Sophienlust Paket 4 – Familienroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
habe gar nicht mehr mit Ihrem Besuch gerechnet. Ich habe geglaubt, dass Sie Ihr Versprechen doch nicht halten würden …«
»Betti wollte auch nicht kommen«, mischte sich Evi ein. »Ich habe es verlangt.«
Seine Miene verfinsterte sich, aber er wandte sich nicht an Betti, sondern an seine Tochter. »Du hättest es nicht verlangen dürfen«, meinte er.
»Aber Betti hatte doch Angst, dass Tante Andrea es nicht erlauben würde!« Evi erzählte nun, dass sie die Initiative übernommen und Tante Andrea um ein paar Tage Urlaub für Betti gebeten hatte.
»Oh, daran habe ich nicht gedacht«, murmelte er. »Ich will Ihnen keine Ungelegenheiten bereiten. Natürlich geht Ihre Arbeit vor.«
»Es ist alles in Ordnung«, versicherte Betti. »Frau von Lehn ist sehr freundlich. Es war töricht von mir, dass ich nicht selbst um Urlaub gebeten habe.«
»Stell dir vor, Vati, wir bleiben noch drei Tage hier. Wir wohnen in einem Hotel«, erklärte Evi. »Eigentlich hätte ich lieber unter der Brücke geschlafen, wie Betti zuerst gesagt hat …«
»Evi! Musst du mich unbedingt blamieren? Es war doch bloß eine dumme Bemerkung, die du nicht ernst nehmen darfst.«
»Aber es ist doch warm draußen, wir würden nicht frieren.« Evi war von dem Thema nicht abzubringen.
Ihr Vater lächelte ihr zu. »Übernachte lieber im Hotel«, meinte er. »Ich glaube nicht, dass es dir unter der Brücke so besonders gut gefallen würde.«
»Aber …«
»Schluss jetzt! Es war ein Scherz von Betti, nichts weiter.« Erich Gleisner sah Betti an. »Ich darf Sie doch auch Betti nennen?«, fragte er ein wenig unsicher.
Betti nickte.
»Ich bin Ihnen so sehr zu Dank verpflichtet«, fuhr er fort. »Aber darüber wollen wir später sprechen. Hier ist nicht der richtige Ort dafür.«
»Sie sind mir nicht zu Dank verpflichtet«, erwiderte Betti und wunderte sich, dass ihre Stimme plötzlich heiser klang. »Was ich getan habe, ist für das Kind geschehen.«
»Warum sind Sie so ablehnend? Übrigens widerspricht man einem Kranken nicht. Es könnte ihn aufregen«, meinte er.
Betti warf ihm einen zweifelnden Blick zu. Sie wusste schon wieder nicht, woran sie mit ihm war.
Evi hatte beschlossen, ihrem Vater von ihren neuesten Erkenntnissen zu erzählen. Aber kaum hatte sie damit begonnen, kam auch schon die Krankenschwester und wies Betti und Evi freundlich, aber bestimmt, aus dem Zimmer.
»Morgen kommen wir wieder, Vati«, versprach Evi.
»Dann also bis morgen.« Erich Gleisner küsste Evi und nickte Betti zu.
Als die beiden wieder auf der Straße standen, fiel Betti ein, dass sie sich gar nicht nach dem Befinden des Patienten erkundigt hatte. Aber am nächsten Tag holte sie diese Frage nach.
»Es geht«, erwiderte Erich Gleisner. »Die Hauptsache ist, ich werde wieder gehen und meinen Dienst ausüben können. Ich kann den Tag, an dem ich wieder im Forsthaus sein werde, kaum erwarten. Dann habe ich endlich die Möglichkeit … Aber halt, es ist verfrüht, darüber zu reden.« Er strich Evi über die Haare. »Bist du immer brav?«, fragte er. »Folgst du deiner lieben Betti?«
»Natürlich folge ich«, entgegnete Evi etwas beleidigt. »Ich bin doch ein braves Kind.«
»Sich selbst zu loben ist nicht schwer. Wir wollen einmal hören, was Betti dazu sagt.«
Betti lächelte und versicherte, dass Evis Eigenlob durchaus der Wahrheit entspreche. »Evi ist wirklich brav und verträglich«, meinte sie. »Obwohl Peterle um vieles jünger ist als sie, spielt sie mit ihm, ohne jemals zu streiten.«
»Ich habe Peterle sehr lieb«, meldete sich Evi. »Es ist so lustig, mit ihm zu spielen. Schade, dass er nicht mein Bruder ist. Ich hätte so gern einen kleinen Bruder. Ich bekomme doch einmal einen, nicht wahr, Vati?«
»Wir wollen abwarten«, meinte er und verbiss sich ein Lächeln.
Betti fand, dass seine Heiterkeit fehl am Platze war. Woher sollte denn das Brüderchen für Evi kommen? Ihr Verlobter Helmut wünschte sich keine Kinder und … Mit einem Schlag kam Betti eine niederschmetternde Tatsache zu Bewusstsein: Sobald Erich Gleisner gesund sein würde, würde er Anspruch auf seine Tochter erheben. Und dann würde er wieder heiraten. Gut aussehend, wie er war, würde es ihm nicht schwerfallen, eine neue Frau zu finden, dachte Betti niedergeschlagen. Evis Wunsch nach einem Brüderchen würde leicht zu erfüllen sein.
»Warum siehst du denn so traurig drein, Betti?«, unterbrach Evi ihre Gedankengänge.
»Ich sehe nicht traurig drein«, verwahrte sich Betti erschrocken. Sie hoffte sehr, dass Erich Gleisner ihre Gedanken nicht erraten hatte. Das wäre ihr zu peinlich gewesen. Schnell lenkte sie das Gespräch in eine andere Richtung, indem sie sich nach dem Ehepaar Haslinger erkundigte.
»Auch Frau Haslinger ist froh, dass ich bald meine Stelle wieder werde einnehmen können. Sie plant bereits ihre Übersiedlung nach München«, erwiderte Erich Gleisner. »Ich war wohl sehr egoistisch …«
Evi beachtete seine Selbstvorwürfe nicht, sondern rief: »Wenn Frau Haslinger ausgezogen ist, werden wir dann wieder Johannisbeersträucher einsetzen?«
»Oh, du undankbares Ding«, entgegnete ihr Vater. »Gefallen dir denn die schönen Blumen nicht?«
»Mann kann sie nicht essen.«
»Bist du aber ein Naschkätzchen!«, sagte er lachend. Doch Betti musste sich dazu zwingen mitzulachen.
*
Als Betti und Evi wieder in Bachenau waren, bemühte sich Betti zwar, ihre Niedergeschlagenheit zu verbergen, aber das gelang ihr nicht restlos.
Helmut Koster fiel ihr Wortkargheit auf. Er meinte: »Nun hast du also deinen Willen durchgesetzt und warst in München, um Herrn Gleisner zu besuchen, aber zufrieden scheinst du noch immer nicht zu sein.«
»Ach, Helmut! Erich Gleisner wird wieder völlig gesund werden.«
»Und das bedrückt dich auf einmal? Du warst doch zuvor so froh, dass die Operation gelungen ist. Wieso ist es dir jetzt nicht recht, dass er gesund wird?«
»Aber es ist mir doch recht! Wie könnte es anders sein?«
»Weshalb benimmst du dich dann so sonderbar? Du läufst mit einem Gesicht wie drei Tage Regenwetter herum. Was ist denn in München passiert?«
»Nichts. Aber sobald Erich Gleisner wiederhergestellt ist, wird er sein Kind zurückverlangen.«
»Nun, das ist sein gutes Recht«, sagte Helmut gelassen.
»Und ich muss Evi hergeben.«
»Ich habe dich von Anfang an gewarnt, Betti. Evi ist nun einmal nicht dein Kind. Damit musst du dich abfinden.«
»Aber ich habe sie so lieb. Ich kann mir nicht vorstellen, wie es ohne sie sein wird«, schluchzte Betti.
Helmut war nahe daran, eine aufbrausende Antwort zu geben, doch dann bezwang er sich und meinte tröstend: »Du wirst dich daran gewöhnen. Ich werde dich für Evis Verlust entschädigen.«
Betti sah ihn überrascht an. Hatte er es sich anders überlegt? Wollte er nun doch bald eigene Kinder haben?
Seine folgenden Worte klangen jedoch nicht danach. »Wenn wir erst bei einem Zirkus untergekommen sind, wirst du sehen, wie bunt und abwechslungsreich das Leben sein kann. Du wirst dann erleichtert sein, dass du dich nicht mit einem Kind abmühen musst.«
Betti stieß einen langen Seufzer aus. Helmut verstand sie nicht, er würde sie nie verstehen. Das bunte und abwechslungsreiche Leben, das seiner Meinung nach vor ihr lag, reizte sie nicht im Mindesten.
*
Evi ahnte nichts von dem Zwiespalt, in dem Betti sich befand. Sie freute sich, dass