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Die Abenteuer des Sherlock Holmes. Arthur Conan DoyleЧитать онлайн книгу.

Die Abenteuer des Sherlock Holmes - Arthur Conan Doyle


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Kirche St. Monica in der Edgware Road. Eine halbe Guinee, wenn Sie es in zwanzig Minuten schaffen!‹

      Damit sind sie losgebraust, und ich überlegte mir gerade, ob ich ihnen nicht besser folgen sollte, als ein hübscher kleiner Landauer die Straße heraufkam; der Kutscher hatte seine Jacke nur zur Hälfte zugeknöpft und die Krawatte saß unter dem Ohr, und alle Riemen starrten aus den Schnallen des Geschirrs heraus. Der Wagen stand noch nicht, als sie auch schon aus der Tür geschossen kam und einstieg. Ich habe in diesem Moment nur einen kurzen Blick auf sie werfen können, aber sie ist eine wunderschöne Frau, mit einem Gesicht, für das mancher Mann sein Leben hingäbe.

      ›Die St. Monica-Kirche, John‹, rief sie, ›und einen halben Sovereign, wenn wir in zwanzig Minuten dort sind.‹

      Die Gelegenheit war zu gut, um sie verstreichen zu lassen, Watson. Ich habe noch überlegt, ob ich laufen oder hinten auf ihrem Landauer aufsitzen soll, als eine Mietdroschke die Straße herunterkam. Der Fahrer hat seinen schäbigen Fahrgast mißtrauisch angesehen, ich bin aber in den Wagen gesprungen, bevor er Einwände erheben konnte. ›Die St. Monica-Kirche‹, habe ich gesagt, ›und einen halben Sovereign, wenn Sie es in zwanzig Minuten schaffen.‹ Es war fünfundzwanzig Minuten vor zwölf, und natürlich war mir klar, was in der Luft lag.

      Mein Kutscher ist sehr schnell gefahren. Ich glaube nicht, daß er jemals schneller gefahren ist, aber die anderen waren vor uns dort. Droschke und Landauer mit dampfenden Pferden standen vor der Tür, als ich ankam. Ich habe den Mann bezahlt und bin in die Kirche gestürzt. Keine Menschenseele war in der Kirche, außer den beiden, denen ich gefolgt war, und einem Priester im Chorhemd, der ihnen Vorhaltungen zu machen schien. Sie standen alle drei dicht zusammen vor dem Altar. Ich bin durch den Seitengang nach vorn geschlendert wie ein beliebiger Müßiggänger, der zufällig in eine Kirche hineinschaut. Zu meiner Überraschung drehen sich die drei am Altar plötzlich zu mir um, und Godfrey Norton kommt zu mir gestürmt, so schnell er kann.

      ›Gott sei Dank!‹ ruft er, ›Sie können uns helfen. Kommen Sie! Kommen Sie!‹

      ›Was gibt's denn?‹ frage ich.

      ›Kommen Sie, Mann, kommen Sie, nur noch drei Minuten, sonst ist es nicht rechtsgültig.‹

      Er hat mich förmlich zum Altar gezerrt, und bevor ich so recht wußte wo ich war, murmelte ich schon Antworten, die man mir ins Ohr flüsterte, und verbürgte mich für Dinge, von denen ich nichts wußte, und im übrigen half ich dabei, die Jungfer Irene Adler fest und sicher an den Junggesellen Godfrey Norton zu binden. Alles war im Nu erledigt, und da standen der Gentleman auf einer und die Lady auf der anderen Seite und dankten mir, und der Priester strahlte mich von vorn an. Es war die lächerlichste Situation, in der ich mich in meinem Leben je befunden habe, und beim Gedanken daran habe ich vorhin so gelacht. Anscheinend hatte es in ihren Papieren einen Formfehler gegeben, so daß der Priester sich kategorisch weigerte, sie ohne einen Zeugen zu vermählen, und mein glückliches Auftauchen hat den Bräutigam davor gerettet, einen Ausfall auf die Straße unternehmen und einen Brautführer suchen zu müssen. Die Braut hat mir einen Sovereign gegeben, und ich beabsichtige, ihn als Andenken an dieses Ereignis an meiner Uhrkette zu tragen.«

      »Die Sache nimmt einen reichlich unerwarteten Verlauf«, sagte ich; »und was ist dann geschehen?«

      »Nun ja, meine Pläne waren natürlich vom Scheitern bedroht. Es sah so aus, als könnte das Paar sich sofort auf eine Reise begeben, was umgehende und energische Maßnahmen meinerseits erfordert hätte. Sie trennten sich aber an der Kirchentür; er ist zurückgefahren zum Temple und sie zu ihrem Haus. ›Ich werde wie üblich um fünf im Park ausfahren‹, sagte sie, als sie von ihm wegging. Mehr habe ich nicht gehört. Sie sind in verschiedene Richtungen gefahren, und ich bin aufgebrochen, um meine eigenen Vorkehrungen zu treffen.«

      »Welcher Art?«

      »Kaltes Rindfleisch und ein Glas Bier«, antwortete er, wobei er die Glocke betätigte. »Ich war zu beschäftigt, um an Essen zu denken, und wahrscheinlich werde ich heute abend noch beschäftigter sein. Übrigens, Doktor, ich brauche Ihre Mitwirkung.«

      »Mit dem größten Vergnügen.«

      »Macht es Ihnen etwas aus, das Gesetz zu übertreten?«

      »Nicht im mindesten.«

      »Oder möglicherweise verhaftet zu werden?«

      »Nicht wenn es für eine gute Sache ist.«

      »Oh, es ist eine ganz ausgezeichnete Sache!«

      »Dann bin ich dabei.«

      »Ich war sicher, daß ich mich auf Sie würde verlassen können.«

      »Aber was haben Sie denn vor?«

      »Ich werde es Ihnen erklären, wenn Mrs. Turner das Tablett gebracht hat. – So«, sagte er, als er sich hungrig auf die einfache Mahlzeit stürzte, die unsere Wirtin beschafft hatte, »wir müssen das besprechen, während ich esse, ich habe nämlich nicht viel Zeit. Es ist jetzt fast fünf. In zwei Stunden müssen wir auf dem Schauplatz sein. Miss Irene, oder genauer Madame, kommt um sieben Uhr von ihrer Ausfahrt zurück. Wir müssen in Briony Lodge sein, um sie zu treffen.«

      »Und was dann?«

      »Das müssen Sie mir überlassen. Ich habe schon für alles Vorkehrungen getroffen. Es gibt nur einen Punkt, auf dem ich bestehen muß. Sie dürfen sich nicht einmischen, ganz gleich, was geschieht. Haben Sie das verstanden?«

      »Ich soll unbeteiligt bleiben?«

      »Sie sollen gar nichts tun. Vermutlich werden sich einige kleine Unfreundlichkeiten ereignen. Halten Sie sich heraus. Es wird damit enden, daß man mich ins Haus schleppt. Vier oder fünf Minuten später wird sich das Fenster des Wohnraums öffnen. Sie sollen sich nahe bei diesem offenen Fenster aufhalten.«

      »Ja.«

      »Und Sie sollten mich im Auge behalten, denn Sie werden mich sehen können.«

      »Ja.«

      »Und wenn ich meine Hand hebe – so –, werden Sie etwas in den Raum werfen, was ich Ihnen gebe, und gleichzeitig werden Sie ›Feuer‹ rufen. Können Sie mir folgen?«

      »Ich kann.«

      »Es ist nichts besonders Großartiges«, sagte er; er nahm eine längliche, zigarrenförmige Walze aus der Tasche. »Das ist eine gewöhnliche Rauchpatrone, wie Klempner sie zum Aufspüren von Rohrbrüchen benutzen, auf jeder Seite eine Kappe zur Selbstzündung. Das ist alles, was Sie zu tun haben. Wenn Sie ›Feuer‹ rufen, wird eine ganze Menge Leute in den Schrei einstimmen. Danach können Sie zum Ende der Straße gehen, und ich werde innerhalb von zehn Minuten zu Ihnen stoßen. Ich hoffe, ich habe mich verständlich ausgedrückt?«

      »Ich soll unbeteiligt bleiben, in die Nähe des Fensters kommen, Sie im Auge behalten und auf Ihr Zeichen hin diesen Gegenstand in den Raum werfen, dann ›Feuer‹ schreien und an der Straßenecke auf Sie warten.«

      »Ganz genau.«

      »Wenn das alles ist, können Sie sich voll und ganz auf mich verlassen.«

      »Ausgezeichnet. Ich glaube, es ist fast an der Zeit, mich auf meine neue Rolle vorzubereiten.«

      Er verschwand in seinem Schlafgemach und kam einige Minuten später als freundlicher und einfältig dreinblickender nonkonformistischer Geistlicher8 zurück. Sein breiter schwarzer Hut, die ausgebeulten Hosen, das weiße Beffchen, das sympathische Lächeln und der allgemeine Ausdruck spähender und wohlwollender Neugier ließen ihn wie die Bilderbuchausgabe eines betulichen Priesters erscheinen. Nicht, daß Holmes nur seine Kleidung gewechselt hätte. Sein Ausdruck, seine Haltung, ja seine Seele schien sich mit jeder neuen Rolle, in die er schlüpfte, zu verändern. Die Bühne verlor einen prächtigen Schauspieler und die Wissenschaft verlor einen scharfen Denker, als er zum Verbrechensexperten wurde.

      Es war Viertel nach sechs, als wir aus dem Haus in der Baker Street gingen, und zehn vor sieben, als wir Serpentine Avenue erreicht hatten. Die Abenddämmerung war bereits gefallen und man zündete gerade die Lampen an, während wir vor Briony Lodge auf und ab wanderten


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