Sophienlust Paket 4 – Familienroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
oder Gartenblumen?« Heidi legte den Zeigefinger ans Stupsnäschen, wie immer, wenn sie unschlüssig war.
»Beides. Aber reißt keine Knospen ab!« Das Falten der bunten Servietten ging Pünktchen immer rascher von der Hand.
Irmela und Angelika schleppten bereits die Körbe mit dem Geschirr in den Garten. Es herrschte überall eine fröhliche Betriebsamkeit. Frau Rennert, die ihre Schützlinge überwachte, hatte ihre helle Freude daran.
Zwei Stunden später war alles gerichtet. Vicky und Heidi überprüften stolz ihr Werk und waren ganz sicher, dass die Tische noch nie so schön gewesen waren.
Denise und Alexander waren von Schoeneich herübergekommen, und sogar der Polizeimeister Kirsch war eingeladen worden. Nick hatte einen Ehrenplatz bekommen, und Henrik saß stolz neben ihm. Um dem bewundernswerten älteren Bruder recht ähnlich zu sein, ahmte er Nicks Bewegungen nach.
Während die Köchin Magda große Portionen Erdbeereis und Schlagsahne verteilte, klopfte Hans Strasser an die Kaffeetasse und erhob sich feierlich. Überraschend gut sah er im leichten Sommeranzug mit dem modischen Hemd aus.
»Da wir alle gerade so nett beisammen sind, möchte ich unsere verehrten Gastgeber und euch, liebe Kinder, davon unterrichten, dass Anjas Tante und ich uns gestern verlobt haben.«
Hans sah in lauter lachende, fröhliche Gesichter. Niemand an der hübsch geschmückten Tafel schien überrascht zu sein. Oder war er nicht richtig verstanden worden?
»Grit Möllendiek und ich werden nächsten Monat heiraten und Anja zu uns nehmen«, wiederholte er, ein wenig unsicher geworden.
»Aber das wissen wir ja schon«, platzte Vicky heraus.
»Ja, deshalb haben wir auch den Tisch so schön geschmückt wie zum Geburtstag«, erklärte Heidi und reckte stolz das Köpfchen.
»Dann hat Anja euch schon davon erzählt?« Hans lachte glücklich. Er fasste nach Grits Hand und drückte sie zärtlich.
»Nein, Anja hat nichts verraten. Solche Sachen weiß man in Sophienlust immer im Voraus«, erklärte Pünktchen und blinzelte Nick vielsagend zu.
»Na, hab ich recht gehabt?«, raunte Nick und sah dabei seine Eltern triumphierend an.
»Ist doch gut, dass wir dich haben«, raunte Alexander mit nicht überhörbarem Stolz. Er und Denise erhoben sich, um dem jungen Paar zu gratulieren und ihm von Herzen Glück zu wünschen.
Die Kinder schlossen sich an, und auch Herr Kirsch drückte dem Kollegen wohlwollend die Hand.
Im allgemeinen Durcheinander stibitzte Waldi sich eine Portion Erdbeereis, die Magda auf einem Gartentischchen abgestellt hatte. Als der Diebstahl bemerkt wurde, lag Waldi längst unter dem nahen Fliederstrauch und leckte sich genießerisch die Schnauze.
»War mein Teller«, erklärte Anja großzügig. Sie war heute so glücklich, dass sie ohnehin keinen Bissen hinunterbekommen hätte.
»Du magst also unseren Billy gut leiden?«, fragte Andrea von Lehn den scheuen, stillen Jungen, der das Liliputpferdchen Billy zärtlich umarmte.
Uwe Breuer nickte stumm. Er sagte selten etwas, obwohl Andrea ihn inzwischen schon ganz gut kannte. Der Junge befand sich im Kinderheim Sophienlust, das ihre Mutter, Denise von Schoenecker, leitete. Mit seinen sieben Jahren hatte er schon allerlei Bitteres erlebt.
Uwe stammte von einem Gut in der Lüneburger Heide. Im Tierheim Waldi & Co. tröstete er sich über sein Heimweh nach den zahmen Tieren auf dem Heidehof hinweg. Vor allem das Liliputpferdchen hatte es ihm angetan. Immer wieder kehrte er von den Schimpansen, der Braunbärin und den anderen Insassen des Tierheims Waldi & Co., das von Andrea gegründet worden war, zu dem winzigen Hengst zurück.
Auf dem elterlichen Gut Heidehof gab es zwei Ponys, Max und Moritz. Diese liebte Uwe ganz besonders. Auch das Kinderheim Sophienlust besaß Ponys, auf denen die Kinder nach Herzenslust reiten konnten, aber damit hatte es eine besondere Bewandtnis. Wenn Uwe die Ponys anschaute, musste er immer beinahe weinen. Doch er wollte nicht weinen, weil Tante Isi, Tante Ma, Schwester Regine und alle Kinder immer so lieb zu ihm waren und wünschten, dass er fröhlich sei. Aber wie konnte er fröhlich sein, wenn ihm das Herz so unendlich schwer war?
Hier, bei Tante Andrea von Lehn, im Tierheim Waldi & Co., war es still und gemütlich. Es roch nach Heu, Stroh und Futtermitteln. Die Schimpansenjungen Batu und Luja trieben ihre Scherze, und die Braunbärin Isabell spielte mit ihren Kindern Taps und Tölpel, die inzwischen schon zu beachtlicher Größe herangewachsen waren. Die zahme Dohle saß faul auf ihrer Stange und blinzelte, nur Bambi, das Reh, ließ sich wie üblich nicht sehen. Es hatte sich irgendwo im weitläufigen Freigehege des Tierheims versteckt. Billy, das Liliputpferdchen, kam dagegen immer zutraulich auf Uwe zu. Es spürte genau, dass ihm viel Liebe und aufrichtige Zuneigung von dem Jungen entgegengebracht wurden, dessen lustige Sommersprossen durchaus nicht zu seinem stets ein wenig betrübten Gesichtchen passen wollten.
Andrea von Lehn hockte sich zu Uwe auf den Boden. Sie strich sanft über das etwas strubbelige Haar des Buben. »Eigentlich wollte ich mit Billy immer eine Zucht beginnen«, erzählte sie. »Aber es ist nie etwas daraus geworden, weil mir die Zeit fehlte, mich um die Beschaffung weiterer kleiner Pferde zu kümmern.«
»Hm, du hast ja auch genug anderes zu tun.« Uwe nickte. Er sah in diesem Moment aus wie ein kleiner Erwachsener, der alles verstand. »Du bist verheiratet und hilfst deinem Mann in der Tierarztpraxis, und du hast das Peterle, das viel Arbeit macht. Außerdem ist das Tierheim da. Alles kann Helmut Koster hier schließlich auch nicht machen. Ich weiß von meiner Mutti, dass man sich selber um eine Sache kümmern muss, wenn sie klappen soll.«
»Stimmt, Uwe. Du weißt gut Bescheid.« Es war geradezu erstaunlich, dass Uwe auf einmal so viel gesagt hatte. Andrea war froh darüber, denn ihre Mutter und Frau Rennert, die bewährte Heimleiterin in Sophienlust, machten sich Sorgen um den stillen, in sich gekehrten Jungen, der allzu viel von den Ehestreitigkeiten zwischen seinen Eltern mitbekommen hatte. Durch die Vermittlung von Freunden seiner Mutter war der Junge nun seit einiger Zeit in Sophienlust. Er sollte sich erholen und ein wenig von dem vergessen, was er mit angesehen und mitgehört hatte. All das war durchaus nicht für ein Kind geeignet gewesen und hatte sein junges, zartes Gemüt belastet.
»Vielleicht schaffst du es später einmal mit der Zucht von Liliputpferdchen. Es müsste gehen, und man brauchte gar nicht allzu viel Platz für die Pferdchen, weil sie so klein sind«, erklärte Uwe nachdenklich.
»Ich habe Billy seinerzeit einem Pferdezüchter abgehandelt«, erzählte die junge Frau lächelnd. »Unser kleiner Freund stammt aus Amerika, und zwar aus Texas.«
»Toll«, staunte Uwe. »Wirklich toll.«
Er nickte und streichelte das Tierchen. In diesem Augenblick rief jemand: »Uwe, kommst du mit zurück nach Sophienlust?«
Es war Andreas jüngster Bruder Henrik, der herbeieilte. Uwe und Henrik waren auf Fahrrädern vom Kinderheim nach Bachenau gekommen, um Andrea und das Tierheim zu besuchen. Nun hatte sich Henrik an dem berühmten Apfelkuchen seiner Schwester gründlich sattgegessen und wollte wieder zurück, denn auf seiner Seele lasteten noch ein paar Schulaufgaben, die erledigt sein wollten.
»Ja, ich komme, Henrik.«
Henrik war das einzige Kind, an das Uwe sich ein wenig angeschlossen hatte. So war es kein Wunder, dass Henrik, der seine Rolle als Betreuer neuer Heimkinder äußerst wichtig nahm, für seine Schulaufgaben nicht immer die nötige Ruhe fand. Erstens wohnte er nicht in Sophienlust, sondern auf dem Nachbargut Schoeneich bei seinen Eltern. Zweitens hatte er eine Menge anderer Interessen. Er ritt für sein Leben gern und beschäftigte sich im Übrigen mit Begeisterung mit den Belangen der Landwirtschaft, die die Güter Sophienlust und Schoeneich betrafen. Sein Vater, Alexander von Schoenecker, leitete beide Güter. Manchmal wunderte sich Henrik, wie viel seine Eltern leisteten. Denise von Schoenecker,