Sophienlust Box 14 – Familienroman. Aliza KortenЧитать онлайн книгу.
Der rote Mini war gerade vom Gutshof gefahren, als Nick vom Park her auftauchte. Er trug Reitzeug und war im Begriff, mit Pünktchen und ein paar anderen Kindern ein kleines Turnier zu veranstalten.
»Sie hatte nicht viel Zeit.«
»Schade, wir hätten ihr gern Sophienlust richtig gezeigt.«
Nick forderte Isolde auf, beim Reiten zuzusehen. Doch sie lehnte die gut gemeinte Einladung ab. Sie habe in der Nähstube noch eine Kleinigkeit zu erledigen, erklärte sie. Nachher werde sie spazieren gehen und vielleicht später noch zum Turnier kommen.
Isolde floh ins Haus. In der Nähstube nahm sie einen Bettbezug und versah ihn mit einer neuen Knopfleiste. Das war eine kniffelige Beschäftigung. Sie hoffte, dadurch von ihrer Erregung etwas abgelenkt zu werden. Leider war das nicht der Fall, sodass die Knopflöcher nicht ganz akkurat gerieten.
Gegen Abend kam Denise kurz von Schoeneich herüber. Sie hatte Alexander und Henrik bei sich und wollte Isoldes Gast willkommen heißen. Ihre Verwunderung war groß, als sie erfuhr, dass Lieselott Engel schon wieder abgereist sei.
»So brauchte sie nicht auch noch den Sonntag opfern«, erklärte Isolde leise. »Was zu besprechen war, ließ sich rasch regeln.«
Denise warf ihr einen forschenden Blick zu, doch sie stellte keine Frage. Dagegen lud sie Isolde für den Abend zu einem Umtrunk ein.
Isolde nahm an, obwohl sie sich lieber in ihrem Zimmer verkrochen hätte. Sie fühlte, dass Denise ihr helfen wollte.
»Wir schicken Ihnen den Wagen, Isolde.«
»Ich kann zu Fuß kommen, Denise. Es tut mir gut, wenn ich mal ein ordentliches Stück gehe. So weit ist es ja nicht.«
»Falls Sie es sich anders überlegen sollten, rufen Sie uns an, Frau von Rettwitz«, schaltete sich Alexander ein. »Meine Tochter und mein Schwiegersohn sind heute Abend auch da. Nächste Woche müssen Sie endlich einmal nach Bachenau fahren und das Tierheim besichtigen. Es ist wirklich eine Besonderheit, die man sich nicht entgehen lassen sollte.«
»Ja, ich werde mit Nick hinfahren, Herr von Schoenecker«, erwiderte Isolde höflich, obwohl sie sich nicht allzu sehr für das Tierheim Waldi & Co. interessierte, von dem in Sophienlust so viel die Rede war. Zwar mochte sie Tiere gut leiden, aber sie brachte nicht die innere Schwungkraft auf, sich von ihren eigenen Problemen abzuwenden, die jetzt noch größer geworden waren.
Gegen Abend schaute Isolde den Kindern beim Reiten zu. Das eigentliche Turnier war zwar schon beendet, doch ließ Nick die jungen Reiter jetzt über zwei Hindernisse springen und machte ihnen geduldig auf seinem Braunen immer wieder vor, wie man sich halten, wie man dem Pferd Hilfen geben musste und auch, wie man es keinesfalls machen durfte.
Nach dem Abendessen wanderte sie zu Fuß hinüber nach Schoeneich, wo man sie herzlich empfing. Doch auch hier fühlte sie sich überflüssig und fremd.
Die jungen von Lehns brachten sie später in ihrem Wagen nach Sophienlust zurück, als sie selbst heimfuhren. Andrea forderte Isolde auf, sie zu besuchen.
Isolde bedankte sich und blickte dem Auto mit dem glücklichen Paar nach, bis es nicht mehr zu sehen war. Hans-Joachim hatte Andrea umarmt und geküsst, als er geglaubt hatte, dass Isolde es nicht mehr beobachten könne. Erst dann war er wieder angefahren.
Der einsamen Frau, die im Dunkeln stand, tat das Herz weh. Die liebende Umarmung eines Mannes würde es für sie nun nicht mehr geben. Als Achim das letzte Mal in Sophienlust gewesen war, hatte sie ihn abgewiesen. Und nun wollte er Lieselott zu seiner Frau machen …
Erst als Isolde in der nächtlichen Kühle zu frieren begann, zog sie den Hausschlüssel, den Frau Rennert ihr anvertraut hatte, hervor und betrat auf leisen Sohlen das Herrenhaus.
»Gehöre ich wirklich hierher?«, fragte sie sich verzagt, als sie durch die matt erleuchtete Diele huschte und ihr Zimmer aufsuchte.
In der Nacht ließ sie Lieselotts Besuch noch einmal an sich vorüberziehen. Ja, sie konnte Achim verstehen. Lieselott war fröhlich und resolut. Sie liebte das Leben und hielt sich nicht mit Kummer und Sorgen auf. Es war ihre – Isoldes – eigene Schuld, dass ihr Mann sich Lieselott zugewandt hatte, denn sie hatte ihn allein gelassen. Nicht erst mit der Reise nach Sophienlust, sondern schon vorher. Seit Renatas Tod!
Ich habe ihn längst verloren, dachte Isolde. Ich wusste es nur noch nicht.
*
Die Maschine aus Hamburg hatte Verspätung. Ungeduldig saß Lieselott im Flughafenrestaurant und bestellte nun schon die dritte Tasse Kaffee. Sie war mit Achims Wagen gekommen. So hatten sie es ausgemacht.
Endlich, als Lieselott schon am Rande der Verzweiflung war, wurde die Ankunft der Maschine durch den Lautsprecher angekündigt.
Etwa zehn Minuten später kam Achim durch die Sperre. Er trug nur eine kleine Tasche und seinen Regenmantel über dem Arm.
Lieselott eilte ihm entgegen. »Endlich, Achim.«
Er warf ihr einen warnenden Blick zu. Nun erst bemerkte sie, dass er von einem Herrn begleitet wurde.
»Ihre Gattin, Herr von Rettwitz?«, fragte der Fremde und lächelte Lieselott liebenswürdig an.
»Nein, eine gute Freundin unserer Familie. Fräulein Engel, lieber Professor.«
Lieselott reichte dem Herrn die Hand. Erst im Wagen waren sie endlich ungestört.
»Du musst vorsichtiger sein und darfst mir nicht in aller Öffentlichkeit auf dem Flughafen um den Hals fallen«, sagte Achim etwas atemlos.
»Ich habe nicht nachgedacht. Es ist ja auch nicht so entsetzlich. Immerhin hättest du mich dem Professor nicht vorzustellen brauchen wie eine kleine Angestellte. Man nennt den Namen des Herrn zuerst!«
Lieselott war etwas beleidigt. Achim lächelte. »Na, ich glaube, du wirst es verschmerzen, Lieselott. Er war mein Professor an der Universität. Noch heute ist er für mich eine Respektsperson. Deshalb ist mir dieser kleine Fauxpas passiert.«
Achim setzte den Motor in Gang und lenkte den Wagen vom Parkplatz.
»Was hast du am Wochenende getan?«, erkundigte er sich. »Ich habe versucht, dich anzurufen. Aber es meldete sich niemand.«
»Wann?«, fragte sie lächelnd.
»Am Samstag. Dass ich gestern nicht abkömmlich war, wusstest du doch.«
»Samstag war ich nicht da. Das stimmt. Ich erzähle es dir zu Hause.«
Achim stellte keine weitere Frage.
»Ich habe etwas zu essen vorbereitet, Achim. Hoffentlich hast du auch ein bisschen Hunger«, sagte Lieselott vergnügt.
»Offen gestanden habe ich damit fest gerechnet. Du hast mich so sträflich verwöhnt, dass mir das schon ganz selbstverständlich erscheint.«
»Ich tu’s gern, Achim. Allein schmeckt es mir schon gar nicht mehr.«
»Du bist eine erstaunliche Frau, Lieselott. Wie schaffst du das nur neben deinem Beruf?«
»Hinter der Schreibmaschine sitze ich eben nur meine Stunden ab, Achim. Das richtige Leben findet nach vier Uhr dreißig nachmittags und an den Wochenenden statt.«
»Dann bist du diesmal betrogen worden, fürchte ich. Es ließ sich leider nicht ändern, dass ich bis heute abend in Hamburg blieb. Kannst mir glauben, dass ich lieber bei dir gewesen wäre, Kleines.«
»Ich habe die Zeit nützlich angewendet, Achim.«
»Umso besser. Nächsten Samstag könnten wir mal ’rausfahren – irgendwohin, wo uns keiner kennt.«
Achim von Rettwitz war den Reizen der blonden Lieselott bereits verfallen.
Sie fuhren vor dem Bungalow vor, wo der rote Mini-Minor wie üblich parkte. Lieselott, die den Hausschlüssel nun ständig in Besitz hatte, schloss auf und genoss das Gefühl, Hausfrau zu sein. In der Diele hatte sie Blumen aufgestellt, auch im Wohnzimmer