Die Führungskraft als Influencer. Barbara LiebermeisterЧитать онлайн книгу.
Im digitalen Zeitalter geht das anders! Heute haben wir bessere Möglichkeiten, direkt mit unseren Idolen in Kontakt zu kommen oder ihnen mindestens – beinahe – in Echtzeit durch ihr Leben zu folgen. Was uns damals die Zeitschrift Bravo so gut wie eben möglich lieferte, leistet heute zum Beispiel die Onlineplattform Instagram – und das um Längen besser. Näher ran an die Stars kamen wir noch nie!
Auf »Insta« oder »IG« – so die liebevolle Abkürzung des Plattform-Namens unter begeisterten Nutzern – »folgen« wir unseren Lieblingen virtuell – den sogenannten Influencern. Wenn es geht, auch live bis ins Badezimmer. Und das Ganze inzwischen sogar via Bewegtbild, nicht nur via Foto, der Upload-Möglichkeit von Videos und den Momentaufnahmen, genannt »Stories«, sei Dank. Weil wir dem Tagesablauf unserer Influencer auf diese Weise auf Schritt und Tritt folgen können, vermitteln sie uns per Plattform das Gefühl, ganz nah an ihnen dran zu sein. Statt als Fans monate- und jahrelang ein und denselben Starschnitt unseres Idols anzuhimmeln, sind wir audiovisuell in Echtzeit unseren Influencern ganz nah und nehmen dabei die Rolle eines sogenannten Followers ein. In diesem Zusammenhang gibt es sogar den Ausdruck des »FOMO« (»Fear of missing out«): Wenn der Follower nicht ständig dabei ist, zum Beispiel mal eine Stunde oder einen halben Tag nicht »on« ist, hat er gleich das Gefühl, etwas Wichtiges zu verpassen. Der Begriff »FOMO« wird auch in anderen Zusammenhängen mit der digitalen Lebenskultur verwendet; der eine oder andere kennt das Gefühl vielleicht auch im Zusammenhang mit seinem E-Mail-Posteingang …
Firmen bezahlen Influencer mittlerweile sogar dafür, dass sie einen Lippenstift, eine neue Jeans oder ein Smartphone auf ihrem Instagram-Account in Szene setzen. Der neue Typus »digitaler Star« ist zu einem Geschäftsmodell geworden. Im letzten Jahr haben Unternehmen für diese Form der Vermarktung, genannt »Influencer-Marketing«, mehr als drei Milliarden Euro allein für die Plattform Instagram in die Hand genommen.4
Schauen wir uns an, was Toan Nguyen dazu zu sagen hat. Er ist Partner bei der Werbeagentur Jung von Matt und hat kürzlich die weltweit größte Studie zum neuen Markt des Influencer-Marketings durchgeführt.5 Dafür hat er die 1200 bekanntesten neuen Werbeträger analysiert. Dabei kam er mit seinem Expertenteam zu der Überzeugung, dass nur die Influencer, die das engste Verhältnis zu ihren Followern haben, auch zukünftig von diesen Erfolgen getragen werden können.
Es sind die Fans, die ihre Vorbilder erfolgreich machen. Was früher das Poster aus der Jugendzeitschrift Bravo war, erledigt heute Instagram – nur eben viel effizienter und kleinteiliger steuerbar. Heute hat man durch die digitalen Möglichkeiten ein gefühlt engeres Verhältnis zu seinem Star. Wenn wir die Fotos oder Videos eines Influencers »liken« oder auch »sharen«, also mit anderen teilen, entsteht eine scheinbare Nähe, da es im Gegensatz zu früher zu einer Art Interaktion kommt. Die Psychologie nennt das eine »parasoziale Interaktion«. Gefühlt haben wir eine zeitlich aktuelle Bindung zu unseren Influencern, wir nehmen regelrecht an ihrem Leben teil. Je mehr von uns das tun, desto besser für die Absender: Die Anzahl der Follower und Likes macht Influencer mächtig.
Influencer sind nicht nur Promis, liebe Führungskräfte
Seinen Ursprung nahm die Begrifflichkeit »Influencer« übrigens bereits lange bevor es eine flächendenkende Nutzung sozialer Medien durch große Teile der Bevölkerung gab. Bereits 2001 verstand der US-amerikanische Psychologe und Marketingexperte Robert Cialdini unter einem Influencer »eine Person mit sozialer Autorität, Geschmack, Hingabe und als Mensch mit einem vertrauenswürdigen, in sich schlüssigen Verhalten«6.
Laut Erhebungen der Hochschule Macromedia aus 2015 kann bereits jeder elfte Social-Media-Nutzer in Deutschland als Influencer betrachtet werden.7 Denn es handelt sich dabei nicht nur um Menschen des öffentlichen Lebens mit hohem Bekanntheitsgrad und großer Präsenz in den Sozialen Medien. Gewiss sind vorrangig Künstler, Politiker und Medienschaffende mit hoher Reichweite in den relevanten sozialen Netzwerken als Influencer prädestiniert, doch die Gruppe der Influencer ist inzwischen breit gestreut und umfasst etwa auch Ratgeber in bestimmten Fachgebieten, Werbeikonen, Onlinehändler und viele mehr. Was sie alle eint: Sie gelten durch ihre Expertise und Kompetenz sowie durch ihre hohe Bekanntheit als »Beeinflusser« (deutsch für »Influencer«) des Verhaltens von Menschen oder auch als »digitale Meinungsführer«.
Und jetzt wird es spannend, liebe Führungskräfte: Dieses aktuelle Marktphänomen, das sich durch die digitalen Medien in den letzten Jahren zu einem angesagten und lukrativen Berufszweig entwickelt hat, weitet sich inzwischen nicht mehr nur als neues Werbeformat, sondern auch auf der persönlichen Ebene auf die ersten cleveren Führungskräfte aus. Sie schaffen es, Mitarbeiter so zu inspirieren, dass diese froh sind, dabei zu sein, und alles dafür tun, den gemeinsamen Zielen Rechnung zu tragen – wie etwa bei Veeva Systems.
Der Erfolg von Menschen ist abhängig davon, wie wir andere beeinflussen können. Für Führungskräfte ist ihr Einfluss auf andere Menschen, die Mitarbeiter, das wichtigste Tool, um im Sinne des Unternehmens das Verhalten von Teammitgliedern im Positiven zu beeinflussen. Das nennt man Führung! Und das hat einen entscheidenden Einfluss darauf, was Führung in Zukunft bedeuten wird:
Der Vorgesetzte von heute ist kein Alphatier mehr, sondern ein Influencer!
Ein Führender macht heute keine Ansagen mehr, sondern setzt Impulse. Er oder sie ist jemand, der sich als Teil des Teams versteht und Autorität durch Inspiration und Talentförderung ausübt, nicht durch Hierarchie und Weisungsbefugnis. Menschen wollen beeinflusst werden. Sie brauchen Bestätigung für ihr Handeln – vom klassischen Influencer im Privaten und vom Vorgesetzten im Beruflichen. Je mehr diese beiden Felder verschmelzen, desto mehr nähern sich auch diese Rollen an.
Die Aufgabe der modernen Führung ist klar, wenn auch nicht einfach:
Es gilt, Menschen zu gewinnen und zu leidenschaftlichen Anhängern, also Followern, zu machen.
Und ganz so neu, wie denen von uns mit einem konservativeren Verständnis von Führung dies zunächst erscheinen mag, ist es eigentlich auch wieder nicht. Schauen wir bei Wikipedia nach, finden wir unter »Führung« folgende Definitionen: »leiten«, »die Richtung bestimmen«, »in Bewegung setzen«. Das Ganze folgt dem Zweck »der Beeinflussung der Einstellungen und des Verhaltens zur Zielerreichung«.8 Wenn man es also schafft, andere zu Handlungen zu bewegen oder schlicht ihr Verhalten zu ändern, dann führt man. Eigentlich tun wir das als Führungskräfte in gewisser Weise schon immer: Wir schauen uns an, warum Menschen so handeln, wie sie handeln, und was sie brauchen, um es anders zu machen. Einen Bedarf für Führung gab es deshalb schon immer.
Wenn ein Influencer eines beherrscht, dann ist es genau das: Menschen zu begeistern, anzustecken und zu Handlungen zu bewegen. In der Regel führt das bei den Followern zum Kauf eines Produkts, das der Influencer benutzt oder zumindest empfiehlt. Das reicht für den Follower als Argument aus, es ihm gleichzutun und das Produkt zu erwerben.
Wir alle kennen dieses Prinzip schon aus der klassischen TV-Werbung: Fußballstars benutzen z. B. nach dem Duschen ein bestimmtes Deo und geben ein sogenanntes Testimonial dazu ab – es gefällt ihnen, tut ihnen gut, entspannt, erfrischt, wie auch immer – und ergo benutzt der geneigte Fußballfan eben dasselbe, mal zur Freude, mal zum Entsetzen seiner besseren Hälfte. Die große Zielgruppe der Digital Natives (das sind Personen, die nach 1990 geboren sind und mit den digitalen Medien und deren Gebrauch aufgewachsen sind) sieht jedoch kaum noch fern – dafür ist sie aber ständig online. Nur konsequent also, dass die Produktwerbung je nach Zielgruppe zum Teil bereits fast ausschließlich neue Wege geht.
Das ist der Grund, warum Influencer (in Deutschland bezeichnet der Begriff per Definition üblicherweise eine Follower-Zahl in den sozialen Netzwerken von mindestens 40 000) in der Regel nur online via digitaler Medien und Kanäle wie Instagram, YouTube, Pinterest