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LEICHENSCHMAUS. Christina UngerЧитать онлайн книгу.

LEICHENSCHMAUS - Christina Unger


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geben, hole ich das Zubehör.«

      Ohne die Antwort abzuwarten, war Herr Fingerlos zu seinem Lieferwagen geeilt und kehrte vollgepackt wie ein Maulesel zurück.

      »Kommen Sie rein!«, drängte Gertrud, die Angst hatte, Herr Fingerlos könnte von einem der Nachbarn entführt werden.

      Carla trat zur Seite und Herr Fingerlos hievte das Ungetüm mitsamt mehreren Verlängerungsrohren, Bürsten, Kämmen und Düsen ins Vorzimmer.

      »Hier geht’s ins Wohnzimmer«, wies Gertrud aufgeregt den Weg. »Da haben wir mehr Platz.«

      Herr Fingerlos breitete sich auf dem schönen Parkettboden aus und bald erinnerte das Wohnzimmer an eine Vorführung wie auf der Wiener Haushaltsmesse.

      »Ich muss Sie bitten, mir das Badezimmer zu zeigen. Power Star arbeitet nämlich mit einem Wasserfiltersystem. Kein Staubbeutel, daher auch kein Staub. Stauballergiker können aufatmen. Wasser wegleeren, fertig, Ende Gelände.«

      Als er aus dem Badezimmer zurückkehrte, zeigte ihm Gertrud die Steckdose und er schloss das Gerät an den Strom an. Dann nahm er geradezu majestätisch einen Gegenstand in die Hand und setzte ihn mit einem kurzen Klick auf das Rohr.

      »Hier ist unsere neueste wissenschaftliche Errungenschaft«, sagte er mit einer Stimme, die vor Ehrfurcht geradezu bebte. »Eine Turbobürste gegen Tierhaare!«

      »Unsere Katze ist kürzlich verstorben …«

      »Katzenhaare halten sich noch viele Jahre im Haus«, widersprach Herr Fingerlos, legte aber die Turbobürste unauffällig beiseite und bückte sich nach der nächsten Erfindung der Firma Clean Star. »Und das ist unsere Milbendüse …«

      »Wir haben keine Milben«, wehrte Carla ab.

      »Oh, Sie würden sich wundern! Aber nichts für ungut, gnädige Frau, Milben haben mit mangelnder Hygiene auch überhaupt nichts zu tun. Diese Viecher sind einfach überall. Auch in den besten Hotels der Welt – gerade dort! Wenn die Menschheit erst einmal ausgestorben ist, wird es die Milben immer noch geben. Aber das werde ich Ihnen später noch demonstrieren. Hier habe ich die Parkettbürste, unsere Hartbodendüse mit LED-Aufsatz, unsere flexible Fugendüse und die Polsterdüse. Das ist unser Dampfreiniger, unser Luftreiniger, das Fenstersauger-Zubehör …«

      Gertrud bekam Schnappatmung und musste sich setzen. Nie und nimmer konnte sie selbst sich ein derartiges Luxusgerät leisten! Inständig hoffte sie daher, bei den Burkhardts wenigstens zwei bis drei Stunden in der Woche dieses Wunderwerk der Firma Clean Star bedienen zu dürfen. Bisher hatte sie den Staubsauger der Marke Siemens hinter sich hergezogen wie einen alten störrischen Esel. Frau Burkhardt musste ihr unbedingt dieses neue Gerät kaufen.

      »Stellen Sie sich das nur vor, Frau Carla!«, rief sie. »Mit diesem Gerät kann ich nicht nur saugen, sondern auch die Teppiche schäumen und waschen, die Luft beduften und sogar die Fenster putzen!«

      Da Carlas Miene trotz Herrn Fingerlos‘ perfekter Show noch immer keine Spur von Einknicken zeigte, packte Herr Fingerlos seinen vorletzten Triumph aus. Mit theatralischer Stimme, so als stünde er auf einer Theaterbühne, forderte er: »Bitte zeigen Sie mir den hartnäckigsten Fleck, den Sie finden können!«

      Augenblicklich fiel Gertrud ein Dutzend hartnäckiger Flecken ein. Sie führte Herrn Fingerlos zu dem allerhartnäckigsten unter dem Couchtisch, und zeigte atemlos auf einen Punkt im Durchmesser von etwa einem halben Zentimeter.

      »Da!«, rief sie angeekelt, überzeugt, dass Herr Fingerlos diesen Schandfleck nie und nimmer zum Verschwinden bringen konnte, egal, wie sehr er auch zauberte.

      Unter geringschätzigem Lächeln nahm Herr Fingerlos die Bodendüse ab und tauschte sie geschickt gegen die Turbo-Teppichbürstendüse aus. Damit fuhr er ein paar Mal über den Fleck und – Schwuppdiwupp! – der Fleck war weg.

      Gertrud schaute drein, als hätte sie einen Geist gesehen. »Das … das gibt’s doch gar nicht!«, keuchte sie. Sie kniete sogar nieder und suchte nach Restspuren, aber es half nichts – der Fleck war weg!

      »Ich wusste nicht einmal, dass da ein Fleck war«, murmelte Carla verwirrt.

      Herr Fingerlos drehte siegesgewiss am Staubsaugerrohr und lächelte gütig. »Habe ich zu viel versprochen?«

      »Ich bin ehrlich überrascht«, brachte Carla hervor. »Eine großartige Leistung!« Und nach einer Weile, in der sie von Gertrud regelrecht hypnotisiert wurde, fragte sie, von den erwartungsvollen Rosinenaugen geradezu zermürbt: »Und was kostet dieses Gerät?«

      Augenblicklich zückte Herr Fingerlos sein Tablet. »Darf ich mich setzen?«, fragte er und saß auch schon.

      Erschöpft nickte Carlas Kopf ihm hinterher.

      Herr Fingerlos hackte eine ganze Weile auf dem Tablet herum, rechnete und nickte, dann schüttelte er wiederum den Kopf, dazwischen summte er eine Melodie, um schließlich hochzublicken und zu verkünden: »Ein Schnäppchen! Wenn Sie unseren Power Star noch heute bestellen, kann ich Ihnen ganze zehn Prozent vom Preis nachlassen. Was sagen Sie dazu?« Von sich selbst begeistert, blickte er Carla erwartungsvoll an.

      »Zehn Prozent von wie viel?«, fragte Carla ermattet.

      Herr Fingerlos senkte wieder den Kopf, hackte neuerlich auf seinem Tablet herum und verkündete: »Nur heute und nur für Sie: 1.920 Euro! Eine einmalige Okkasion!« Herr Fingerlos blickte so stolz, als hätte er den Nobelpreis für Staubsauger erhalten.

      Carla schluckte. »1.920 Euro?«, brachte sie hervor. »Das ist ein Vermögen für einen Staubsauger.«

      »Nicht für Power Star! Hier bekommen Sie ein Multigerät der Marke Weltmeister!«

      Gertruds Blick deutete an, dass sie jeden Moment in Ohnmacht fallen würde, sollte ihr der Staubsauger verwehrt bleiben.

      Carla musste sich abwenden.

      »Und mit diesem extra Aufsatz der Turbo-Teppichbürstendüse kostet er die Kleinigkeit von 2.219!«

      »Die Turbodüse ist im Preis noch gar nicht inbegriffen?« Carla war schockiert.

      »Dafür bekommen Sie etwas anderes gratis dazu, quasi das i-Tüpfelchen von Power Star! Ich führe Ihnen etwas vor, wenn Sie erlauben.«

      Carla erhob sich schwankend von der Couch. »Es tut mir leid, Herr Fingerlos, ich habe keine 2.219 Euro für einen Staubsauger, noch dazu, wo ich doch einen im Keller habe!«

      Ein Blick hin zu Gertrud, die sich an der Wand festhielt, verriet ihr, dass sie in Kürze den Notarzt würde rufen müssen, sollte sie in der Sache hart bleiben.

      Auch Herr Fingerlos setzte diesen ganz bestimmten Blick auf, so als wäre sie verantwortlich dafür, wenn bald ein Mensch durch ihre Schuld auf dem OP-Tisch landen würde – kalt, herzlos und selbstsüchtig wie sie war!

      Sie schauderte. »Was muss ich tun?«, flüsterte sie mit schwacher Stimme.

      »Führen Sie mich in Ihr Schlafzimmer«, befahl Herr Fingerlos.

      »Bitte was?« Plötzlich war Gertrud hellwach. »Was erlauben Sie sich …?«

      Nun schlug die Stunde eines guten Verkäufers. Herr Fingerlos lächelte souverän. »Ich führe Ihnen etwas vor, was für immer den letzten Zweifel an unserem Gerät ausräumen wird.«

      »Wir sind zu zweit«, raunte Gertrud Carla ins Ohr. »Uns passiert schon nix.«

      »Es dauert auch nur drei Minuten«, versprach Herr Fingerlos. »Und dann ist Ihr Weltbild ein anderes.«

      Carla erhob sich ächzend. »Dafür müssen wir in den ersten Stock.«

      »Vorher muss ich noch frisches Wasser einfüllen, wenn Sie gestatten.«

      Herr Fingerlos enteilte in das ihm bereits bekannte Badezimmer. Als er mit frischem Wasser im Behälter zurückkam, ging Carla ihm in den ersten Stock voran. Herr Fingerlos trug den Monster-Staubsauger über die Wendeltreppe hinauf, als wäre er so leicht wie eine Feder. Gertrud hechelte hinter den beiden her. Carla


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