Der kleine Fürst Jubiläumsbox 6 – Adelsroman. Viola MaybachЧитать онлайн книгу.
das nicht Laura hören«, meinte Anna. »Die wäre bestimmt eifersüchtig.«
»Ach was, da steht Laura drüber«, entgegnete Konrad.
Anna verzichtete auf eine Erwiderung, sie lächelte nur.
Sofia und Friedrich wechselten einen amüsierten Blick. Seit Konrad eine Freundin hatte – eben jene Laura – war er sehr viel umgänglicher geworden. Früher hatte er ständig mit Anna gestritten, jetzt gab es Tage, an denen zwischen den beiden kein einziges böses Wort fiel.
Wenig später verzogen sich die drei Jugendlichen, die beiden Erwachsenen blieben allein zurück. »Es ist fast ein bisschen unheimlich, wenn es so friedlich bei uns zugeht, findest du nicht?«, erkundigte sich Friedrich bei seiner Frau.
Die Baronin lachte. »Mir gefällt es so sehr gut, Fritz, ich sehne mich wahrhaftig nicht nach diesen ewigen Zankereien zurück, das kannst du mir glauben.«
»Ich auch nicht«, versicherte er und vertiefte sich in seine Zeitung, während die Baronin versuchte, sich an Charlotta von Isebing zu erinnern. Doch alles, was ihr dazu einfiel war ein Mädchen mit wildem Haarschopf, das ritt wie der Teufel.
Der kleine Fürst hatte Recht: Sie sollten die junge Dame einladen. Das würde Helena freuen – und Charlotta selbst vielleicht auch.
*
»Ich habe ein schlechtes Gewissen«, sagte Armin am Sonntagabend, als er mit Marianne und Ludwig allein war. »Charly ist nur meinetwegen abgereist, das wollte ich natürlich nicht.«
»Das sehe ich anders«, widersprach Ludwig. »Es war vor allem Saras Schuld, würde ich sagen. Aber du brauchst dir keine Sorgen zu machen, Armin – etwas Besseres hätte im Grunde nicht passieren können: Meine Mutter ist überglücklich, und wir sind mit dieser Entwicklung auch nicht unzufrieden, nicht, Nana?«
Marianne nickte. »Im Gegenteil, Armin«, sagte sie. »Es ist gut für Charly, dass sie mal was anderes sieht. Sie kommt doch sonst nie raus hier.«
»Nie raus?«, fragte Armin. »Wieso denn nicht?«
»Weil sie freiwillig nicht weggeht«, erklärte Ludwig. »Sie ist zwar ruppig, aber sie hat eine empfindsame Seele. Und sie ist schüchtern, sie fürchtet sich vor fremden Menschen.«
»Aber sie kann sich doch nicht für immer hier auf dem Gut verstecken!«, rief Armin.
»Wir wissen das, und wir sagen es ihr auch, aber das will sie nicht hören. Außerdem muss sie natürlich eine Ausbildung machen, wenn sie das Gut eines Tages übernehmen soll.«
»Sie soll also eure Nachfolgerin werden?«
»Ich wüsste nicht, wer es besser könnte als sie«, antwortete Ludwig. »Sie ist hier zu Hause, Armin, sie kennt alles, im Grunde weiß sie auch schon alles – nur das Geschäftliche muss sie noch lernen. Aber mit Tieren macht ihr niemand etwas vor – und mit Motoren auch nicht. Was meinst du, was wir allein an Werkstattkosten sparen, weil Charly alles selbst repariert?«
»Ich kann es mir denken«, erwiderte Armin.
»Wir wollen, dass sie zuerst eine Ausbildung macht, und das will sie bisher nicht. Aber natürlich muss sie betriebswirtschaftliche Grundlagen haben, wenn sie ein Gut führen will.«
Armin nickte nachdenklich. »Würdet ihr mir bitte eine Frage offen und ehrlich beantworten?«
»Welche?«, fragte Marianne.
»Was hat sie gegen mich? Warum hat sie sofort die Krallen ausgefahren, als ich gekommen bin?«
»Das war unsere Schuld«, gestand Marianne. »Wir hatten die Vorstellung, dass ihr beide gut miteinander auskommen solltet, wenn ihr, Ludwig und du, jetzt mit gemeinsamen Geschäften anfangt und Charly eines Tages hier die Chefin wird – aber sie hat unsere vorsichtigen Sätze in den falschen Hals bekommen und zwar gründlich.«
»Sie hat gedacht, was du ja neulich auch schon vermutet hast«, setzte Ludwig niedergeschlagen hinzu, »dass wir sie nämlich mit dir verkuppeln wollten. Natürlich haben wir gesagt, sie solle vielleicht etwas mehr auf ihr Äußeres achten, damit du nicht gleich einen Schrecken bekommst, wenn du sie siehst – aber, wie gesagt, das hat sie völlig falsch verstanden.«
»Dann verstehe ich immerhin, warum sie sich so bemüht hat, mich vor den Kopf zu stoßen«, bemerkte Armin lächelnd. »Macht euch nur keine Sorgen, ich mag sie trotzdem, denn natürlich ist mir aufgefallen, was sie hier auf dem Gut leistet.«
»Ehrlich?«, fragte Ludwig erleichtert. »Du bist ihr nicht böse?«
»Überhaupt nicht«, versicherte Armin. »Ich hoffe, dass wir irgendwann einmal gemeinsam über unsere ersten Begegnungen lachen können.«
»Na, ob es dazu jemals kommt?«, fragte Ludwig skeptisch.
»Erst einmal sicher nicht«, erwiderte Armin, »denn sie wird sich ja wohl nicht wieder zu Hause blicken lassen, so lange ich hier bin, nicht wahr?«
»So hat sie es zumindest gesagt, und eine Woche sollte sie es bei meiner Mutter schon aushalten«, meinte Ludwig. »Von uns aus gerne auch länger, denn meine Mutter braucht jemanden im Haus, das wissen wir schon lange, aber bisher haben wir keine Lösung gefunden. Sie und Charly sind einander ähnlich.«
»Und trotzdem kommen sie miteinander aus?«, fragte Armin verwundert. »Oft ist es doch so, dass Menschen, die sich zu sehr ähneln, ständig in Streit geraten.«
»Ach nein, das ist bei den beiden weniger zu befürchten«, sagte nun Marianne. »Wir rechnen eher damit, dass Charly schnell Heimweh bekommt und zurückkommen will, während meine Schwiegermutter sie sicherlich am liebsten so lange wie möglich bei sich behielte.«
»Wir müssen es abwarten«, brummte Ludwig. »Du, Armin,
musst dir jedenfalls keine Vorwürfe machen, du hast Charly wahrhaftig nichts getan.«
Armin widersprach seinem älteren Freund nicht, aber er sah das ein wenig anders. Er hatte Charlotta absichtlich mit Nichtachtung gestraft, und er wusste durchaus, wie das auf sie gewirkt haben musste. Aber sie hatte ihn auch geärgert und gereizt durch ihr Verhalten. Jetzt bedauerte er, dass er sich von ihr hatte provozieren lassen.
Denn zugleich fand er sie ja sehr interessant, und nichts wünschte er sich sehnlicher, als die Charlotta zum Vorschein kommen zu sehen, von der er annahm, dass sie unter ihren schlechten Manieren und ihrer Männerkleidung verborgen sein musste. Ob ihm das eines Tages gelingen würde?
»Wollen wir wieder an die Arbeit gehen?«, fragte Ludwig. »Wir haben noch eine Menge zu tun, Armin.«
»Das kann man wohl sagen!« Armin war erleichtert, als sie sich wieder auf die vor ihnen liegenden Pläne konzentrierten. Das war bedeutend einfacher, als sich über Charlotta und seine seltsam widersprüchlichen Gefühle ihr gegenüber klar zu werden.
*
»Hier läufst du nicht so herum wie bei euch zu Hause!«, sagte Helena sehr bestimmt. So froh sie war, Charlotta bei sich zu haben, so wenig war sie gewillt, ihrer Enkelin alles durchgehen zu lassen. »Wir sind hier in der Stadt, ich bekomme Besuch, dieser Besuch wird dich sehen – und ich habe nicht die Absicht, mich deinetwegen zu genieren, Charly. Außerdem wirst du hier keine Autos reparieren und keinen Stall ausmisten, also brauchst du dich auch nicht entsprechend anzuziehen.«
»Ich habe nur Jeans und T-Shirts«, sagte Charlotta störrisch. »Außerdem bin ich ja nur ein paar Tage hier, Omi, da wirst du doch wohl kaum annehmen, dass ich mir dafür eine neue Garderobe kaufe, oder?«
»Doch, genau das nehme ich an, weil ich dir diese Garderobe nämlich schenken werde«, erklärte Helena. »Außerdem hoffe ich sehr, dass du nicht nur ein paar Tage hier bleibst, sondern ein wenig länger, weil das nämlich mein sehnlichster Wunsch ist. Deine Anwesenheit macht mich glücklich, mein Kind!«
»Omi, ich muss doch zurück…«
»Weil sonst das Gut zusammenbricht?«, fragte Helena. »Dein Vater hat mir versichert, dass er eine Weile auch ohne dich zurechtkommt.