Dr. Norden Bestseller Paket 4 – Arztroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
aber schon irrten seine Gedanken wieder ab, wanderten zu Toby, der von allen erwachsenen weiblichen Wesen bisher nur Martina akzeptiert hatte.
Jetzt hatte er nicht die geringste Neigung, ein paar Stunden mit ihr zu verbringen. Er fühlte sich auch seltsam schlapp. Das Klima sagte ihm gar nicht zu, und das Essen schmeckte ihm nicht. Und nun sagte Linda gerade in diesem Augenblick: »Wollen wir nicht wenigstens mal anständig essen gehen?«
Er schüttelte den Kopf. »Ich muß die Pläne durchsehen. Irgend etwas stimmt da nicht«, erwiderte er. »Brock wird bestimmt gern mit Ihnen ausgehen, Linda.«
»Sind Sie etwa eifersüchtig?« entfuhr es ihr.
»Wieso denn das?« fragte er kühl.
Sie drehte sich auf dem Absatz um und verließ grußlos das Zimmer.
Jochen setzte sich an den Schreibtisch und schrieb den zweiten Brief an Toby. »Du hast mich ganz schön dressiert, mein lieber Junge«, murmelte er. Aber dann erhellte ein Lächeln sein Gesicht. Hast mich auch schon vor mancher Dummheit bewahrt, ging es ihm durch den Sinn. Und Linda würde bestimmt nicht zu uns passen.
*
Dr. Norden bekam an diesem Vormittag unerwarteten und unangenehmen Besuch.
»Ein Herr Wellinger wartet, Chef«, sagte Loni.
»Na, dann«, erwiderte er brummig. »Er wird sich gedulden müssen, es sind noch drei Patienten da.«
»Dieser eingebildete Schnösel spielt sich auf, als ob er der Kaiser persönlich wäre«, sagte Loni gereizt.
»Auch der Kaiser müßte warten, wenn er sich nicht angemeldet hat«, erklärte Dr. Norden gelassen. Er brauchte nicht zu überlegen, warum Christoph Wellinger hier erschien.
Und als der dann sein Sprechzimmer betrat, setzte Daniel Norden seine eisigste Miene auf.
Augenblicklich schien Christoph Wellinger verblüfft zu sein. Er stand einem Mann gegenüber, der noch um einiges attraktiver war als er, der dazu eine Persönlichkeit darstellte. was man von dem jungen Wellinger wahrhaftig nicht sagen konnte. Der war nichts als ein charmanter Playboy, doch sein Charme schien verlorengegangen zu sein.
»Ich habe meine Zeit nicht gestohlen«, stieß Christoph Wellinger hervor. »Sie wissen anscheinend nicht, mit wem Sie es zu tun haben.«
»Meine Zeit ist knapp bemessen, und Sie sind kein Patient«, erwiderte Dr. Norden eisig.
»Sie haben es gewagt, dem Vormundschaftsgericht zu schreiben, daß meine Tochter psychische Störungen bekommt, wenn ich sie zu mir hole. Das wird Sie teuer zu stehen kommen, Herr Dr. Norden.«
»Beweisen Sie das Gegenteil«, sagte Daniel. »Ich kann meine Diagnose rechtfertigen.«
»Das Kind wird nur von seiner Mutter gegen mich aufgehetzt«, ereiferte sich Christoph Wellinger. »Kathrin wird jetzt vor mir versteckt, und das haben Sie veranlaßt.«
Daniel musterte ihn mit einem vernichtenden Blick. »Wenn Sie meinen, etwas gegen mich unternehmen zu müssen, es steht Ihnen frei, Herr Wellinger«, sagte er ruhig. »Mehr habe ich dazu nicht zu sagen. Die Angelegenheit wird vor dem Vormundschaftsgericht verhandelt werden. Selbstverständlich wird ein Amtsarzt hinzugezogen.«
»Dr. Bertram hat meine Tochter jahrelang behandelt und keine seelischen Störungen feststellen können«, sagte Christoph Wellinger etwas aggressiv.
»Während dieser Zeit haben Sie sich anscheinend weniger um das Kind bemüht als jetzt«, sagte Dr. Norden ruhig. »Ich würde Ihnen zu einer vernünftigeren Einstellung raten.«
»Ich habe Sie nicht um einen Rat gebeten.«
»Dann darf ich diese Unterredung als beendet betrachten«, sagte Dr. Norden.
»Ihre Arroganz wird Ihnen schon noch vergehen!«
»Warten wir es ab«, sagte Dr. Norden gelassen.
Christoph Wellinger fuhr zu seinem Vater. Seit Wochen hatte er das Haus nicht betreten, aber nun brannte es ihm doch auf den Nägeln. Er hatte in letzter Zeit so manche Niederlage einstecken müssen, und das behagte ihm gar nicht.
Karl Friedrich Wellinger zeigte eine steinerne Miene, als sein Sohn in sein Arbeitszimmer stürmte.
»Ich habe zu tun«, sagte er hart.
»Und ich muß dich sprechen, Vater«, sagte Christoph.
Vater und Sohn, aber wie grundverschieden waren sie. Der ältere war untersetzt und hatte ein markantes, flächiges Gesicht. Nein, es war nicht die geringste Ähnlichkeit festzustellen.
»Du hättest dich anmelden sollen«, sagte der alte Wellinger gleichmütig.
»Bin ich dein Angestellter oder dein Sohn?« fragte Christoph gereizt.
»Es wäre um einiges erfreulicher, wenn du ein arbeitender Sohn wärest«, sagte Karl Friedrich Wellinger sarkastisch.
»Ich will ja arbeiten, aber ich lasse mich doch nicht von irgendwelchen Leuten herumkommandieren. Du gibst mir keine Chance.«
»Wer befehlen will, muß etwas leisten. Du kennst meinen Standpunkt. Ich kann meine guten Leute nicht von einem Großmaul vergraulen lassen.« Das war ein sehr hartes Wort. Christoph zuckte zusammen.
»Um es ganz deutlich zu sagen: Du bist für eine Führungsposition nicht geeignet. Dir fehlt die Intelligenz und das Fingerspitzengefühl«, fuhr Karl Friedrich Wellinger fort. »Also, was willst du?«
»Es geht um Kathrin. Martina hat sie an einen unbekannten Ort gebracht, und ein gewisser Dr. Norden hat…«
»Ich weiß Bescheid«, wurde er unterbrochen. »Und ich halte das für durchaus richtig. Warum soll das Kind auch noch verdorben, werden? Deine Mutter hat mit ihrer Affenliebe genug angerichtet. Ihr hübsches Söhnchen durfte sich ja nicht die Finger schmutzig machen, er mußte in Samt und Seide gekleidet werden und wurde auf dem Präsentierteller herumgereicht. Aber ich habe ja von Anfang an gewußt, daß aus dir nichts wird als eben ein Playboy, der den Weiberröcken nachjagt. Von mir kannst du keine Unterstützung erwarten, was Kathrin betrifft. Im Gegenteil. Ich werde aussagen, daß dein Lebenswandel nur einen schädlichen Einfluß auf das Kind haben kann.«
Christoph wurde kreidebleich. Haß glomm in seinen Augen auf. »Du wirst nicht ewig leben«, stieß er hervor, »und dann…«
»Freu dich nicht zu früh«, fiel ihm sein Vater ins Wort. »Mein Testament ist gemacht, und es ist unanfechtbar.«
»Ich bin der letzte Wellinger, das scheinst du zu vergessen«, schrie ihn Christoph an.
»Nein, das bist du nicht, und das weißt du sehr gut.«
Christoph wich zurück. Fassungslos starrte er seinen Vater an.
»Nun bist du sprachlos«, sagte der Ältere. »Es kann ja leicht möglich sein, daß du mehr als ein anständiges Mädchen ins Unglück gebracht hast, aber über eines bin ich bestens informiert. Es wird wieder einen Wellinger geben, und nun streng dein Spatzenhirn mal an, wer das wohl sein könnte.«
Christoph rang nach Worten. Er sah unglaublich töricht aus. »Du hast dich täuschen lassen, Vater«, stammelte er.
»Ich lasse mich nicht täuschen. Ich gehe den Dingen auf den Grund. Aber mehr wirst du von mir nicht erfahren. Das Leben dieses Kindes wird nicht in Gefahr gebracht. Und dir kann ich nur raten, dein Leben zu ändern, sonst wirst du bald vor dem Nichts stehen. Von mir bekommst du keinen roten Heller, und wenn du Martina weiterhin Schwierigkeiten bereitest, werde ich mich nicht scheuen, es publik zu machen, daß Karl Friedrich Wellinger seinen Sohn vor die Tür gesetzt hat. Ich habe nichts zu verlieren. Ist das deutlich genug?«
»Vater, ich bitte dich, ich weiß nicht, wovon du redest«, murmelte Christoph.
»Du warst schon immer verlogen«, sagte sein Vater hart. »Die Sonne bringt es an den Tag. Alle Schuld rächt sich auf Erden, kann man auch sagen.«
»Ich würde ein Kind