.
»Wenn der Gustl mich will?«
»Mei, Madl! Wie kannst du daran zweifeln?«
Traudel Straubinger schloß Karo in die Arme.
»Mei, ist des ein schöner Augenblick! Bist ganz so, wie der Gustl dich geschildert hat. Was sag ich? Bist noch besser!«
Karoline war sehr verlegen.
»Wo ist Gustl?« fragte sie und schaute sich um.
Da kam Gustl aus der Scheune, zusammen mit einem älteren Mann. Gustl rannte auf Karoline zu.
»Mei, Madl! Welche Überraschung!«