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Maigret und die Bohnenstange. Georges SimenonЧитать онлайн книгу.

Maigret und die Bohnenstange - Georges  Simenon


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der Leute auszukundschaften.«

      »Und um sicherzugehen, dass niemand da ist?«

      »Nein. Das ist ihm egal. Ich glaube sogar, er arbeitet lieber, wenn Leute da sind, als wenn alles leer ist. Er kann sich in einem Raum bewegen, ohne das leiseste Geräusch zu machen. Hundertmal hat er sich nachts neben mich gelegt, ohne dass ich merkte, dass er wieder da war.«

      »Wissen Sie, wo er vorletzte Nacht gearbeitet hat?«

      »Nur, dass es in Neuilly war, und das habe ich auch nur zufällig rausbekommen. Als er am Tag davor heimkam, sagte er mir, dass die Polizei ihn unterwegs nach seinen Papieren gefragt hatte und ihn wohl für einen Lüstling hielt, weil er am Bois de Boulogne kontrolliert wurde, wo Frauen auf Kundenfang stehen.

      Ich frage ihn noch:

      ›Wo genau war das?‹

      ›Hinter dem Jardin d’Acclimatation. Ich kam gerade aus Neuilly.‹

      Als er dann vorgestern mit der Werkzeugtasche loszog, wusste ich Bescheid.«

      »Getrunken hat er nicht?«

      »Er trinkt nie und raucht auch nicht. Würde er gar nicht vertragen. Er hat immer panische Angst vor einem Anfall und schämt sich furchtbar, wenn ihm das auf der Straße passiert, mit lauter Menschen um ihn herum, denen er leidtut. Bevor er los ist, hat er noch gesagt:

      ›Ich glaube, diesmal ziehen wir wirklich aufs Land.‹«

      Maigret machte sich gelegentlich Notizen, die er unwillkürlich mit Kringeln verzierte.

      »Um wie viel Uhr ist er am Quai de Jemmapes los?«

      »So gegen elf, wie in den Nächten davor.«

      »Dann muss er ungefähr um Mitternacht in Neuilly gewesen sein.«

      »Wahrscheinlich. Er fährt nie schnell, aber um die Zeit ist ja kein Verkehr.«

      »Wann haben Sie ihn wiedergesehen?«

      »Ich habe ihn gar nicht wiedergesehen.«

      »Und deshalb meinen Sie, dass ihm was zugestoßen ist?«

      »Er hat mich angerufen.«

      »Wann?«

      »Um fünf Uhr morgens. Ich schlief noch gar nicht, weil ich so in Sorge war. Er fürchtet ja immer, dass er auf der Straße einen Anfall bekommt, und ich dagegen, dass ihm das beim Arbeiten passiert, verstehen Sie? Dann habe ich unten im Bistro das Telefon gehört. Unser Schlafzimmer liegt direkt darüber. Die Wirtsleute sind nicht aufgestanden, da habe ich mir gedacht, das muss für mich sein, und bin runtergegangen. Ich habe ihm sofort angehört, dass etwas nicht stimmt. Er redete leise.

      ›Bist du das?‹

      ›Ja.‹

      ›Bist du allein?‹

      ›Ja. Wo bist du?‹

      ›In der Nähe der Gare du Nord, in einer Kneipe. Hör zu, Tine‹ – so nennt er mich immer – ›ich muss unbedingt eine Zeit lang verschwinden.‹

      ›Hat dich jemand gesehen?‹

      ›Das ist es nicht. Ich weiß nicht. Ja, ein Mann hat mich gesehen, aber ich bin nicht sicher, ob er von der Polizei ist.‹

      ›Hast du das Geld?‹

      ›Nein, es ist passiert, bevor ich fertig war.‹

      ›Was ist passiert?‹

      ›Ich war gerade mit dem Schloss beschäftigt, da hat meine Taschenlampe in einer Zimmerecke auf einmal ein Gesicht beleuchtet. Ich dachte, da hat sich jemand ins Zimmer geschlichen und beobachtet mich. Dann habe ich gemerkt, dass die Augen tot waren.‹«

      Sie blickte Maigret an.

      »Ich bin mir sicher, dass er nicht gelogen hat. Wenn er jemanden getötet hätte, hätte er mir das gestanden. Ich erzähle Ihnen hier keine Märchen. Ich spürte, dass er nahe dran war, in Ohnmacht zu fallen. Er hat ja solche Angst vor dem Tod …«

      »Wer war der Tote?«

      »Das weiß ich nicht, er hat nicht mehr dazu gesagt. Immer wieder meinte ich schon, er würde gleich auflegen. Er fürchtete, belauscht zu werden. Dann sagte er, er werde eine Viertelstunde später in einen Zug steigen.«

      »Nach Belgien?«

      »Wahrscheinlich, weil er ja bei der Gare du Nord war. Ich habe mir den Fahrplan angesehen, es gibt einen Zug um fünf Uhr fünfundvierzig.«

      »Sie wissen auch nicht, aus welcher Kneipe er angerufen hat?«

      »Ich war gestern in dem Viertel und habe rumgefragt, aber ohne Ergebnis. Die Leute hielten mich wohl für eine eifersüchtige Ehefrau und wollten mir nichts sagen.«

      »Also wissen Sie im Grunde nur, dass in dem Zimmer, in dem er arbeitete, eine Leiche lag?«

      »Eine Frau war es, das hat er mir noch gesagt. Und dass ihre Brust blutüberströmt war und sie einen Telefonhörer in der Hand hielt.«

      »Das ist alles?«

      »Nein. Als er sich davonmachen wollte – ich kann mir gut vorstellen, in welchem Zustand! –, hielt vor dem Gittertor ein Auto.«

      »Er hat also Gittertor gesagt?«

      »Ja, das weiß ich noch genau, weil mir das Wort aufgefallen ist. Jemand ist ausgestiegen und zur Haustür gegangen. Als er hineinging, ist Alfred durchs Fenster getürmt.«

      »Und sein Werkzeug?«

      »Hat er dort gelassen. Zum Reinkommen hatte er ein Stück Scheibe herausgeschnitten. Da bin ich mir sicher, das macht er immer so. Ich glaube, das würde er sogar tun, wenn die Tür offen stehen würde, er ist nämlich ein wenig pedantisch, oder vielleicht abergläubisch.«

      »Er ist also nicht gesehen worden?«

      »Doch. Als er durch den Garten schlich …«

      »Also war auch von einem Garten die Rede?«

      »Erfunden habe ich das nicht. Als er durch den Garten schlich, hat jemand durchs Fenster gesehen und eine Taschenlampe auf ihn gerichtet, wahrscheinlich sogar die von Alfred, die hatte er ja liegen lassen. Er hat sich auf sein Fahrrad geschwungen und ist dann, ohne sich umzudrehen, bis zur Seine gefahren, ich weiß nicht genau, wohin. Das Rad hat er ins Wasser geworfen, weil er Angst hatte, dass man ihn daran erkennen könnte. Nach Hause traute er sich nicht, also ist er zu Fuß zur Gare du Nord und hat mich von dort angerufen und mich angefleht, nur ja niemandem was zu sagen. Ich wollte nicht, dass er wegfährt, und habe auf ihn eingeredet. Er versprach mir dann, mir postlagernd zu schreiben, wo er ist, damit ich nachkommen kann.«

      »Das hat er aber noch nicht getan?«

      »Der Brief hätte noch gar nicht ankommen können, ich war heute Morgen auf der Post. Seit vierundzwanzig Stunden denke ich ununterbrochen nach. Ich habe alle Zeitungen gekauft, ob nicht was über einen Frauenmord drinsteht.«

      Maigret griff zum Telefonhörer und ließ sich mit dem Kommissariat Neuilly verbinden.

      »Hallo, hier Kriminalpolizei. Ist Ihnen in den letzten vierundzwanzig Stunden ein Mord gemeldet worden?«

      »Moment, ich bin nur der Wachmann, ich verbinde Sie.«

      Maigret bohrte hartnäckig nach.

      »Kein Leichenfund? Kein nächtlicher Alarm? Niemand aus der Seine gefischt?«

      »Absolut nichts, Monsieur Maigret.«

      »Keine Schüsse?«

      »Keine.«

      Die Bohnenstange saß geduldig da, als wäre sie zu Besuch, die Hände über der Tasche gefaltet.

      »Verstehen Sie jetzt, warum ich zu Ihnen gekommen bin?«

      »Ich denke schon.«

      »Zuerst dachte ich, die Polizei hat Alfred vielleicht


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