Dr. Norden Bestseller Paket 4 – Arztroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
war, als ich klein war. Die ersten richtigen Erinnerungen habe ich an den Tag, als Dad Clarissa in unser Haus brachte.«
»Clarissa, der ich ähnlich sehen soll«, sagte Constance sinnend. »Und was weißt du von ihrer Vergangenheit?«
Tim wurde blaß. Seltsam berührten ihn diese Worte, und jäh wurde ihm bewußt, daß er auch schon mit dem Gedanken gespielt hatte, daß Constance und Clarissa irgendwie verwandt sein könnten.
Jetzt war er in ganz schwere Gewissenskonflikte gestürzt. »Ich werde jetzt ein Beerdigungsinstitut beauftragen, daß Anita Clement ein würdiges Begräbnis bekommt«, sagte er leise.
»Nein, das werde ich tun«, erklärte Constance tonlos. »Ich allein. Nur für mich hatte sie Bedeutung, Tim. Für mich war sie lange Zeit meine Mutter und eine gute Mutter. Und ich kenne auch einen guten Anwalt, dem ich vertraue, und dem ich diesen Brief bringen werde. Es gibt Dinge, die ich ganz allein durchfechten muß, die nur mich etwas angehen. Das mußt du mir zugestehen.«
»Du darfst mich nicht mißverstehen, Constance«, sagte er beklommen.
»Ich heiße Cindy, wenigstens das weiß ich. Ich heiße nicht Constance, nicht Conny. Bitte, laß mich jetzt allein über all dies nachdenken, Tim. Ich brauche auch Zeit, um zu begreifen, daß ich nicht meine Mutter verloren habe, sondern einfach eine Frau, zu der ich Mama sagte, und die ein anderes Kind verloren hatte. Das kann man wirklich nicht gleich begreifen.«
»Und für mich bist du nur das Mädchen, das ich liebe«, sagte Tim. »Daran darfst du nicht einen Augenblick zweifeln.«
*
Dann fuhr er kurz entschlossen zu Fee Norden. Bei ihr hoffte er, noch mehr Verständnis für die augenblickliche Situation zu finden als bei Daniel. Aber er hatte nicht daran gedacht, daß Mittwoch war. Daniel hatte nachmittags keine Sprechstunde, und es mußte wohl so sein, daß er auch keine dringenden Hausbesuche zu machen brauchte.
Daniel spielte mit den Kindern im Garten.
Er kam gerade nach vorn gelaufen, als Fee Tim die Tür öffnete.
»Großartig«, schnaufte Daniel. »Ich muß mich nämlich verstecken. Im Haus werden sie mich nicht suchen.«
Und schon war er drinnen, und Tim schaute verblüfft. »Papi spielt mit den Kindern Verstecken«, sagte Fee lächelnd. »Aber du darfst auch ruhig hereinkommen, Tim.«
Ihr Gesicht wurde ernst, als sie die Tür geschlossen hatte. »Ich habe schon gehört, daß Frau Clement gestorben ist«, sagte sie.
»Und es hat sich etwas ergeben, worüber ich mit dir sprechen wollte, Fee«, sagte Tim. »Daniel hat vermutet, daß Constance ein adoptiertes Kind sein könnte.«
»Und?« fragte Daniel von der Tür her. »Ist es so?«
»Nicht direkt. Es ist viel schwieriger. Es läßt sich nicht mit ein paar Worten erklären.«
Daniel drehte sich um. »Lenni!« rief er.
»Ja, was ist?« Lenni kam herbeigespurtet.
»Versteckspiel abblasen«, sagte Daniel. »Ich habe eine dringende Besprechung.«
»Und die Kinder werden sowieso Hunger haben«, meinte Lenni. »Ich hole sie dann herein, wenn sie genug vergeblich gesucht haben.«
Auf Lenni war Verlaß. Sie würde das schon machen. Daniel und Fee waren schon ganz gespannt, was sie nun hören würden.
Und Tim erzählte.
Fee merkte zuerst nicht, wie Daniels Gesicht immer nachdenklicher wurde, dann sah sie Tim gebannt an. Aber als sie dann ihrem Mann einen Blick zuwarf, merkte sie, daß er nicht nur gespannt lauschte, sondern sich bereits ernsten Gedanken hingab.
Auch sie wußte nicht, was inzwischen zwischen Anne und Clarissa gesprochen worden war, sonst wäre ja alles bereits klar gewesen, aber stutzig war sie auch geworden, genau wie Daniel, als von dem Lawinenunglück die Rede, war, durch das ein Kind namens Cindy zu Anita Clement gekommen war.
Oder Anita zu dem Kind, wenn man es ganz genau nehmen wollte. »Und mit diesem Geheimnis hat Frau Clement so viele Jahre gelebt«, sagte Daniel gedankenvoll.
»Ich finde es nicht gut«, sagte Tim, »auch wenn ich das Constance nicht so deutlich sagen würde. Sie empfindet es doch ein wenig anders als ich.«
»Das mußt du akzeptieren, Tim«, sagte Daniel ruhig. »Sie hat sich nicht an eine andere Mutter erinnern können, und wenn bei ihr damals eine Erinnerung vorhanden war, wurde sie schnell ausgelöscht.«
»Du hast mir gesagt, daß Annes Leben durch dieses Lawinenunglück beeinflußt wurde«, warf Tim ein. »Könnte es nicht sein, daß sie sich an das Kind erinnert?«
»Sie war im Tal, nicht oben am Hang«, erklärte Daniel. »Und die Angehörigen, die dies mit eigenen Augen sahen, dachten nur an ihre Nächsten. Sie standen alle unter einem Schock. Ich glaube nicht, daß Anne überhaupt noch deutliche Erinnerungen hat. Man muß sich in eine solche Situation versetzen, Tim. Diese Angst! Anne hatte Katja gesehen. Mit bloßen Händen grub sie nach dem Kind, nur von dem Wunsch beseelt, ihr Kind zu retten. Aber ich denke jetzt etwas ganz anderes, was vielleicht dir einen Schock versetzen könnte.«
»Mir?« fragte Tim. »Ich weiß jetzt, daß Anita Clement nicht Constances Mutter ist, und daß sie nicht die Parkinsonsche Krankheit geerbt haben kann.«
»Aber sie könnte etwas anderes geerbt haben«, sagte Daniel heiser.
»Was?« fragte Tim.
»Ein Muttermal«, erwiderte Daniel. »Constance ist Clarissa ähnlich, und sie besitzt auch ein ganz ähnliches Muttermal. Es fiel mir bei der Untersuchung sofort auf. Es sitzt nur an einer etwas höheren Stelle als bei Clarissa.«
Fee preßte beide Hände vor ihren Mund. Tims Augen wurden weit.
»Du meinst – du willst sagen, daß Constance und Clarissa – daß sie Clarissas Tochter sein könnte? Aber Clarissa hätte das doch nie verschwiegen, niemals«, stotterte Tim.
»Es kann doch durchaus sein, daß sie es deinem Vater erzählt hat und sie beschlossen haben, dir davon nichts zu sagen«, meinte Daniel. »Aber so weit will ich jetzt noch gar nicht denken. Wir werden es schon herausbekommen, ob diese Möglichkeit überhaupt einkalkulierbar ist.«
Ein Beben schüttelte Fee. »Ich kann mir nicht vorstellen, daß es in diesem Fall für Clarissa ein wahnsinniger Schock sein könnte, eine solche Wahrheit zu erfahren. Wir müssen da sehr vorsichtig sein. Du mußt auch an deine Mummy denken, Tim.«
»Ich denke vor allem an Constance oder Cindy, oder wie sie sonst heißen mag«, sagte Tim trotzig. »Frau Clement war eine kranke Frau. Wer kann denn beweisen, ob sie sich diese Tatsachen nicht nur ausgedacht hat. Ich glaube nur noch an Tatsachen, und ich bin darauf bedacht, Constance nicht noch mehr zu erschrecken. Ein Muttermal beweist gar nichts.«
»Aber die Ähnlichkeit mit Clarissa war für mich ausschlaggebend, ihr Beachtung zu schenken«, sagte Daniel.
Tims Augen verengten sich. »Brüderliche Gefühle habe ich jedenfalls keinen Augenblick für sie empfunden«, stieß er hervor.
»Du bist ja auch keinesfalls ihr Bruder«, sagte Daniel mit einem hintergründigen Lächeln. »Das dürfte dir doch momentan Trost genug sein.«
»Ich würde es Clarissa nie verzeihen, wenn sie ihr eigenes Kind weggeben hätte«, sagte Tim hart. »Bei allem, was ich für sie empfunden habe, das würde ich nie verzeihen.«
»Schnell ist die Jugend mit dem Wort«, sagte Daniel ernst. »Wir alle wissen nicht, was sich damals zugetragen hat, außer, daß Frau Clement ihren Mann und ihr Kind verlor, und daß Anne ihren Mann auch verlor und ihr Kind retten konnte. Und ganz gewiß ist, daß Anne und Clarissa sich damals nicht kannten, und sich nicht begegnet sind. Dieses Zusammentreffen beweist nur wieder einmal, daß die Welt gar nicht groß genug sein kann, um des Geschickes Mächten aus dem Wege gehen zu können. Das wurde schon vor Tausenden von Jahren offenbar, als man ein Leben brauchte, um