Die Abenteuer des Sherlock Holmes. Arthur Conan DoyleЧитать онлайн книгу.
Sie ihn unmittelbar über dem rechten Handgelenk tätowiert tragen, kann nur in China verfertigt worden sein. Ich habe mich ein wenig mit Tätowierungen beschäftigt und sogar einen Beitrag zur Literatur über dieses Thema geleistet. Diese Art, die Fischschuppen zartrosa zu tönen, ist nur in China üblich. Wenn ich zusätzlich dazu eine chinesische Münze an Ihrer Uhrkette hängen sehe, wird die Sache noch einfacher.«
Mr. Jabez Wilson lachte betroffen. »Also, das hätte ich nicht für möglich gehalten!« sagte er. »Zuerst habe ich gemeint, Sie tun da etwas besonders Schlaues, aber jetzt sehe ich, daß gar nichts dabei ist.«
»Ich beginne zu fürchten, Watson«, sagte Holmes, »daß ich einen Fehler begehe, indem ich erkläre. Omne ignotum pro magnifico,10 Sie wissen ja, und meine bescheidene Reputation, wenn es sie denn gibt, wird Schiffbruch erleiden, wenn ich so aufrichtig bin. Können Sie die Anzeige nicht finden, Mr. Wilson?«
»Doch, hier habe ich sie endlich«, erwiderte er; sein dicker rötlicher Finger zeigte auf eine Stelle etwa in der Mitte der Spalte. »Da ist sie. Damit hat alles angefangen. Sie müssen das selbst lesen, Sir.«
Ich nahm die Zeitung aus seinen Händen und las das Folgende:
An die Liga der Rotschöpfe – In Zusammenhang mit dem Vermächtnis des verstorbenen Ezekiah Hopkins aus Lebanon, Penn, U.S.A., ist nun eine weitere Stelle zu besetzen, die ein Mitglied der Liga für rein symbolische Dienste zu einem Wochenlohn von vier Pfund berechtigt. Alle rotschöpfigen Männer, die körperlich und geistig gesund und älter als einundzwanzig Jahre sind, kommen hierfür in Frage. Bewerben Sie sich persönlich am Montag, um elf Uhr, bei Duncan Ross in den Geschäftsräumen der Liga, 7 Pope's Court, Fleet Street.
»Was um alles in der Welt soll das bedeuten?« rief ich aus, nachdem ich diese außergewöhnliche Ankündigung zweimal durchgelesen hatte.
Holmes kicherte und rutschte in seinem Sessel hin und her, wie er es gewöhnlich tat, wenn er bester Laune war. »Das ist ein wenig außerhalb des Üblichen, nicht wahr?« sagte er. »Und nun, Mr. Wilson, schießen Sie los und erzählen Sie uns alles über sich, Ihren Haushalt, und die Auswirkung, die diese Anzeige auf Ihr Leben hatte. Zuerst aber, Doktor, merken Sie sich Zeitung und Datum.«
»Es ist die Morning Chronicle vom 27. April 1890. Nur knapp zwei Monate alt11.«
»Sehr gut. Nun, Mr. Wilson?«
»Also, es ist genau, wie ich es Ihnen erzählt habe, Mr. Sherlock Holmes«, sagte Jabez Wilson. Er wischte sich die Stirn. »Ich habe eine kleine Pfandleihe am Coburg Square, in der Nähe der City. Es ist nichts besonders Großes, und in den letzten Jahren hat es nicht mehr abgeworfen als eben meinen Lebensunterhalt. Früher konnte ich mir einmal zwei Assistenten leisten, jetzt nur noch einen; und auch ihn könnte ich nicht bezahlen, wenn er nicht bereit wäre, für den halben Lohn zu arbeiten, um das Geschäft zu erlernen.«
»Wie heißt dieser entgegenkommende junge Mann?« fragte Sherlock Holmes.
»Sein Name ist Vincent Spaulding, und so jung ist er auch nicht mehr. Sein Alter ist schwer zu schätzen. Einen fähigeren Assistenten könnte ich mir nicht wünschen, Mr. Holmes, und ich weiß sehr wohl, daß er sich verbessern und mindestens das Doppelte von dem verdienen könnte, was ich ihm zahlen kann. Aber was tut's? Wenn er zufrieden ist, warum sollte ich ihm dann Rosinen in den Kopf setzen?«
»Das ist richtig, warum auch? Sie scheinen sehr viel Glück zu haben mit einem Angestellten, der unter dem Marktpreis arbeitet. Das ist in dieser Zeit nicht eben eine verbreitete Erfahrung unter Arbeitgebern. Ich bin nicht sicher, ob Ihr Assistent nicht ebenso bemerkenswert ist wie Ihre Anzeige.«
»Oh, er hat auch seine Fehler«, sagte Mr. Wilson. »Noch nie hat es einen derartigen Liebhaber der Photographie gegeben. Er knipst mit seiner Kamera herum, statt wichtigere Dinge zu lernen, und dann taucht er in den Keller wie ein Kaninchen ins Loch, um seine Bilder zu entwickeln. Das ist sein Hauptfehler; aber insgesamt arbeitet er gut. Er hat keine Laster.«
»Ich nehme an, er ist noch immer bei Ihnen?«
»Ja, Sir. Er und ein vierzehnjähriges Mädchen, das ein wenig kocht und saubermacht – das ist alles, was ich im Hause habe, ich bin nämlich Witwer, und Familie habe ich nie gehabt. Wir leben sehr ruhig, wir drei; wir haben ein Dach über dem Kopf und zahlen unsere Schulden, wenn wir auch sonst nicht viel tun.
Was uns zuallererst verblüfft hat, war diese Anzeige. Spaulding ist heute vor genau acht Wochen mit dieser Zeitung hier in der Hand in den Laden gekommen und sagt: ›Bei Gott, ich wünschte, ich wäre ein Rotschopf, Mr. Wilson.‹
›Warum?‹ frage ich.
›Warum?‹ sagt er. ›Hier, da ist schon wieder eine Stelle bei der Liga der Rotschöpfigen Männer frei. Wer die Stelle bekommt, kann ein nettes Vermögen dabei machen, und soviel ich weiß gibt es mehr freie Stellen als Männer, deshalb wissen die Treuhänder nicht mehr, wohin mit dem Geld. Wenn sich mein Haar nur verfärben wollte, da ist ein schönes gemachtes Bett, in das ich mich gern legen würde.‹
›Was ist denn nun damit?‹ frage ich. Wissen Sie, Mr. Holmes, ich bin ein sehr häuslicher Mann, und weil mein Geschäft zu mir kommt, statt daß ich zu ihm gehen muß, habe ich oft wochenlang den Fuß nicht aus dem Haus gesetzt. Deswegen weiß ich nicht viel über das, was draußen passiert, und bin immer froh über ein paar Neuigkeiten.
›Haben Sie denn noch nie von der Liga der Rothaarigen Männer gehört?‹ fragt er mich mit aufgerissenen Augen.
›Nie.‹
›Also, das verblüfft mich, Sie kommen doch selbst für eine der freien Stellen in Frage.‹
›Und was sind die wert?‹ frage ich.
›Oh, nur ein paar hundert im Jahr, aber die Arbeit ist leicht und braucht einen nicht bei dem zu stören, was man sonst zu tun hat.‹
Sie können sich wohl denken, daß ich die Ohren gespitzt habe, weil mein Geschäft seit einigen Jahren nicht besonders gut war und ein paar hundert extra hätte ich sehr gut gebrauchen können.
›Erzählen Sie mir alles, was Sie wissen‹, sage ich.
›Hier‹, sagt er und zeigt mir die Anzeige, ›da können Sie selbst sehen, daß die Liga eine Stelle frei hat, und da ist die Adresse, wo Sie nach Einzelheiten fragen sollten. Soweit ich das feststellen kann, ist die Liga von einem amerikanischen Millionär, Ezekiah Hopkins, gegründet worden, der reichlich seltsame Gewohnheiten hatte. Er war selbst rothaarig und hatte große Sympathie für alle Rotschöpfe; als er gestorben ist, hat man herausgefunden, daß er sein ganzes riesiges Vermögen Treuhändern hinterlassen hat mit der Anweisung, die Zinsen zu verwenden, um Männern mit dieser Haarfarbe gute und gemütliche Posten zu verschaffen. Nach allem, was ich gehört habe, ist die Bezahlung sehr gut, und man braucht nicht viel zu tun.‹
›Aber‹, sage ich, ›es gibt doch bestimmt Millionen von Rotschöpfen, die sich da bewerben.‹
›Nicht so viele, wie man glauben könnte‹, sagt er. ›Sehen Sie, das Angebot gilt nur für Londoner, und für Erwachsene. Dieser Amerikaner war aus London aufgebrochen, als er jung war, und er wollte dem lieben alten Ort etwas Gutes tun. Außerdem habe ich gehört, man braucht sich nicht erst zu bewerben, wenn man hellrotes oder dunkelrotes und sonst ein anderes Haar als wirklich leuchtendes, flammendes, feuerrotes hat. Also, wenn Sie sich da bewerben würden, Mr. Wilson, dann hätten Sie die Stelle, aber vielleicht ist es für Sie die Mühe nicht wert, für ein paar hundert Pfund Ihre gewohnte Umgebung zu verlassen.‹
Nun ist es, wie Sie selbst sehen können, Gentleman, eine Tatsache, daß mein Haar eine sehr volle, kräftige Farbe hat, deshalb dachte ich, daß ich eine genauso gute Chance wie jeder, den ich je getroffen habe, hätte, wenn es in der Sache einen Wettbewerb geben sollte. Vincent Spaulding schien so viel darüber zu wissen, daß ich mir gedacht habe, er könnte von Nutzen sein, und deshalb habe ihm sofort befohlen, für den Tag die Fensterläden anzubringen und gleich mit mir zu kommen. Er war sehr für einen freien Tag zu haben, also haben wir den Laden geschlossen und uns auf den Weg zu der Anschrift gemacht, die in der Anzeige