Sophienlust Paket 4 – Familienroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
Großmeier so etwas sagt, dann ist Verlass darauf. Ich habe aber gestern Abend zuerst noch die Konten durchgerechnet, deshalb habe ich es Ihnen auch nicht sofort ausgerichtet, Frau Beate.«
»Unser neunmalkluger, vorsichtiger Jan«, sagte Beate lächelnd. »So bist du schon immer gewesen. Also, ich werde zum Wochenende nach Sophienlust fahren, wenn du es für richtig hältst.«
»Jawohl, es ist richtig«, sagte der weißhaarige Verwalter eifrig. »Was hätte es denn für einen Sinn, wenn Sie sich bloß für den Heidehof abplagen würden und dabei nach und nach gar nicht mehr wüssten, für wen sie das eigentlich tun? Es ist doch für unseren Uwe.«
»Du hast recht, ich muss mich auch um den Jungen kümmern. Ich danke dir, alter Jan, dass du mich darauf aufmerksam gemacht hast.«
So fuhr Beate Breuer schon am Freitagmorgen nach Sophienlust und erhielt auf diese Weise Gelegenheit, nicht nur Gunhild Rhode, sondern auch deren Vater kennenzulernen.
Dr. Rhode und Beate Breuer begegneten sich im Park von Sophienlust, als sie beide auf der Suche nach ihrem Sprössling waren. Gert Rhode war von der Schönheit der schlanken jungen Frau betroffen. Ein wenig erinnerte sie ihn an seine geliebte Gladys. Ähnliches hatte er bisher noch nie beim Anblick einer Frau gedacht, seit er seine Lebensgefährtin verloren hatte.
Uwe und Gunni spielten im Sand. Uwe hatte für das kleine Mädchen eine Sandburg aus Wasser und Sand erbaut und bevölkerte diese eben mit Spielfiguren.
»Mutti«, schrie er auf, als er Beate plötzlich vor sich sah. »Du hast doch gar nicht gesagt, dass du kommst.«
Er warf die bunten Figuren um und beschädigte seine kunstvolle Sandburg, ohne darauf zu achten. Mit schmutzigen Händen umarmte er Beate und blickte sie strahlend an, wobei es seiner Aufmerksamkeit entging, dass seine Hände und Unterarme auf ihrem hellen Kleid deutliche Spuren zurückließen.
Auch Gunni wandte sich sofort ihrem Vater zu. »Willst du mich abholen, Vati?«, piepste sie mit ihrem hellen Stimmchen. »Wir spielen nämlich gerade so schön. Willst du nicht mitspielen?«
Es war vereinbart gewesen, dass Gunni mit ihrem Vater einen kleinen Ausflug unternehmen sollte. Auch Uwe sollte mit von der Partie sein. Das Ziel war ein Schlossgut, nicht allzu weit entfernt, wo Dr. von Lehn ein erkranktes Rassepferd behandeln musste, bei deren Besitzerin, einer freundlichen älteren Dame, anschließend Tee getrunken werden sollte.
»Wir sind eingeladen, Gunni. Ich glaube, wir müssen Schwester Regine bitten, dir die Hände zu waschen und ein anderes Kleid anzuziehen. So kann ich dich nicht mitnehmen.«
»Ich fahre nicht mit, Onkel Gert«, erklärte Uwe selig. »Jetzt, da meine Mutter hier ist, habe ich keine Zeit.«
»Dann habe ich natürlich auch keine Zeit«, erklärte Gunni, die immer wieder ihr Lieblingswort zur Anwendung brachte.
»Uwe möchte vielleicht mit seiner Mutter ein bisschen ungestört sein, Gunni«, gab Gert Rhode zu bedenken und warf Beate einen fragenden, etwas unsicheren Blick zu.
Uwe schob die Unterlippe vor. »Ich möchte das kranke Pferdchen eigentlich doch gern sehen, Mutti. Kannst du nicht mitkommen? Es ist nämlich nicht so genau verabredet, wie viele Leute zum Tee hinkommen. Onkel Hans-Joachim hat einfach gesagt, er bringt ein paar Leute mit. Tante Isi ist auch dabei. Es fahren zwei Autos, denn Nick und Henrik wollen ebenfalls mit.«
»Aber ich bin eine Fremde.« Nun war es Beate, die nicht recht wusste, wie sie sich in dieser Lage entscheiden sollte.
»Du bist gar nicht fremd, sondern du bist meine Mutti«, widersprach Uwe ihr überzeugt. »Wir fragen Tante Isi. Die weiß bestimmt, was richtig ist. Ich möchte mit dir beisammen sein, und ich möchte das Pferd sehen. Deshalb ist es eigentlich ganz klar, dass du mitkommen musst.«
Eine halbe Stunde später war die Frage geklärt. Denise von Schoenecker, die Beate Breuer mit großer Herzlichkeit willkommen hieß, versicherte ihr, dass sie auf Schoenborn gewiss allesamt willkommen seien. Sie kenne die Gutsherrin so genau, dass sie sich dafür verbürgen könne, diese werde eine Besucherin mehr nur zu gern aufnehmen.
»Sie sind mir hoffentlich nicht böse, dass ich Sie überraschend hier überfalle«, sagte Beate leise. »Gestern Abend, als ich mich zu der Fahrt entschloss, war es schon zu spät, um noch anzurufen, und heute früh bin ich bereits so zeitig aufgebrochen, dass ich Hemmungen hatte, hier zu stören. Dann fiel mir ein, dass eine Überraschung für Uwe auch einmal lustig sein könnte.«
»Das haben Sie recht gemacht, liebe Frau Breuer. Bei uns ist immer Platz für einen Gast. Umständliche Anmeldungen sind nicht unbedingt erforderlich.«
Beate Breuer fühlte sich auch diesmal in Sophienlust wie in einer zweiten Heimat. Hans-Joachim von Lehn kam mit seinem Wagen, um seine Schwiegermutter und seine beiden jungen Schwager abzuholen. Es ergab sich wie von selbst, dass Dr. Rhode Beate Breuer aufforderte, mit ihrem Jungen zu ihm ins Auto einzusteigen.
Auf der Fahrt durch das waldreiche, etwas hügelige Land kamen sie ins Gespräch, denn Uwe und Gunni beschäftigten sich wie immer auf ihre Weise. Da war von Mumps, dem Igel, und seiner zahlreichen Familie auf dem Rücksitz die Rede und auch von Billy, dem Liliputpferdchen aus Texas. Von der Unterhaltung der Erwachsenen schienen die Kinder keine Notiz zu nehmen.
»Frau von Schoenecker hat mir schon von der Freundschaft zwischen Gunni und Uwe berichtet, Dr. Rhode«, sagte Beate leise. »Ich bin froh und glücklich, dass mein Junge nun endlich etwas auftaut. Er hatte Schwierigkeiten, sich in Sophienlust einzuleben. Das Heimweh machte ihm zu schaffen.«
»Bei meiner Gunhild steht dieser Test noch aus. Ich habe mich entschlossen, sie für einige Zeit in Sophienlust zu lassen. Vorläufig verbringe ich einen kurzen Urlaub bei der Familie von Lehn in Bachenau. Gunnis Aufenthalt war zunächst nur für diese Woche gedacht. Aber nun wird sie länger bleiben.«
»Ich bin zuversichtlich, dass es Ihrer Kleinen weiterhin gefallen wird. Es wäre für meinen Uwe sicherlich bedauerlich, wenn sie schon wieder fortginge.«
»Frau von Schoenecker hat eine besonders glückliche Hand mit Kindern. Meine Gunni wird zwar daheim gut versorgt, aber sie entbehrt die liebende Mutter. Meine Frau ist leider gestorben.« Den letzten Satz sagte Gert Rhode so leise, dass er ganz gewiss im Fond des Wagens nicht zu verstehen war.
»Das tut mir schrecklich leid. Was für ein tragisches Schicksal. Gunni ist noch so klein.«
»Sie ist so jung, dass sie nicht weiß, was sie vermisst. Sie ist fröhlich und aufgeschlossen. In Sophienlust hat sich erwiesen, dass sie mit geradezu spielerischer Leichtigkeit Kontakte zu anderen Kindern schließt. Sie scheint das Naturell ihrer Mutter geerbt zu haben. Das ist eine wahre Gottesgabe. Ich bin dankbar dafür. Aber, um auf den Ausgangspunkt zurückzukommen: Ich möchte Gunni unter allen Umständen eine Weile in Sophienlust unterbringen. Denn ich sehe, dass ihr der Umgang mit anderen Kindern und mit Tieren guttut. Ich habe allzu lange nur an mich selbst gedacht und dabei übersehen, dass auch das Kind zu seinem Recht kommen muss. Außerdem ist der Weg von Fulda nach Sophienlust nicht allzu weit, sodass ich Gunni jederzeit besuchen kann. Zu Hause habe ich kaum mehr von ihr gehabt, denn meist schlief sie morgens noch, wenn ich in die Praxis musste, und am Abend lag sie oft genug schon wieder im Bett, wenn ich zurückkam. Ein idealer Zustand war das nicht.«
»Uwe interessiert sich sehr für Ihren Beruf«, sagte Beate und lächelte, weil sie nun sicher sein konnte, dass Uwes kleine Freundin im Heim bleiben würde. »Er hat mit Dr. von Lehn und dessen reizender Frau herzliche Freundschaft geschlossen und schwärmt vor allem für Pferde. Deshalb will er ja heute unbedingt das kranke Pferd in Schoenborn sehen.«
Gert Rhode holte einmal tief Atem. »Es ist ja auch ein schöner und wichtiger Beruf. Allerdings wäre ich lieber in einer ländlichen Tierarztpraxis. In der Stadt beschäftigt man sich mit Kanarienvögeln, Schildkröten, Blindschleichen, Goldhamstern, Dackeln und Katzen. Gut und schön. Ich habe nichts dagegen, aber eine echte Landpraxis mit Vorsorge-Impfungen von Vieh, mit Betreuung von ganzen Ställen, mit Milchwirtschaftsproblemen und so weiter – das hat mir eigentlich immer vorgeschwebt. Doch am Ende ist es eine Stadtpraxis in Fulda geworden, viel zu ausgedehnt für meinen