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Wechselgeld für einen Kuss. Ruth GogollЧитать онлайн книгу.

Wechselgeld für einen Kuss - Ruth Gogoll


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Schlüssel in der Wohnung liegengelassen hatte, hat sie mir geholfen.« Sie verschwieg, dass das schon das zweite Mal gewesen war gestern, denn sie wollte sich bei Marlies nicht gleich als der Schussel vom Dienst einführen. »Deshalb kenne ich sie nicht besonders gut.«

      »Du kannst einen Schlüssel bei mir lassen«, bot Marlies sofort an. »Falls das noch mal passiert. Ist doch immer wieder mal möglich.«

      Nicola nickte erschöpft und legte ihren Löffel beiseite, weil ihr Teller nun leer war.

      »Noch mehr Suppe?«, fragte Marlies. »Oder Grießpudding?«

      »Nein, danke.« Auf einmal hatte Nicola das Gefühl, sie würde gleich vom Stuhl fallen. »Ich glaube, ich muss ins Bett.«

      »Jetzt schon?«, fragte Marlies. »Ist es gestern Abend so spät geworden?«

      »Gar nicht.« Selbst erstaunt schüttelte Nicola den Kopf. »Ich glaube, ich werde krank. Muss mir irgendwas eingefangen haben.«

      Sie versuchte aufzustehen, plumpste aber gleich wieder auf den Stuhl zurück. Dann versuchte sie es ein zweites Mal, indem sie sich auf dem Tisch abstützte, und schaffte es gerade so, mit wackligen Knien stehenzubleiben.

      »Das sieht nicht gut aus«, stellte Marlies mit fachkundig mütterlichem Blick fest. »Ich werde dir gleich einen Tee kochen. Aber zuerst mal bringe ich dich zurück.«

      Nicola hatte dazu offensichtlich nichts mehr zu sagen, ließ sich willenlos von Marlies in ihre eigene Wohnung bringen und wie ein kleines Kind ins Bett packen.

      »Tee kommt gleich!«, verkündete Marlies beim Hinausgehen. Sie hatte sich Nicolas Schlüssel schon geschnappt. »Und ein Wadenwickel könnte auch nicht schaden. Ich glaube, du hast Fieber.«

      Das fehlt mir gerade noch, ging es Nicola in einem letzten nebelverhangenen Gedanken durch den Kopf, dann konnte sie gar nichts mehr denken, denn es wurde schwarz um sie.

      5

      »Wer bist du, Lian?« Nicola sprach in den Nebel hinein, der ihre Gedanken immer noch umfing.

      Wie immer lachte Lian nur amüsiert, als würde sie das alles nicht ernstnehmen, Nicola nicht und die ganze Welt nicht. »Warum willst du das wissen?«, fragte sie zurück.

      Das war eine Frage, die sich auch Nicola stellte. Hatte sie sich nicht vorgenommen, sich nicht so schnell wieder auf etwas einzulassen? Und dann kam Lian . . .

      Nicola wusste, dass das genau ihr Fehler war, dass sie Frauen wie Lian attraktiv fand. Nun ja, das war sie, äußerlich, aber über ihre inneren Werte sagte das nichts aus. Hatte sie das nicht schon einmal schmerzvoll erfahren müssen?

      Schmerzvoll. Schmerz. Schmerz.

      Sie stöhnte auf. Ihr Kopf tat furchtbar weh, als ob ihn jemand mit einem Holzhammer traktiert hätte. War sie irgendwo gewesen, wo das hätte passieren können? Sie konnte sich nicht erinnern. An vieles konnte sie sich so gut erinnern. Warum jetzt ausgerechnet daran nicht? Die anderen Dinge, an die sie sich so gut erinnerte, hätte sie gern vergessen. Warum spielte einem das Gedächtnis immer solche Streiche?

      Etwas Kaltes legte sich auf ihre Stirn. Gemurmelte Worte, die Nicola nicht verstehen konnte. »Wer ist da?«, fragte sie, aber sie wusste nicht, ob die Wörter überhaupt aus ihrem Mund herauskamen. Vielleicht hatte sie sie auch nur in ihrem Kopf ausgesprochen. In diesem hämmernden, hämmernden, quälenden Kopf. »Lian . . .«, hauchte sie. »Lian . . .«

      »Was ist denn, Nicola? Was hast du gesagt?«

      Zuerst erkannte Nicola die Stimme nicht, aber dann kam ein leichtes Wiedererkennen in ihren schmerzenden Gehörgängen an. »Marlies.« Ob das zu verstehen war, wusste sie nicht. Noch nicht einmal, ob sie das wollte. Es war alles so verschwommen.

      Marlies setzte sich zu ihr aufs Bett und nahm ihre Hand. »Du bist in deinem eigenen Bett«, sagte sie. »Wolltest du das wissen? Wo du bist?«

      Der Versuch, nickend den Kopf zu bewegen, scheiterte. Sofort zeigten Schmerzen in all ihren Fasern wieder an, dass sie das nicht tun sollte.

      »Du bist bald wieder gesund«, sagte Marlies. »Das Fieber geht jetzt runter.« Sie tauchte das Tuch, das auf Nicolas Stirn gelegen hatte, in eine Schüssel mit Wasser ein, die neben dem Bett stand, und legte es ihr kühl lindernd wieder auf die Stirn zurück, drückte es leicht an ihre Schläfen.

      Sie lächelte, und langsam konnte Nicola das auch erkennen. Es schälte sich wie aus diesem Nebel, der ihren Kopf umgab, heraus.

      Aber nicht genug. Sie hatte kaum erkannt, wo sie war und wer bei ihr war, als ein rasender Kopfschmerz sie überfiel und sie aufstöhnte. Sie fühlte sich furchtbar schwach, und wieder versank alles um sie herum im Nebel.

      Die Zeit verging, weil sie merkte, wie es dunkel und wieder hell wurde, aber sie wusste nicht, welcher Tag es war. Die meiste Zeit bekam sie aber so gut wie gar nichts mit. Sie lag nur da und hatte das Gefühl, sie würde nie wieder aufstehen können.

      Zwischendurch kam irgendwann eine Ärztin vorbei, die Marlies gerufen hatte. Sie gab Nicola eine Spritze, und danach begann es ihr tatsächlich besser zu gehen. Zudem flößte Marlies ihr mehrmals am Tag etwas ein, das gruselig schmeckte, Marlies aber für notwendig erklärte.

      Endlich konnte Nicola sich wieder aufsetzen und ohne die Hilfe von Marlies auf die Toilette gehen. »Welcher Tag ist heute?«, fragte sie, als Marlies ihr eine Hühnersuppe brachte.

      »Freitag«, sagte Marlies.

      »Freitag?« Erschrocken riss Nicola die Augen auf. »Aber es war Dienstagabend, als ich –«

      »Richtig.« Marlies nickte. »Du hast zwei Tage und drei Nächte fast durchgeschlafen.« Leicht tätschelte sie Nicolas Arm und setzte sich neben dem Bett auf einen Stuhl. »Aber das ist auch gut so. Schlaf ist die beste Medizin. Deine Chefin hat angerufen«, fuhr sie beiläufig fort. »Der habe ich gesagt, dass du krank bist, und die Ärztin hat ein Attest für dich ausgestellt.«

      Nicola stöhnte auf. »Das wird sie nicht gern haben, meine Chefin. Ich habe ja erst vor kurzem bei ihr angefangen.«

      »Ja, sie war nicht begeistert, als ich es ihr vorbeibrachte«, sagte Marlies. »Aber wenn du krank bist, bist du krank. Da kann man nichts machen.«

      Nicola verzog das Gesicht. »Ich bin nicht sicher, ob sie das auch so sieht.«

      »Deine Mutter hat auch angerufen«, sagte Marlies. Sie runzelte die Stirn. »Habt ihr euch irgendwie gekracht?«

      Als Antwort versuchte Nicola, das Gesicht zu verziehen, aber das ging nicht so gut, deshalb ließ sie es wieder. »Was hat sie gesagt?«, fragte sie schicksalsergeben.

      »Na ja, sie schien zu denken, dass ich«, Marlies lachte belustigt auf, »deine Freundin bin. Und zwar eine sehr enge Freundin. Als ob wir zusammenleben würden.« Amüsiert schüttelte sie den Kopf. »Als ich ihr dann sagte, dass ich einen Mann und drei Kinder habe, war sie ziemlich entsetzt, hatte ich den Eindruck.«

      Jetzt hätte Nicola so gern gelacht. Aber sie musste sich zurückhalten, um die Buschtrommeln zwischen ihren Schläfen nicht wieder zum Dröhnen zu bringen. »Das kann ich mir vorstellen«, sagte sie. »Sie hätte allerdings nichts dagegen, wenn ich bereits drei Kinder hätte. Es war immer schon ihr Wunsch, möglichst viele Enkelkinder zu haben.«

      »Oh, sie kann gern mal zum Kinderhüten vorbeikommen«, schmunzelte Marlies. »Falls sie nicht ausgelastet ist.«

      »Tja . . .« Nicola holte tief Luft und seufzte. »Dazu ist sie jetzt leider zu weit entfernt. Das wäre dann doch eine Bahnfahrt von mehreren Stunden.«

      »Also habt ihr euch gekracht«, schloss Marlies daraus und erhob die Aussage von einer Frage zu einer Feststellung.

      »Nicht wirklich«, sagte Nicola. »Es ist nur nicht so leicht, mit meiner Mutter auszukommen. Sie hat ihre ganz speziellen Vorstellungen.«

      »Die haben alle Mütter.« Marlies grinste fast. »Und da nehme ich mich nicht aus.«

      »Ich


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