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Der kleine Fürst Jubiläumsbox 6 – Adelsroman. Viola MaybachЧитать онлайн книгу.

Der kleine Fürst Jubiläumsbox 6 – Adelsroman - Viola Maybach


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Frau, als alle Platz genommen hatten.

      »Unter einem Auto«, erklärte Marianne seufzend.

      »Sie hat gesagt, sie kommt gleich«, setzte Bernhard hastig hinzu. »Sie hatte den Fehler gerade erst gefunden und meinte, wenn sie jetzt aufhört, kostet es hinterher nur mehr Zeit.«

      Ludwig machte ein unzufriedenes Gesicht, ließ die Sache aber auf sich beruhen.

      Es dauerte dann aber doch noch fast zwanzig Minuten, bis Charlotta erschien und sich mit einer gemurmelten Entschuldigung an ihren Platz setzte.

      »Wir sind schon beinahe fertig«, bemerkte Sara spitz. »Und wie du wieder aussiehst! Das ist ja eklig. Hast du dir überhaupt die Hände gewaschen?«

      »Ja, habe ich, stell dir vor«, erwiderte Charlotta. »Es können ja nicht alle so geschniegelt und gebügelt herumlaufen wie du, dafür haben wir nämlich nicht genug Badezimmer. Wenn ich so lange Zeit brauchen würde wie du…«

      »Kein Streit, bitte«, sagte Marianne. »Guten Appetit, Charly.«

      »Danke, Mama.« Charly hatte ordentlich Hunger, und das sah und hörte man.

      Marianne wollte eine sanfte Mahnung aussprechen, doch Sara kam ihr zuvor. »Du frisst wie ein Schwein!«, sagte sie vorwurfsvoll. »Und wie du über dem Tisch hängst, also wirklich, man muss sich schämen, Charly.«

      Charlotta sah auf, direkt in die Augen ihrer Mutter, und sofort riss sie sich zusammen. Sie richtete sich auf, nahm den Arm, den sie bis zum Ellenbogen auf der Tischplatte gelagert hatte, zur Seite und zwang sich, langsamer zu essen. Aber sie hatte noch so viel zu tun! Es drängte sie, so schnell wie möglich wieder nach draußen zu kommen, und sie war schon immer der Ansicht gewesen, dass Tischmanieren maßlos überschätzt wurden.

      »Was war denn nun mit dem Auto?«, erkundigte sich Bernhard, um die Spannung zu vertreiben, die plötzlich spürbar geworden war.

      Charlotta lächelte ihm dankbar zu und beantwortete die Frage ausführlich. Auch ihr Vater wollte noch einiges wissen, und so war die Stimmung bald wieder locker. Nur Sara hörte nicht auf, Charlotta vorwurfsvolle Blicke zuzuwerfen – denn »wie eine Dame« aß sie noch längst nicht, auch wenn sie jetzt gerade saß und das Essen nicht mehr in sich hineinschaufelte wie eine Wilde.

      Die Zwillinge hatten sich um die Auseinandersetzung wie üblich nicht gekümmert, sie lebten in ihrer eigenen Welt, zu der die anderen nur begrenzten Zutritt hatten. Sie liebten ihre Familie über alles und hätten sich in Stücke reißen lassen für jeden, der dazu gehörte, aber sie nahmen eine Sonderstellung ein. Einer ihrer Lehrer hatte festgestellt, dass sie hochbegabt waren, und so waren sie, dank besonderer Förderung, mit ihren dreiundzwanzig Jahren bereits mit dem Studium fertig, und ihr erklärtes Ziel war der Nobelpreis in Physik. Niemand in der Familie zweifelte daran, dass sie das Ziel erreichen würden. Trotz ihrer Hochbegabung waren sie jedoch nicht lebensfremd, und wenn Not am Mann war, packten sie auf dem Gut ordentlich mit an. Am liebsten aber diskutierten sie über Probleme, die die anderen nicht einmal verstanden.

      Charlotta hatte ihren Teller geleert, schob den Stuhl zurück und machte Anstalten aufzustehen, doch ihre Mutter hielt sie zurück. »Warte bitte, Charly, wir haben euch noch etwas zu sagen, Papa und ich.«

      »Aber mach schnell, Mama«, drängte Charlotta. »Ich habe noch so viel zu tun.«

      »Wir bekommen einen Gast«, erklärte Marianne. »Er heißt Armin von Thaden und wird zwei Wochen bleiben.«

      »Zwei Wochen?«, fragte Thomas entgeistert. »Ein fremder Mensch? Was will der denn so lange hier?«

      »Wir denken über eine geschäftliche Zusammenarbeit nach«, erklärte Ludwig seinem zweitältesten Sohn. »Ich kenne Armin von Thaden schon länger und finde, dass er außerordentlich interessante Ideen hat. Darüber hinaus ist er mir sympathisch. Es gibt einige Überschneidungen in dem, was wir machen, und darüber wollen wir in Ruhe reden.«

      »Und wo soll er wohnen?«, erkundigte sich die praktische Stephanie. »Wir haben doch gar kein freies Zimmer. Ich meine, während der Woche kann er gern meins haben, aber an den Wochenenden, wenn wir hier einfallen…«

      Sara unterbrach ihre ältere Schwester. »Wir haben wohl ein freies Zimmer«, bemerkte sie und schoss einen weiteren giftigen Blick auf Charlotta ab. »Wenn Charly nicht das eine Zimmer oben zu einer Rumpelkammer gemacht hätte.«

      »Das ist keine Rumpelkammer, sondern eine Werkstatt«, fuhr Charlotta sie an. »Bisher hatte niemand etwas dagegen, dass ich das Zimmer nutze.«

      »Das kannst du auch weiterhin tun, er kann hier unten schlafen, da ist Platz genug«, erklärte Marianne.

      »Aber hier kommt er doch nicht zur Ruhe, Mama!«, meinte Stephanie. »Hier unten ist dauernd Betrieb. Alle Schlafzimmer sind oben…«

      »Ihn stört es nicht, ich habe ihn gefragt«, sagte Marianne.

      Charlotta stand auf. »Kann ich jetzt gehen?«

      Ihre Mutter nickte ergeben, und im nächsten Augenblick polterte die junge Frau bereits aus dem Zimmer.

      »Sie ist unmöglich!«, klagte Sara. »Wenn wir Besuch haben und sie benimmt sich so, muss man sich ja schämen!«

      »Du übertreibst, wie immer, Sara«, bemerkte Stephanie ruhig. »Ich weiß wirklich nicht, warum du ständig auf Charly rumhacken

      musst. Lass sie doch einfach mal in Ruhe.«

      Zum allgemeinen Erstaunen stimmte Jan Stephanie zu. Bis eben hatte er noch leise mit Anja gesprochen, doch offenbar waren die Zwillinge dem Gespräch durchaus gefolgt. »Das finde ich auch, Sara!«, sagte er nachdrücklich. »Charly arbeitet für drei hier auf dem Gut, da musst du sie nicht dauernd angiften.«

      Saras hübsches Gesicht wurde rot vor Empörung. »Ich habe nur gesagt, was ihr alle denkt!«, rief sie, während sich ihre Augen mit Tränen füllten. »Charly sieht unmöglich aus, und sie benimmt sich unmöglich – im Dorf reden sie ja sogar schon über sie! Und nur weil ich ihre Schwester bin, darf ich das nicht sagen?« Sie sprang schluchzend auf. »Ich sage die Wahrheit, und ihr hackt auf mir herum!«, rief sie, drehte sich um und rannte aus dem Zimmer.

      »Na, bravo«, sagte Thomas. »Da hätten wir ja endlich wieder einmal eine hübsche kleine Familienkrise. Was musstest du dich auch einmischen, Jan? Du machst doch sonst den Mund nie auf.«

      Aber Jan hörte ihn schon nicht mehr, er diskutierte bereits wieder mit Anja.

      »Sara wird sich bald wieder beruhigen«, stellte Ludwig gelassen fest. »Wie immer.«

      »Wann kommt dieser Armin von Thaden denn?«, erkundigte sich Stephanie.

      »Nächste Woche schon, wir waren beide der Ansicht, dass wir unsere Ideen möglichst bald ausführlich besprechen sollten.«

      Als die Tafel aufgehoben war, bemerkte Marianne aus dem Augenwinkel, dass Jan ohne Anja nach oben ging – und dann hörte sie ihn an Saras Zimmer klopfen. Sie lächelte in sich hinein. Wenn es darauf ankam, hielten ihre Kinder zusammen, auch wenn es manchmal gewaltig krachte.

      Gleich darauf kam Jan wieder herunter und lächelte seiner Mutter zu. »Alles wieder in Ordnung, Mama«, sagte er. »Komm, Anja, erklär mir noch mal genau, was du meinst…«

      Sie sah ihnen nach, wie sie über den Hof gingen, Anja eifrig redend, Jan aufmerksam zuhörend. Ja, ihre sieben Kinder waren sehr unterschiedlich, aber sie liebte jedes einzelne von ihnen.

      *

      Baronin Sofia von Kant und ihr Mann, Baron Friedrich, saßen gemeinsam mit Helena von Isebing in ihrem schönsten Salon und tranken Tee miteinander. Die alte Dame sah sehr zerbrechlich aus, aber ihr lebhaftes Mienenspiel ließ diesen Eindruck immer wieder in Vergessenheit geraten.

      »Ich bin froh, dass ich mich von Robert habe überreden lassen, euch wieder einmal zu besuchen«, sagte sie jetzt gerade. Robert Kahrmann war ihr Butler – und zugleich ihr Chauffeur. Sie hatte ihn schon gekannt, als er noch ein Kind gewesen war, entsprechend vertrauensvoll war ihr Verhältnis zueinander.


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