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Das Weiße Haus am Meer. Hannes NygaardЧитать онлайн книгу.

Das Weiße Haus am Meer - Hannes Nygaard


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hinsichtlich der Bequemlichkeit zu erfüllen sein.« Frau Berghoff zog dezent die Augenbraue in die Höhe. »Als würde es ihm daran in diesem Haus mangeln.«

      »Es klingt so, als wäre die Entscheidung bereits gefallen«, stellte Lüder fest.

      »Es wurde seitens Berlins ein mehr oder minder starker Druck ausgeübt. Hinter dem Wunsch dieses Herrn«, das »Herr« ließ sie gekonnt nasal klingen, »stecken handfeste politische Interessen. Frau von Crummenthal konnte sich dem nicht verschließen. Sie fühlt sich in dieser Hinsicht in einer staatsbürgerlichen Verantwortung.«

      Ob es auch wirtschaftliche Interessen sein könnten?, überlegte Lüder. Berlin könnte auf mögliche internationale Verflechtungen der Familie von Crummenthal verwiesen haben.

      »Der US-Präsident hat auf seine familiären Kontakte aufmerksam gemacht«, warf Lüder ein.

      Frau Berghoff zog hörbar Luft durch die Nase ein. »Gewiss«, sagte sie spitz. »Wenn wir weit genug bis zu Adam und Eva zurückgehen, sind wir alle miteinander verwandt.« Sie drehte sich um. »Kommen Sie bitte«, forderte sie Lüder auf und ging auf eine bestimmt drei Meter hohe Doppeltür aus dunklem Holz zu, hinter der eine Bibliothek lag. Diese wirkte im Unterschied zur lichtdurchfluteten Eingangshalle fast düster. Ein Kamin aus Sandstein dominierte neben den hohen Bücherregalen den Raum. Vor dem Kamin standen zwei schwere, mit Samt bezogene Sessel, davor ein runder Beistelltisch aus Messing mit einer Glasplatte. Ein gehämmertes Tablett, ebenfalls aus Messing – oder vergoldet? –, trug eine Teekanne, eine Tasse aus englischem Porzellan und die unvermeidlichen Accessoires für dieses Zeremoniell. Im mächtigen Sessel versunken, saß eine kleine schmächtige Frau mit schlohweißen Haaren. Hinter der Goldrandbrille sahen ihm zwei wässrige blaue Augen entgegen.

      »Der Herr von der Polizei«, sagte Frau Berghoff.

      Die alte Dame streckte Lüder die Hand entgegen. Sie trug eine weiße Bluse und eine Kette mit einem Medaillon um den Hals.

      »Guten Tag, Frau von Crummenthal. Lüders ist mein Name. Ich komme vom Landeskriminalamt Kiel.« Die Hand mit den Altersflecken wirkte zerbrechlich. Die zierliche Frau musste die Füße auf eine Fußbank stellen. Ohne diese würden die Beine nicht bis zum Boden reichen.

      »Bitte«, sagte sie und zeigte auf den zweiten Sessel. Dann drehte sie leicht den Kopf und ergänzte in Richtung Frau Berghoffs: »Bitte eine Tasse für Herrn Lüders, Eleonore.«

      »Sehr gern«, antwortete die Assistentin und entfernte sich diskret.

      Frau von Crummenthal sprach leise. Man musste sich konzentrieren, um ihren Worten folgen zu können. Es war keine Frage des Alters. Der Besucher wurde so gezwungen, ihr seine volle Aufmerksamkeit zu schenken.

      »Ich fürchte, ich werde in der nächsten Zeit viel Besuch in diesem Haus erwarten. Ich hätte die Bitte gern zurückgewiesen, aber man hat mir versichert, dass es unumgänglich sei. So werde ich mich gezwungenermaßen an einen anderen Standort zurückziehen. Müssen«, fügte sie spitz an.

      »Der Besucher bekundet seine familiären Bande zu Ihnen.«

      »Er behauptet, mit der Familie meines verstorbenen Mannes verwandt zu sein. Aber dieser Mensch behauptet vieles. Die Crummenthals sind weit verzweigt und verfolgen unterschiedliche Interessen. Mein Mann hat sein Wirken der Wissenschaft gewidmet. Dort haben wir uns auch kennengelernt. Ich glaube nicht, dass der Parvenü eine Beziehung dazu hat. Worüber sollte ich mit ihm sprechen?«

      Von der alten Dame ging eine natürliche Würde aus. Irgendwie erinnerte sie Lüder an die englische Königin. Nur die Handtasche konnte er nicht entdecken. Auch die Corgis fehlten auf dem Teppich vor dem Kamin. Alles in diesem Haus hatte Stil.

      Eine Frau mit silbernen Haaren und einer Schürze, die an eine Bedienung in einem Wiener Kaffeehaus erinnerte, hatte den Raum betreten, stellte eine zweite Tasse vor Lüder ab und schenkte goldenen Tee ein.

      »Zucker und Cream?«, fragte sie. »Sie bedienen sich selbst?«

      »Danke, Alma«, sagte Frau von Crummenthal. »Es ist ein Unding, was man von mir verlangt. Alma und Heinz Gawlicek sind seit vierzig Jahren die guten Geister dieses Hauses. Man kann ihnen alles anvertrauen. Sie wohnen auf dem Grundstück.« Lüder hatte das Haus neben dem Eingang gesehen. »Der Bundespolizist hat angedeutet, dass man sie aus Sicherheitsgründen vorübergehend ausquartieren und durch anderes Personal ersetzen wird. Für was hält man uns? Sind Menschen austauschbar?«

      »Sie hätten die Möglichkeit gehabt, Nein zu sagen«, wandte Lüder ein.

      »Ach, Herr Lüders. Das wäre nur eine theoretische Möglichkeit gewesen. Es war auch jemand vom Außenministerium hier. Der hat sich die Räume nicht angesehen, sondern nur Kaffee getrunken. Er saß dort, wo Sie Platz genommen haben. Kaffee. Den Tee hat er verschmäht. Wie soll eine alte Frau den Forderungen des amerikanischen Präsidenten widerstehen?«

      »Es ist Ihr Recht.«

      Sie lächelte milde. »Sie sind Polizist. Gelehrter?«

      »Ich habe Jurisprudenz studiert.«

      Das Lächeln verstärkte sich. Sie hob eine Hand. »Dann wissen Sie, dass recht haben und recht bekommen zwei Dinge sind, die mit einer unterschiedlichen Elle gemessen werden. Nehmen Sie einfach zur Kenntnis, dass Hildegard von Crummenthal sich wenig begeistert zeigt, sich des Drucks aus Berlin und Washington aber nicht erwehren kann. Ich hoffe nur, dass der unerwünschte Besuch rasch vorübergeht und wie nach einem Unwetter die Aufräumarbeiten nicht zu lange währen. Sie müssen mir auch nicht erklären, dass vor dem Einzug dieser unseligen Person ein Heer von Fremden meine Heimstatt auf den Kopf stellen wird. Wo auch immer in diesem Haus er nächtigen wird … er soll sich seine eigene alberne Mickey-Mouse-Bettwäsche mitbringen.«

      »Ich kann Ihnen versichern, dass nach der Abreise ein Team das ganze Haus gründlich reinigen wird.«

      »Amerikaner?«, fragte sie belustigt.

      Lüder versicherte ihr, dass man vom Toilettenpapier bis zu irgendwelchen Minispuren alles ersetzen beziehungsweise reinigen würde. Zu groß war die Sorge, dass nach der Abreise die Gastgeber auf die Suche gehen würden, um anhand von DNA-Spuren Erkenntnisse über den Präsidenten und seinen Gesundheitszustand gewinnen zu können. Bei allem Zutrauen zu den guten Geistern Alma und Heinz – so gründlich wie die Spezialisten vom Secret Service würde niemand sonst das Haus reinigen.

      Lüder stand auf. »Danke für die Zeit, die Sie mir gewidmet haben«, sagte er. »Nicht nur Ihr Tee ist etwas Besonderes, Ihnen zu begegnen ist ein außerordentliches Vergnügen. Ich versichere Ihnen, dass wir alles unternehmen werden, um diesen Besuch geräuschlos ablaufen zu lassen. Die Ihnen und Ihrem Anwesen entstehenden Unannehmlichkeiten kann ich leider nicht in Abrede stellen.«

      Hildegard von Crummenthal nickte versonnen. »Das fürchte ich auch. Man sagt, nur George Bush sei als Präsident eine wirkliche Persönlichkeit gewesen.«

      »George Bush?«, fragte Lüder erstaunt.

      Sie lächelte. »Der Senior. Alle anderen würden in unseren führenden Familien nicht eingeladen werden.« Es folgte ein tiefer Seufzer. »Auch nicht von mir. Aber – was kann eine alte Frau in dieser Welt ausrichten?«

      »Ihr Stil und Würde verleihen«, sagte Lüder zum Abschied und erntete für dieses Kompliment ein strahlendes Lächeln.

      Lüder fuhr mit seinem BMW langsam die Strandallee Richtung Zentrum entlang. Hier lagen viele repräsentative Wohnhäuser, vor allem aber Hotels. Das Grandhotel ähnelte äußerlich eher einem Betongebirge. Ein Hingucker war das Ensemble weißer Häuser, die an Japan erinnerten. Wer mochte dort wen bestochen haben, überlegte er im Stillen, dass diese fremdartige Architektur genehmigt worden war? Nein! Zum Glück war Bestechung in Deutschland ein seltenes Phänomen.

      Je weiter er sich dem Zentrum näherte, umso lebhafter wurde der Verkehr der Fußgänger. Am Timmendorfer Platz umrundete die Strandallee den Gebäudekomplex, der zwischen der Straße und der Kurpromenade lag. Dort luden zahlreiche Geschäfte des gehobenen Bedarfs zum Bummeln ein, die Gastronomie zum Verweilen.

      Die


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