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Friede kehrt ein. Karin Ackermann-StoletzkyЧитать онлайн книгу.

Friede kehrt ein - Karin Ackermann-Stoletzky


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bereit wäre, bei besonderen Aktionen zu helfen. Ich nehme an, Sie haben sich mit Ihrer Telefonnummer eingetragen – zumindest sieht es so aus.“

      In Gabi arbeitete es fieberhaft. Ja, sie hatte sich in diese Liste eingetragen, jetzt fiel es ihr wieder ein. Aber sie hatte nicht im Traum daran gedacht, ausgerechnet an Heiligabend zu helfen. Das war schon ein spezieller Abend – und dann mit wildfremden Menschen, die wahrscheinlich so ganz anders waren. Sie hatte gehört, dass nicht nur bedürftige Familien aus der Weststadt, die bekannt war für einen hohen Anteil an Arbeitslosen, die Weihnachtsfeier des CVJM besuchten, sondern auch viele Obdachlose. Ob das ihre Nase verkraften würde? Natürlich waren die vor allem auf ein gutes Essen und die Geschenke aus, für die biblische Botschaft interessierten die sich weniger – da war sich Gabi sicher. Wie konnte sie nur diese Anfrage ablehnen, ohne zu lügen oder intolerant zu erscheinen?

      „Frau Schober, das kommt sehr überraschend. Ich brauche etwas Bedenkzeit. Reicht es Ihnen, wenn ich Sie heute Abend zurückrufe?“

      „Selbstverständlich. Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie einspringen könnten. Dann bis heute Abend.“

      Jetzt brauchte sie erst einmal eine Tasse Tee. Während Gabi sich einen „Wintertraum“ aufbrühte, legte sich der Aufruhr in ihrem Innern etwas. Eben noch hatte sie ein Stoßgebet zum Himmel geschickt. War das die Antwort? Nein, das konnte nicht sein! Gott wusste doch, wie wichtig ihr Traditionen waren. Aber war das wirklich wichtig? Ging es nicht um etwas anderes? Sie schämte sich ein bisschen, als ihr klar wurde, dass sie den Bedürftigen unterstellt hatte, es ginge ihnen nicht um die biblische Botschaft, gerade sie, die Traditionen so wichtig nahm.

      Frau Schober war hoch erfreut, als sie erfuhr, dass Gabi bei der Weihnachtsfeier helfen würde. Es würde nichts Kompliziertes sein. Gabi sollte nur beim Servieren des Essens und beim Austeilen der Geschenke helfen.

      Pünktlich um 18 Uhr betrat Gabi an Heiligabend das CVJM-Haus. Der Geruch von Essen lag in der Luft. Einige Gäste hatten sich schon eingefunden. In der Küche fand sie Katharina Schober, die einen großen Kochlöffel schwang. „Das ist klasse, dass Sie helfen. Würden Sie nachher das Gemüse in die Schüsseln dort füllen und auf die Tische drüben verteilen?“

      Während Frau Schober und Gabi zusammen mit vier anderen Frauen und Männern Rotkraut, Gulasch und Nudeln austeilten, füllte sich der Saal mit einer bunten Gruppe von Menschen. Verstohlen musterte Gabi die Besucher. Eben betrat eine Familie mit mehreren Kindern den Raum. Das jüngste Mädchen bekam große Augen, als sie die vielen Kerzen, Strohsterne und Tannenzweige sah, mit denen die Tische geschmückt worden waren. Beim Anblick des Weihnachtsbaumes in der Ecke, an dem viele rote Kugeln, Schleifen und eine lange Lichterkette hingen, breitete sich ein glückliches Lächeln auf ihrem Gesicht aus.

      „Kann ich mich hier hinsetzen?“ Gabis Beobachtungen wurden von der Frage eines offensichtlich Obdachlosen unterbrochen. Der Mann roch streng nach Schweiß und Alkohol, was Gabis empfindliche Nase sofort registrierte. Aber sie riss sich zusammen und schob den Stuhl zurecht, sodass der Mann seine wenigen Habseligkeiten verstauen konnte.

      Inzwischen hatte sich der Raum bis auf den letzten Platz gefüllt. Christian Koller, der Leiter des CVJM, begrüßte die Gäste, sprach das Tischgebet und wünschte einen guten Appetit.

      Als alle Schüsseln und Teller geleert und die Tische abgeräumt waren, begann Koller mit der Andacht.

      „Liebe Gäste, an Weihnachten feiern wir, dass Gott seinen Sohn zu uns als Baby auf die Erde geschickt hat. Damit ist alles anders ...“ Kurz, prägnant und verständlich brachte der Leiter die Weihnachtsbotschaft auf den Punkt.

      Alles anders ... Gabi blieb mit ihren Gedanken an diesem Satz hängen. Ja, dieses Jahr war alles anders. So hatte sie den Weihnachtsabend noch nie verbracht. Ohne einen vertrauten Menschen, dafür unter lauter Fremden, ohne ein ruhiges, stilvolles Weihnachtsessen in ihrem geschmackvoll dekorierten Zuhause, dafür in einem eher nüchternen Saal. Verstohlen sah sie sich um. Die Aufmerksamkeit der meisten Gäste war ganz auf Koller ausgerichtet. Nur hier und da quengelte ein Kind, oder es führte jemand Selbstgespräche.

      „Deshalb, liebe Freunde, hat Gott uns mit Jesus, seinem Sohn, das größte Geschenk gemacht, das überhaupt möglich ist.“ Mit diesen Worten beendete Christian Koller seine Andacht und sprach ein abschließendes Gebet.

      Nun wurden die Geschenke ausgeteilt. Es waren überwiegend praktische Dinge des täglichen Bedarfs, die von Bürgern des Ortes und Mitgliedern des CVJM gespendet worden waren. Für die Kinder waren Stofftiere, Spielzeugautos, Bücher und Puppen liebevoll verpackt worden. Ein kleines Mädchen hatte gerade einen weichen Teddy ausgepackt. Ihre Augen wurden ganz groß. Sie stieß einen Freudenschrei aus und drückte ihn fest an sich, als wollte sie ihn nie mehr loslassen. Währenddessen probierte ihr Bruder, wie weit sein Auto mit dem Rückzugantrieb fahren konnte. Am Nachbartisch freute sich eine alte Frau über das Päckchen Kaffee, die Schachtel Tee und das Glas Honig, das ihr einer der Helfer überreicht hatte. Eine warme, freudige Atmosphäre erfüllte den Raum.

      Alles anders ... Gabi hatte plötzlich wieder Christian Kollers Worte im Kopf. Auch ihre Vorstellungen von den Gästen, von diesem Abend waren ganz anders gewesen. Voller Vorurteile war sie hergekommen. Sie war überzeugt gewesen, dass es den Leuten doch nur um ein gutes Essen und die Geschenke ging. Sicher waren das für viele auch die überzeugenden Gründe. Aber sie spürte, dass da noch viel mehr war. Die Menschen erlebten, dass sie akzeptiert wurden und man ihnen freundlich begegnete. Sie suchten Gemeinschaft und Frieden und machten hier eine völlig andere Erfahrung als in ihrem Alltag. Damit wurde die Weihnachtsbotschaft für sie greifbar.

      Und sie selbst? Eigentlich war es genau das, was auch sie brauchte und gesucht hatte: Gemeinschaft, Annahme, Freundlichkeit – so, wie jeder Mensch. In Gabi stieg ein unerwartetes Glücksgefühl auf: Gott war gekommen – überraschend anders, aber deutlich greifbar.

      von Karin Baltensperger

      Jana lehnt sich in die Kissen ihres Bettes auf der Entbindungsstation zurück und schließt die Augen. Ihre Gefühle gleichen einem Wechselbad: mal ist sie überglücklich, mal tieftraurig. Ein paar Tränen kullern über ihre Wangen. Heute Nachmittag hat sie ihren Mann bestürmt, nach dem Kidstreff mit den Mädchen zu den Großeltern zu fahren und dort Weihnachten zu feiern. Wie jedes Jahr. „Es ist wichtig für sie“, hat sie ihm erklärt. Schließlich hat er eingewilligt.

      Wenn nur heute nicht der 24. Dezember wäre! Jana versucht sich zum hundertsten Mal einzureden, dass das ein ganz normaler Tag sei, doch ihre Gefühle strafen sie Lügen. Sie fühlt sich einsam und allein. Allein? Sie öffnet die Augen und schaut auf das schlafende Kind in ihrem Arm. „Ich bin doch nicht allein. Es ist so schön, dass du da bist, mein Schatz! Du unser ganz besonderes Weihnachtsgeschenk“, murmelt sie. Sie nimmt das kleine Wesen hoch, gibt ihm sanft einen Kuss auf die Stirn und legt es auf ihre Brust. Eine Weile lauscht sie seinem Atem. Die Ruhe, die das Baby ausstrahlt, ist Balsam für Janas aufgewühlte Seele.

      Draußen wird es langsam dunkel. Janas Gedanken ziehen zu ihren Lieben. Nun sitzen sie sicher zusammen, singen Lieder, erzählen eine Geschichte und freuen sich an den Geschenken. Voller Sehnsucht denkt sie an ihre zwei Mädchen und ihren Mann. Da sie Jana heißt und Hannes eigentlich Johannes, war für sie klar, dass die Namen ihrer Kinder auch mit J beginnen sollten. Vor sechs Jahren kam Jael zur Welt, zwei Jahre später Jamina.

      An jedem anderen Tag ist es einfacher, ohne die Familie im Krankenhaus zu sein, denkt Jana und wischt sich einige neue Tränen vom Gesicht. Wenn nur heute nicht gerade Heiligabend wäre ...

      Jana freute sich riesig, als sie bemerkte, dass sie wieder schwanger war. Endlich kündigte sich das dritte ersehnte Kind an. Nur dass der Geburtstermin um Weihnachten herum sein würde, dämpfte vorübergehend ihre Freude. Der errechnete Tag war der 20. Dezember. Jana war beruhigt. Beide Mädchen waren vor dem Geburtstermin auf die Welt gekommen. So könnte sie bis Weihnachten bereits wieder zu Hause sein.

      Doch sie hatte die Rechnung ohne ihr jüngstes Kind gemacht: Am 20. Dezember war sie nicht wieder, sondern noch immer zu Hause. Nun begann Jana zu beten, dass das Baby nach Weihnachten zur Welt kommen


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