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LEICHENSCHMAUS. Christina UngerЧитать онлайн книгу.

LEICHENSCHMAUS - Christina Unger


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begegnen, hätte er sich wahrscheinlich vor ihr gefürchtet. Diese Vampiraugen, die schwarz geschminkten Lippen, ihre ganze Aufmachung. Er blähte die Nasenflügel und schnüffelte die Luft in ihrem Dunstkreis. Irgendwie umgab das Mädchen ein faulig-süßlicher Geruch, wie er ihn schon im Haus festgestellt hatte. Lag das an der Leiche drinnen oder verwendete sie ein ganz abgefahrenes Parfüm? Er fragte sich, wie sie wohl unter der Schminke und dem ganzen Drumherum aussah, und vermutete, dass sie sogar recht hübsch war. Einmal kurz unter die Dusche gestellt, und sie könnte sogar sehr gut riechen …

      Er räusperte sich und sagte streng: »Mord ist nicht Juhu! Mord ist ein Verbrechen!«

      »Ist eine Katze in Ihren Augen kein Lebewesen und der Wallner deshalb kein Mörder?«, schrie Stefanie und ließ jeden Respekt vor der Amtsperson vermissen.

      »Doch, ich mag Katzen, aber vor dem Gesetz wiegt ein Menschenleben mehr.«

      »Vor eurem Gesetz ist ein Tier nur eine Sache, irgendeine Ware! Ich finde das zum Kotzen!«

      Carla Burkhardt sah sich gezwungen, einzuschreiten. »Steffi! Jetzt reicht’s.«

      Martin Burkhardt sah deutlich angespannt aus und wollte die Angelegenheit so schnell wie möglich hinter sich bringen. Sohn Tobias trat von einem Bein aufs andere und schielte andauernd auf sein Smartphone. Nur Frau Klampfl war ganz aufseiten des Mädchens und schien sich direkt wohlzufühlen.

      Paul verkündete: »Ich muss Sie bitten, mit mir auf die Polizeiwache zu kommen …«

      »Und was sollen wir dort?«, rief Stefanie.

      »Ich brauche Ihre Aussage.«

      »Wir wissen nicht, wer Herrn Wallner ermordet hat«, mischte sich nun Martin Burkhardt ein, der bislang kein Wort gesagt hatte und zurück in sein Arbeitszimmer wollte.

      »Aber es war Ihre Katze und im Haus von Herrn Wallner konnten wir tatsächlich eine Falle sichern …«

      Stefanie triumphierte. »Wusste ich‘s doch! Das ist der Beweis, dass der Wallner meinen Blacky ermordet hat!«

      »Und genau deswegen haben Sie ein Mordmotiv!«

      Augenblicklich senkte sich Stille über die Burkhardts.

      »Bitte w...was haben wir?«, stotterte Tobias. Er hatte ganz sicher kein Motiv!

      »Es tut mir leid, aber vor zwei Tagen hat sich ein Mitglied Ihrer Familie …« Paul richtete einen bohrenden Blick auf Stefanie, »Herrn Wallner tot gewünscht, und jetzt ist er tatsächlich tot. Das ist für die Polizei ein Grund, Fragen zu stellen.«

      Frau Klampfls Rosinenaugen erhielten neuen Glanz. »Mich können Sie auch mitnehmen!«, verkündete sie. »Ich erzähl Ihnen gern alles, was ich weiß. Es war immerhin meine Wenigkeit, die Blacky gefunden hat.«

      Paul Junghans verdrehte unauffällig die Augen. Leute, die sich der Polizei richtiggehend aufdrängten, kosteten oft mehr Zeit und Kraft, als jene, die mit ihr nichts zu tun haben wollten. Das war wenigstens normal.

      »Würden Sie mir bitte mit Ihrem Wagen zur Dienststelle folgen? Ich brauche Ihre Aussage.«

      »Ich weiß nichts und ich war’s auch nicht, das können Sie schon mal notieren!«, murrte Tobias. »Außerdem habe ich noch einen Termin …«

      »Termin!«, höhnte seine Schwester. »Ist es die Blonde oder die Brünette?«

      »Na, du hast es nötig! Wo ist er übrigens?«

      »Wer?«

      »Dein Charly Manson.«

      »Er heißt Charles! Und Charles ist in Wien, du Hornochse!«

      »Hat er wieder ein Auditing bei Scientology?«

      An diesem Punkt sah sich Carla Burkhardt erneut gezwungen, einzuschreiten. Sie fand, dass sich ihre Kinder vor der Polizei mehr als ungehörig benahmen. Sich so vor diesem jungen Inspektor aufzuführen, wo im Haus doch ein Toter lag, und der Inspektor nicht einmal einen Hehl daraus machte, dass er die Familie für nicht ganz unschuldig hielt!

      »Ich glaube, im Moment interessiert den Herrn Inspektor eure Auseinandersetzung nicht«, sagte sie scharf.

      Paul aber war dem Disput der Geschwister mit Interesse gefolgt. Charles Manson, um Himmels willen! So hatte doch dieser satanische Sektenführer geheißen, der vor einem halben Jahrhundert die schöne und hochschwangere Hollywood-Schauspielerin Sharon Tate von seinen weiblichen Jüngern ermorden ließ! Wie konnte man sich bloß so nennen! War das der Freund von Stefanie? Und was hatte er mit Scientology zu tun? Das Mädchen war ihm jetzt nimmer wurscht. Welchen Umgang pflegte sie eigentlich mit ihren höchstens sechzehn Jahren? Und warum ließen ihre Eltern so etwas überhaupt zu?

      Er räusperte sich noch einmal, diesmal mit Nachdruck. »Wenn Sie mir nun bitte folgen«, wiederholte er und nickte Gertrud zu. »Frau Klampfl, Sie können mit mir fahren.«

      Während sich Gertrud ungeheuer wichtig vorkam, als sie zu dem jungen Inspektor in den Wagen stieg, trotteten die Burkhardts auf Martins schwarze Sportlimousine der Marke Audi zu, die auf der Straße vor ihrem Haus parkte. Martin Burkhardt hatte den Wagen noch nicht in die Garage gefahren, weil er eigentlich noch einmal fort wollte. Aber wie es aussah, konnte er sich seinen Termin mit Dr. Hummelberger abschminken. Mit fahriger Hand steckte er den Schlüssel ins Zündschloss.

      Auf dem Polizeirevier

      Keltenberg hatte nicht einmal dreitausend Einwohner, erstreckte sich aber gut zwei Kilometer entlang eines tiefen bewaldeten Grabens. Die Polizeiwache lag an der Hauptstraße, und sie erreichten sie nach weniger als zehn Minuten. Paul bat die Familie in sein Büro im ersten Stock des neu renovierten Polizeigebäudes und bestellte bei seiner Kollegin, Maja Fröschl, eine Karaffe Wasser. Das ließ vermuten, dass sich die Befragung länger hinziehen würde, und Martin Burkhardt resignierte. Er bat den Inspektor, kurz nach draußen gehen zu dürfen, um sein Treffen mit Dr. Hummelberger abzusagen.

      Tobias schickte seinem »Termin« eine WhatsApp. Aus dem Augenwinkel erkannte Stefanie auf dem Display die Brünette. Sie kräuselte die Lippen und schaute angewidert zum Fenster hinaus. Carla Burkhardt hingegen sorgte sich darum, dass sie wieder nicht zum Kochen kommen würde. Also wieder Pizza!

      Nur Gertrud richtete es sich auf ihrem Stuhl bequem ein, wobei ihre kurzen Beine kaum den Boden berührten und in der Luft hin und her baumelten.

      »Von mir aus kann’s losgehen!«, sagte sie vergnügt.

      Martin Burkhardt kehrte mit einer Entschuldigung ins Zimmer zurück, und nahm neben seiner Frau Platz.

      Paul hob an: »Es tut mir leid, aber ich muss Ihre Alibis überprüfen. Fangen wir mit Ihnen an, Herr Burkhardt. Wo waren Sie vorgestern zwischen vier und halb sechs Uhr früh?«

      Martin Burkhardt hatte nichts zu verbergen und blickte Paul Junghans offen in die Augen. »Im Bett!«

      Paul wandte den Kopf. »Tobias?«

      »Im Bett.«

      »Wir waren alle in unseren Betten!«, unterbrach Stefanie das eintönige Frage-Antwort-Spiel. »Wo sollen wir sonst gewesen sein um diese Uhrzeit?«

      »Sie waren auch in Ihrem Bett?« Paul blickte prüfend in ihre Augen, in der Hoffnung, dort irgendein Flackern zu entdecken, dass sie vielleicht nicht ganz die Wahrheit sagte.

      Stefanie riss entrüstet den Mund auf, dabei erhaschte der Inspektor einen Blick auf ein grässliches Zungenpiercing. Nur mit Mühe gelang es ihm, sich wieder auf seine Aufgabe zu konzentrieren.

      »Wenn Sie mir nicht glauben, fragen Sie Charles!«, rief Stefanie. »Der lag bis viertel nach acht neben mir!«

      »Charles Manson?«

      »Ja!«

      Jetzt war es an Carla und Martin Burkhardt, ihre Tochter mit sprachlosem Entsetzen anzustarren. Ein fremder Mann war vorletzte Nacht im Bett ihrer Tochter gewesen? Carla


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