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Die Abenteuer des Sherlock Holmes. Arthur Conan DoyleЧитать онлайн книгу.

Die Abenteuer des Sherlock Holmes - Arthur Conan Doyle


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ein seltsamer Umstand«, meinte Holmes, »daß eine Schreibmaschine genausoviel Individualität besitzt wie die Handschrift eines Mädchens. Wenn sie nicht mehr ganz neu sind, schreiben keine zwei Maschinen genau gleich. Manche Typen sind mehr abgenutzt als andere, manche nutzen sich nur an einer Seite ab. An diesem Brief von Ihnen, Mr. Windibank, werden Sie feststellen, daß über jedem ›e‹ ein kleiner Fleck ist und ein kleiner Defekt im Schwänzchen des ›r‹. Es gibt noch vierzehn weitere Charakteristika, aber dies sind die wichtigsten.«

      »In der Firma erledigen wir unsere gesamte Korrespondenz mit dieser Maschine, und zweifellos ist sie ein wenig abgenutzt«, erwiderte unser Besucher; er sah Holmes mit seinen hellen kleinen Augen aufmerksam an.

      »Ich will Ihnen jetzt etwas zeigen, was wirklich sehr interessant ist, Mr. Windibank«, fuhr Holmes fort. »Ich beabsichtige, eines Tages eine weitere kleine Monographie über Schreibmaschinen und ihre Beziehung zu Verbrechen zu verfassen. Es ist dies ein Thema, dem ich eine gewisse Aufmerksamkeit gewidmet habe. Hier habe ich vier Briefe, die angeblich von dem vermißten Mann stammen. Sie alle sind mit der Maschine geschrieben. In allen Fällen ist nicht nur das ›e‹ verwaschen und das ›r‹ defekt, sondern Sie werden auch feststellen, wenn Sie sich meines Vergrößerungsglases bedienen wollen, daß die weiteren vierzehn Charakteristika, von denen ich sprach, sich dort ebenfalls finden.«

      Mr. Windibank sprang aus seinem Sessel auf und ergriff seinen Hut. »Ich kann meine Zeit nicht mit dieser Art phantastischen Geschwätzes vergeuden, Mr. Holmes«, sagte er. »Wenn Sie den Mann fangen können, dann fangen Sie ihn, und lassen Sie es mich wissen, wenn Sie es getan haben.«

      »Aber gewiß«, sagte Holmes; er trat vor und drehte den Schlüssel in der Tür um. »Hiermit lasse ich Sie wissen, daß ich ihn gefangen habe!«

      »Was! Wo?« rief Mr. Windibank; er wurde bleich bis in die Lippen und starrte um sich wie eine Ratte in einer Falle.

      »Oh, es hat keinen Sinn – wirklich nicht«, sagte Holmes sanft. »Sie kommen da unmöglich wieder hinaus, Mr. Windibank. Das war alles viel zu durchsichtig, und Sie haben mir ein schlechtes Kompliment gemacht, als Sie sagten, es wäre mir unmöglich, ein so einfaches Problem zu lösen. So ist es recht! Setzen Sie sich, und wir wollen alles durchsprechen.«

      Unser Besucher brach mit verzerrtem Gesicht und glitzernder Nässe auf der Stirn in einem Sessel zusammen. »Es ... es ist nicht strafbar«, stammelte er.

      »Ich befürchte sehr stark, daß das stimmt. Aber unter uns, Windibank, das war der grausamste, selbstsüchtigste und herzloseste Trick, der mir je als schäbiger Bagatellfall untergekommen ist. Ich will jetzt kurz den Verlauf der Ereignisse durchgehen, und Sie widersprechen mir, wenn ich mich irre.«

      Der Mann hockte zusammengesunken in seinem Sessel, das Kinn auf der Brust, als wäre er völlig niedergeschmettert. Holmes legte seine Füße auf eine Ecke des Kaminsimses, steckte die Hände in die Taschen, lehnte sich zurück und begann zu sprechen, eher zu sich selbst, wie es schien, denn zu uns.

      »Der Mann hat eine sehr viel ältere Frau wegen ihres Geldes geheiratet«, sagte er, »und er konnte über das Geld der Tochter verfügen, solange sie bei ihnen lebte. Für Leute in ihrer Lage war es eine beträchtliche Summe, und der Verlust hätte schon einiges ausgemacht. Also lohnte sich ein Versuch, das Geld zu bewahren. Von ihrer Veranlagung her war die Tochter gutmütig und freundlich, in ihrem Betragen aber auch liebevoll und warmherzig, daher war es offensichtlich, daß sie mit ihren ansehnlichen persönlichen Vorzügen und ihrem eigenen kleinen Einkommen nicht sehr lange allein bleiben würde. Nun liefe ihre Heirat natürlich auf einen Verlust von hundert Pfund pro Jahr hinaus; was also tut der Stiefvater, um das zu verhindern? Er wählt den naheliegenden Weg, sie häuslich zu halten, und verbietet ihr, die Gesellschaft von Leuten ihres Alters zu suchen. Er mußte aber bald feststellen, daß dies keine dauerhafte Lösung war. Sie wurde widerspenstig, bestand auf ihren Rechten und kündigte schließlich ihre entschiedene Absicht an, auf einen bestimmten Ball zu gehen. Was macht ihr schlauer Stiefvater da? Er entwickelt einen Plan, der weitaus mehr für seinen Kopf als für sein Herz spricht. Mit dem Wissen und der Hilfe seiner Frau verkleidet er sich, verdeckt seine scharfen Augen mit einer getönten Brille, macht das Gesicht mit einem Schnauzbart und einem Paar buschiger Backenbärte unkenntlich, läßt seine helle Stimme zu einem einschmeichelnden Flüstern absinken; daß das Mädchen kurzsichtig ist, gibt ihm doppelte Sicherheit, und so tritt er als Mr. Hosmer Angel auf und scheidet andere mögliche Liebhaber dadurch aus, daß er selbst dem Mädchen den Hof macht.«

      »Zuerst war es nur ein Scherz«, ächzte unser Besucher. »Wir haben nie geglaubt, daß sie sich so weit hinreißen lassen würde.«

      »Das mag schon sein. Wie auch immer, jedenfalls hat sich die junge Dame ganz entschieden hinreißen lassen, und weil sie davon überzeugt war, daß sich ihr Stiefvater in Frankreich aufhielt, kam ihr der Verdacht, es könnte sich um üble Maschenschaften handeln, nie auch nur einen Moment in den Sinn. Sie fühlte sich durch die Aufmerksamkeiten des Gentlemans geschmeichelt, und diese Wirkung wurde dadurch noch verstärkt, daß ihre Mutter lauthals Zustimmung äußerte. Dann hat Mr. Angel begonnen, sie zu Hause zu besuchen, denn offenbar sollte die Sache so weit getrieben werden wie möglich, um eine dauerhafte Wirkung zu erzielen. Es kam zu Verabredungen und einer Verlobung, die endgültig dafür sorgen sollte, daß das Mädchen seine Neigungen nicht einem anderen zuwandte. Aber die Täuschung konnte nicht ewig aufrechterhalten bleiben. Diese angeblichen Reisen nach Frankreich waren ziemlich lästig. Es lag auf der Hand, daß man die Sache auf eine so dramatische Weise zu einem Ende bringen mußte, daß sie einen dauerhaften Eindruck im Gemüt der jungen Dame zurücklassen und sie für lange Zeit davon abhalten würde, nach einem anderen Freier Ausschau zu halten. Daher die geforderten Treueschwüre auf eine Bibel, und daher auch die Andeutungen, daß sich am Hochzeitsmorgen selbst irgend etwas würde ereignen können. James Windibank wollte, daß sich Miss Sutherland so eng an Hosmer Angel bindet und so sehr im Ungewissen über sein Geschick ist, daß sie wenigstens die nächsten zehn Jahre keinen anderen Mann erhört. Bis zur Kirchentür hat er sie gebracht, und weil er nicht weitergehen konnte, ist er in einer für ihn sehr bequemen Weise mit Hilfe eines alten Tricks verschwunden, indem er auf der einen Seite einer Droschke einsteigt und auf der anderen Seite sofort wieder aussteigt. Ich glaube, so haben sich die Dinge abgespielt, Mr. Windibank!«

      Unser Besucher hatte sich wieder ein wenig gefaßt, während Holmes sprach, und nun erhob er sich aus seinem Sessel mit eisigem Hohn in seinem bleichen Gesicht.

      »Vielleicht ist es so, vielleicht ist es nicht so, Mr. Holmes«, sagte er, »aber wenn Sie schon so scharfsinnig sind, dann sollten Sie auch scharfsinnig genug sein, um zu wissen, daß Sie derjenige sind, der im Moment das Gesetz bricht, nicht ich. Ich habe von Anfang an nichts getan, dessentwegen man gegen mich Anklage erheben könnte, aber solange Sie diese Tür da verschlossen halten, setzen Sie sich selbst einem Verfahren wegen tätlicher Drohung und ungesetzlicher Nötigung aus.«

      »Wie Sie sagen, kann das Gesetz Sie nicht belangen«, sagte Holmes; er schloß die Tür auf und öffnete sie. »Aber es hat nie einen Mann gegeben, der eine Strafe mehr verdient hätte als Sie. Wenn die junge Dame einen Bruder oder einen Freund hat, dann sollte er Ihnen die Peitsche über den Rücken ziehen. Beim Zeus!« fuhr er fort, erregt angesichts des grimmigen Hohns auf dem Gesicht des Mannes, »es gehört nicht zu meinen Pflichten gegenüber meiner Klientin, aber da ist eine Jagdpeitsche in Reichweite, und ich schätze, ich werde mir das Vergnügen ...« Er machte zwei schnelle Schritte hin zur Peitsche, aber bevor er sie ergreifen konnte, ächzte die Treppe unter schnellen Tritten, die schwere Haustür fiel krachend ins Schloß, und vom Fenster aus konnten wir Mr. James Windibank sehen, wie er, so schnell es ging, die Straße hinablief.

      »So ein kaltblütiger Schurke!« sagte Holmes lachend, als er sich wieder in seinen Sessel fallen ließ. »Dieser Bursche wird von Verbrechen zu Verbrechen aufsteigen, bis er etwas ganz Übles tut und am Galgen endet. In mancher Hinsicht war dieser Fall keineswegs uninteressant.«

      »Ich kann auch jetzt noch nicht all Ihre Denkschritte nachvollziehen«, bemerkte ich.

      »Nun ja, es war doch von Anfang an klar, daß dieser Mr. Hosmer Angel sehr schwerwiegende Gründe für sein seltsames Benehmen haben mußte, und genauso klar war, daß der einzige Mann, der wirklich


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