G.F. Barner 1 – Western. G.F. BarnerЧитать онлайн книгу.
Powell saß am Schreibtisch, vor sich das Einnahmenbuch, in der Hand den Federhalter, den Kopf gebeugt. Das dunkle Haar fiel ihr über die Schultern nach vorn.
Der Alte sah auf das Haar, auf ihren Nacken.
James Powell hielt die Laterne nun so, dass der Spiegel das Licht blendend hell auf die sitzende Frau warf. Sie war schön, weiß Gott, sie war anständig, ehrlich und sauber. Und er kam sich wie ein feiger Lump vor, der vor Angst die Hosen voll hatte und tat, was diese verfluchten Kerle verlangten, die hinter ihm herschlichen, die Stiefel ausgezogen hatten – leise wie Gespenster waren.
»Bist du müde, Dad?«
Jetzt sah er das Messer. Es schwebte über seiner Schulter, die Spitze berührte seine Halsschlagader.
»Ja, schon«, sagte er stockheiser. Der Kloß in seinem Hals wurde immer größer. »Ich bin müde, Joan.«
Leise, schnell – so kam nun der kleine Teufel, dieser Hundesohn mit dem Rasiermesser. Er huschte an Powells linker Seite vorbei. Jetzt hielt er kein Rasiermesser in der Hand. Er hatte die Hände wie Geierkrallen vorgestreckt und trat lautlos hinter den einfachen Stuhl, auf dem Joan saß. Sein Gesicht zeigte ein Grinsen – so viel sah der Alte, aber er wusste nicht, warum der krummbeinige, breitschultrige kleine Halunke grinste.
Der Halunke Al Patingly dachte wieder mal an den Guerillakrieg und das Mädchen, das er einige Zeit besessen hatte. Das Mexikanergirl hatte auch so schwarzes und langes Haar getragen und eine Bluse mit einem runden Ausschnitt, in den er oft genug gegriffen hatte. Es gab nur drei Dinge, die für Patingly wichtig waren – Geld, Weiber und Fusel.
Jetzt, dachte Patingly und schnappte zu wie ein Raubvogel, krallte seine Hände um den Hals der jungen Frau, jetzt habe ich dich, was? Er packte sie, riss sie sofort nach hinten. Der Druck seiner Hände schnitt Joan Powell die Luft ab. Ihre Hand fuhr mit dem Federhalter über die Buchseite. Papier ratschte, die Feder brach ab. Dann fühlte sie, wie sie herumgerissen wurde. Patingly zerrte sie blitzschnell nach rechts, sodass der Stuhl herumschurrte und Joan ihren Schwiegervater sehen konnte.
Sie sah ihn, bekam keine Luft. Sie sah das Messer an James Powells Hals und Powells große, angstvolle Augen, den Schweiß auf seiner Gesichtshaut und das Zittern seiner Lippen.
Da war nur Schreck, danach erst kam das nackte Entsetzen.
Jeff, dachte sie entsetzt und spürte, wie diese Hände sie würgten, sie ersticken wollten, Jeff, um Gottes willen, Jeff!
»Ganz ruhig!«, zischte der Mann hinter ihr. »Nicht schreien, sonst stirbt der Alte, klar? Einen Laut von dir, und dann ist er hin, Baby!«
Jeff hatte sie gewarnt, Jeff hatte aber gehofft, dass sie niemals auf dieses verlassene Minennest kommen würden, niemals auf sie.
Aber sie waren nun da, kaum vierundzwanzig Stunden nach Jeffs Fortreiten.
*
Sie saß angebunden im Stuhl und blickte verstört auf den Schemel. Der große Bursche mit dem Bullenbeißergesicht kam mit ihm herein. Im Vorbeigehen fischte er sich eine Zigarre aus der Tonne auf dem Tresen. Es war eine kleine Zedernholztonne, wie sie nur von Marsh aus Wheeling in Ohio verschickt wurden. In der kleinen Ziertonne, die man auf jedem Tresen in diesem Land fand, streckten noch ein halbes Dutzend Zigarren.
Cardona biss das Ende der Zigarre ab, dann spie er es im Bogen mitten in den Store, dessen Fenster sie verhängt hatten.
»Sie weiß nichts«, sagte Patingly. Er wechselte einen Blick mit dem an der Tür stehenden Ballard, dessen Totenkopfgesicht einen grämlichen Ausdruck trug. »Luke, ob sie glaubt, dass das hier ein Spaß ist? Ich habe versucht, es ihr klarzumachen. Sie begreift es aber nicht und sagt, er wäre nie hier gewesen.«
»So, sagt sie das immer noch?«, fragte Cardona. Er stellte den Hocker unter den mittleren Deckenbalken, stieg herauf und nahm die große Lampe vom Haken.
»Jake«, sagte er sanft. »Komm mal, mein Freund!«
Jake Ballard ging los, den Strick in der Hand.
Joan hatte ihn nicht sehen können denn Ballard hatte schräg hinter ihr gestanden. Nun sah sie den Strick und wurde noch blasser.
»Was – was soll das?«, flüsterte Joan Powell beklommen. »Hören Sie, was wollen Sie mit dem Strick?«
»Du denkst doch, dass dies ein Spiel ist, was?«, fragte Cardona und sog genüsslich an seiner Zigarre. Er suckelte wie ein Säugling. »Na, dann machen wir mal ein Spielchen auf unsere Art, Mrs Powell, klar?«
Patingly brach in höllisches Gekicher aus. Er stand hinter Joans Stuhl, die Hände an ihrem Hals.
»Feines Spiel«, sagte er. »Wird dir mächtig Spaß machen, Baby, wette ich!«
Sein Blick wanderte zum Tresen. Dort lag der Alte gebunden am Boden, ein Knebel steckte ihm zwischen den Zähnen.
Cardona ging nun hin, packte den Alten wie ein Bund Flicken am Kragen und schleifte ihn mit, bis er unter dem Haken war. Ballard hatte den Hocker bestiegen, das Seil um den schweren Haken gelegt.
»Nein!«, keuchte Joan, als Ballard eine Schlinge machte. »Nein, das – das könnt ihr doch nicht machen, das doch nicht! Vater, sie machen nur Spaß, habe keine Angst, sie bluffen nur!«
»Oh – oh – oh!«, lachte Cardona. Es hörte sich an, als hustete ein Coyote. »Wir bluffen nur? Du gehörst zu der Sorte, die nie was begreifen will, was? Du musst es lernen, Mrs Powell, und du wirst es jetzt!«
Er lachte noch einmal, dann stieß er den Alten zum Hocker. Ballard und er stemmten Powell hoch, und Ballard nahm Maß.
»Ist gut«, sagte Ballard näselnd, seine Knopfaugen glänzten. »Das reicht, halte ihn fest, Luke!«
Er legte einen Knoten um den Haken, machte dann die Schlinge weit auf, und Cardona schob den Alten hoch, bis er mit dem Hals in der Schlinge steckte.
»Ihr – ihr Schurken, ich …«
Joan Powell kam nicht weiter. Patinglys Hände drückten wieder zu.
»Nicht doch!«, sagte Patingly finster. »Du sollst leise sprechen. Haben wir dir das nicht gesagt, he? Also, willst du nun reden und nichts als die reine Wahrheit sagen, nichts sonst? Wo hat sich dein sauberer Bruder versteckt?«
Sie tun es nicht, dachte Joan Powell, das wagen sie nicht. Gut, der nächste Sheriff ist einen halben Tag entfernt, aber hier leben raue Frachtfahrer, hier sind noch genug Männer, die Bretter und Balken fahren, sie wagen das niemals.
»Ich weiß es wirklich nicht«, sagte sie, nachdem Patingly ihren Hals losgelassen hatte. »Hört zu, ihr Burschen, ich habe ihn seit zwei Jahren nicht mehr gesehen. Wie oft muss ich euch das noch sagen? Er ist nicht hier gewesen, bestimmt nicht.«
»Schwörst du das?«, erkundigte sich Patingly hämisch. »Sicher, du leistest jeden Eid, was? Der verfluchte Kartentrickser war nie hier, den kennst du gar nicht mehr, wie? Nun gut, wie du willst. Wir hängen den Alten auf, vielleicht fällt dir dann ein, ob er hier gewesen ist?«
Der Alte war kreidebleich, seine Augen weit geöffnet und die nackte Angst nun in ihnen. Er begriff das, was Joan noch nicht erkannt hatte. Sie waren Mörder, sie blufften nicht.
Flehend sah er Joan an, aber er kannte ihre Härte, er wusste, wie starrsinnig sie sein konnte und wie sie an Jeff hing. Jeff hatte sie, nachdem ihre Eltern gestorben waren, mitgenommen, für sie gesorgt, auf sie aufgepasst. Sie würde ihn nicht verraten, solange sie noch glaubte, dass die Kerle sie nur einschüchtern wollten.
»Ich habe ihn nicht gesehen, begreift ihr das nicht?«
Ihre Antwort kam kühl und beherrscht, und der Alte fror, weil er nicht reden und ihr zuschreien konnte, dass sie sich täuschte, dass sie reden musste, weil diese Kerle über Leichen gingen.
Der Alte spürte das raue Seil an seinem Hals, schlotterte an allen Gliedern.
»Sie will nicht«, stellte Cardona finster fest. »Nun gut, dann …«
Die