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Das Erbe der Macht - Die Chronik der Archivarin 2: Auf der Suche nach H. G. Wells. Andreas SuchanekЧитать онлайн книгу.

Das Erbe der Macht - Die Chronik der Archivarin 2: Auf der Suche nach H. G. Wells - Andreas Suchanek


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längst.

      »Was ist los?«, fragte er.

      Wann hatte sie seine Augen zuletzt gesehen, ohne dass Angst darin stand?

      »Es ist gut«, erwiderte sie. »Weiter.«

      »Warte hier, ich renne voraus und suche einen Ausgang.«

      »Aber …«

      Schon war er auf dem Weg. Wie immer, wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, von der inneren Leidenschaft angetrieben wurde. Sie ließ ihn gewähren, war froh, dass er die Lethargie überwand.

      Ally spürte genau, wohin sie gehen mussten. Mit wackligen Beinen schritt sie den Gang entlang auf einen der Durchgänge zu. Dahinter hatte jemand ein Stofftuch über Gerümpel gespannt. Einstmals war es weiß gewesen, doch längst von fingerdickem Staub bedeckt.

      Sie griff nach dem Tuch und riss es fort.

      Hustend wedelte Ally mit der Hand, der Staub verteilte sich überall. Sie blinzelte, rieb sich die Augen. Im Dämmerlicht stand eine seltsame Apparatur.

      Ein wenig erinnerte sie an einen Schlitten. Es gab Hebel, an denen man ziehen konnte, Zahnräder drehten sich zwischen dem Holz. Eine Zeitanzeige war angebracht, erloschene Kristalle an allen vier Seiten.

      »Es gibt keinen Ausgang!«, rief Harry und erschien neben ihr. »Was ist das?«

      Ally ging schweigend näher. Die Kristalle leuchteten auf, Zahnräder drehten sich schneller. Ein Blitz ging von ihr aus und schlug in der Maschine ein.

      Harry sprang zurück. »Was ist das?« Er starrte weiter auf die Apparatur.

      Den Blitz hatte er nicht gesehen? So war es auch damals gewesen. Als Ally zum ersten Mal etwas hatte schweben lassen, war sie aufgeregt zu ihrer Mutter gelaufen. Doch die hatte es nicht sehen können. Stattdessen beharrte sie darauf, dass die Puppe an einer Schnur hing.

      Das Wabern in Ally wurde stärker. Verschlungene Linien tanzten. »Sigil«, hauchte sie.

      »Was?« Verwirrt runzelte Harry die Stirn. »Oh nein. Das hast du damals auch gesagt. Ally, das ist nicht echt. Du hast wieder einen hysterischen Anfall.«

      Eine Kugel schlug direkt neben ihrem Bruder in die Wand, Stein spritzte auf.

      Er sprang in den Raum. »Es ist vorbei. Sie werden uns erschießen und zwischen dem Gerümpel verschwinden lassen.« Er rannte zu den Kisten und räumte sie beiseite. »Vielleicht finden wir eine Waffe.«

      »Im Keller einer Kirche?«, fragte Ally skeptisch.

      Doch sie ließ ihn machen.

      Seltsam, obgleich die Deutschen in wenigen Sekunden hier sein würden, verspürte sie keine Angst.

      »Ich beschütze dich und dann suchen wir einen Arzt«, sagte Harry. »Es wird alles gut.«

      »Ja, das wird es.«

      Er stieg in den Schlitten, um an die Kisten dahinter zu gelangen. Dass diese seltsame Apparatur bis vor wenigen Sekunden nicht mehr gewesen war als eine Ansammlung von Holz und Metall, war ihm egal.

      Ally stieg ebenfalls ein.

      Die Männer tauchten im Durchgang auf.

      »Contego«, sagte sie und malte ein Symbol in die Luft.

      So viel hatte sie vergessen, was zuvor klar gewesen war, doch ein paar wenige Worte hatten sich dauerhaft eingeprägt. Wie der Schutz, mit dem sie sich vor den Schlägen der anderen Mädchen so oft verteidigt hatte.

      Die Nazis schossen, doch ihre Kugeln schlugen ohne Wirkung in die halb durchsichtige Sphäre.

      Harry starrte auf die Mündungen. »Sie können nicht zielen.«

      Was in keiner Weise Sinn ergab, denn ihre Häscher standen nur wenige Schritte entfernt.

      »Schutzrüstungen«, rief einer der Nazis.

      Beinahe hätte Ally die Augen verdreht. Und sie wurde als hysterisch bezeichnet … Doch sie wollte sich nicht beschweren, das Schicksal stand auf ihrer Seite.

      Harry hatte einen unterarmlangen Holzleuchter entdeckt, den er wie einen Cricketschläger schwang. »Lasst uns in Ruhe!«

      Ally zog an dem Hebel.

      Einfach so, weil nur das einen Sinn ergab. Und weil das Sigil ihr zuflüsterte, genau das zu tun. Nicht dass sie viel Hoffnung in einen Schlitten setzte.

      Doch die Zahnräder begannen zu klacken und zu surren, die Kristalle verströmten ein überirdisches Licht. Die Umgebung lag plötzlich hinter einem farbigen Wabern, wirkte diffus und surreal.

      Ihr Schutz vor dem Raum erlosch. Die Männer legten erneut an, richteten die Mündung der Gewehre auf Ally und Harry. Kugeln lösten sich aus den Läufen.

      Doch sie verharrten in der Luft.

      Genau wie die Nazis in der Bewegung gefroren.

      »Wieso starren sie uns mit diesem debilen Lächeln an?«, fragte Harry, die Stirn gerunzelt, den Schläger erhoben.

      »Setz dich.« Ally wartete nicht, bis er Folge leistete, sondern drückte ihn auf den Sitz.

      »Deine Hysterie …«, begann ihr Bruder.

      Doch als die Umgebung verschwand, farbiges Licht sie umgab und der Schlitten sie davontrug, war er es, der hysterisch brüllte. Die Apparatur trug sie in Sicherheit, wie das Sigil es vermittelt hatte.

      Doch was mochte sie am Ziel erwarten?

Das Erbe der Macht - Die Chronik der Archivarin 2:Kapitel 2

      Harry brüllte noch immer, als die Apparatur bereits herunterfuhr. Die Zahnräder drehten sich langsamer, das Leuchten der Kristalle erlosch.

      »Was war das?!« Er sprang aus der Apparatur, sah sich verwirrt um. »Das ist nicht mehr der Keller unter der Kirche!«

      Ally stieg ebenfalls aus. Nein, das hier war unebenes Gestein und es stank. Eine Kirche war es sicher nicht. Der Schlitten hatte sie an einen gänzlich fremden Ort getragen.

      »Woher wusstest du es?«, fragte Harry.

      »Es war Zufall …«

      »Hör auf zu lügen. Wir wären gestorben, wenn das Ding uns nicht gerettet hätte. Wie ist das möglich?«

      Sie wollte Harry am Kragen packen und ordentlich durchschütteln. Natürlich hätte das sein Hemd zerknittert, die ohnehin schäbige Weste möglicherweise eingerissen und damit Aufmerksamkeit auf sie gezogen.

      »Es war wohl ein hysterischer Anfall.«

      »Das ist nicht der richtige Augenblick für Witze«, sagte er. »Vielleicht sind wir direkt in Berlin gelandet.«

      Die Realität vertrieb jede Art von Neugier.

      Sie mussten herausfinden, wo sie waren. Glücklicherweise war der Stollen eindeutig abgelegen. Falls er zu einem größeren Keller oder etwas Gleichartigem gehörte, dann war es kein Problem.

      Trotzdem gab sie dem inneren Drang erneut nach, malte ein Zeichen in die Luft und sagte: »Generate Mirage.«

      Noch während die Apparatur das Aussehen eines gewaltigen Steinbrockens annahm, sprang Harry zurück. »Was war das?! Die Luft, sie hat gebrannt. Und die Apparatur!«

      »Du … hast es gesehen?«

      »Wie kann man so was nicht sehen?!«

      »Genau das frage ich mich seit Jahren!«, rief Ally. »Ständig hast du gesagt, ich wäre hysterisch.«

      Nun wirkte Harry traurig. »Aber das war doch nicht ich.«

      Es stimmte, ihre Eltern hatten es gesagt. Harry, nur zwei Jahre älter als sie, hatte es aufgegriffen mit seinen acht Jahren.

      »Deshalb haben sie uns nicht getroffen«, realisierte er. »Die Kugeln


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