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Behemoth. Franz NeumannЧитать онлайн книгу.

Behemoth - Franz Neumann


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Verfassungslehre definieren. Walter Buch28, oberster Parteirichter und als solcher einer der Herren über Leben und Tod, vergleicht die Partei mit dem Staat selbst. Träfe dieser Vergleich zu, dann gäbe es eine absurde Situation, denn das würde die Existenz eines dualistischen Systems bedeuten, zweier koexistierender souveräner Gewalten, die beide Loyalität beanspruchen und zweierlei Recht schaffen. Frick, Reichsinnenminister und langjähriges Parteimitglied – dem es nicht gelungen ist, sich völlig von der Tradition konservativen Denkens zu befreien, das er sich als bayerischer Beamter zu eigen gemacht hatte – bediente sich folgender Analogie, um das Dilemma zu lösen: die Parteiorganisation und der Staatsapparat gleichen zwei Säulen, die das Dach des Staates tragen, aber die staatlichen Behörden können und dürfen nur von ihren vorgesetzten Dienststellen innerhalb der Staatshierarchie Weisungen entgegennehmen.29 Diese Interpretation löste heftige Proteste aus, weil sie dem Staat wieder die Obergewalt zusprach. Reinhardt, Staatssekretär im Reichsfinanzministerium und hoher Parteifunktionär, bestand darauf: »Die fundamentale Grundlage dieser Einheit ist nicht der Staat, sondern die NSDAP.«30 Nach seiner Auffassung würde der Staat zu einem Organ der Partei; dem widerspricht die Tatsache, daß Armee und Beamtentum nur den Weisungen der entsprechenden staatlichen Behörden unterworfen sind.

      Und wenn Carl Schmitt versuchen sollte, das Rätsel mit seiner Beschwörungsformel, »daß Staat, Bewegung, Volk unterschieden aber nicht getrennt, verbunden, aber nicht verschmolzen sind«31, zu lösen, dann würde er in der Tat sehr wenig aufhellen – so wenig wie jene intelligenten nationalsozialistischen Theoretiker, die meinen, daß Staat und Partei in einer »Verfassungsgemeinschaft« leben, weshalb die Idee der Partei die des Staates sei.32 Viele kompetente Beobachter sind zu dem Schluß gekommen, daß nichts Definitives ausgesagt werden könne, da die politische Theorie und Verfassungslehre des Nationalsozialismus sich noch im Stadium dauernder Veränderungen befänden33. Unsere Aufgabe wird es sein nachzuweisen, daß dies nicht ganz zutrifft, daß es ein bestimmtes Modell der politischen Theorie und Verfassungstheorie gibt, wenngleich dieses Modell nicht in die rationalen Kategorien politischen Denkens, wie wir sie kennen, paßt – handele es sich um liberale, absolutistische, demokratische oder autokratische.34

      Bevor wir die Struktur der neuen nationalsozialistischen Theorie weiter entwickeln, müssen wir die Bedeutung der nationalsozialistischen Denunziation des Staates untersuchen. Ein Vergleich der nationalsozialistischen mit der faschistischen Theorie wird die ganze Angelegenheit klären.

      In Italien ist nach wie vor die Hegelsche Staatstheorie, wenn auch in verzerrter Form, vorherrschend. »Grundpfeiler der faschistischen Lehre«, so sagt Mussolini, »ist die Auffassung vom Staat, seinem Wesen, seinen Aufgaben und seinen Endzwecken. Für den Faschismus ist der Staat ein Unbedingtes, vor dem Einzelmenschen und Gruppen das Bedingte sind … Für den Faschismus ist der Staat nicht ein Nachtwächter … Er ist auch nicht eine Vorkehrung zu rein materiellen Zwekken … Und noch weniger ist er die Schöpfung reiner Politik … Der Staat, wie der Faschismus ihn will und lebendig macht, ist eine geistige und sittliche Tatsache, da er die politische, rechtliche und wirtschaftliche Obsorge am Volk verwirklicht. Und solche Obsorge ist nach Ursprung und Entfaltung eine Äußerung des Geistes«.35

      Die von den Doktrinen der italienischen Nationalisten stark beeinflußte Darstellung Mussolinis ist von der offiziellen Verfassungslehre in Italien voll und ganz übernommen worden. Alles ist »vom Staat erfaßt«.36 Der Staat ist ein Organismus; er hat ein Eigenleben.37 Giovanni Gentile gab dieser Lehre ihre weltanschauliche Prägung. Der Staat ist ein sittlicher Staat, die Verkörperung des nationalen Bewußtseins, und er besitzt eine Mission. Der Staat ist in Wirklichkeit das von allen »zufälligen Unterschieden« befreite Individuum; der Staat ist Tat und Geist.38 In Einklang mit dieser Lehre ist die faschistische Partei ein untergeordneter Teil des Staates, eine Institution innerhalb des Staates.39

      Zu einem früheren Zeitpunkt seiner politischen Laufbahn, als er ein Gegner der Regierung war, hatte Mussolini diese Apotheose des Staates, die er später zur offiziellen politischen Doktrin machen sollte, verworfen. »Ich gehe vom Individuum aus«, sagte er, »und schlage auf den Staat los. Nieder mit dem Staat in allen seinen Formen und Inkarnationen! Dem Staat von gestern, von heute, von morgen! Dem bürgerlichen und dem sozialistischen Staat! Im Dunkel des Heute und in der Ungewißheit des Morgen ist die augenblicklich absurde, aber ewig tröstliche Religion der Anarchie der einzige Glaube, der uns zum Tode verurteilten Individualisten bleibt«.40 Eine so totale Kehrtwendung wie diese ist bei Mussolini nichts Neues. Seine Einstellung zu Themen wie Privateigentum, Monarchie, Kirche, Senat, Stabilität der Lira und so weiter hat eine ganze Reihe von tiefgreifenden Wandlungen erfahren.

      Die Sophistik Gentiles erwies sich bei diesen Metamorphosen als nützlich; mit ihrer Hilfe sind praktisch alle Gegensätze auszugleichen. Selbst Anarchismus und Staatsabsolutismus sind miteinander vereinbar, wenn man den Staat als das wahre und einzige Individuum bezeichnet. Wir beschäftigen uns hier aber nicht mit den Verästelungen der faschistischen Ideologie, sondern versuchen vielmehr herauszufinden, warum die offizielle italienische Ideologie, im Gegensatz zum Nationalsozialismus, den Staat über alles stellt. In einer Rede vor den Liberalkonservativen, die er am 4. April 1924 in Mailand hielt, gab Mussolini selbst die Antwort:

      »Infolge des kinematographischen Wechsels der Regierungen war das einzige Stabilitätselement die Bürokratie. Ohne die Bürokratie hätten wir das absolute Chaos gehabt … In der ewigen und rotierenden Unstabilität der Regierungen repräsentierte die Bürokratie die Kontinuität des administrativen und politischen Lebens der Nation.«41

      Der Faschismus erhöhte den Staat, weil in der ganzen Geschichte Italiens der Staat immer schwach gewesen war. Die Einigung Italiens, die ungefähr zur gleichen Zeit stattfand wie die Einigung Deutschlands, hatte nicht die Bildung einer starken Staatsgewalt zur Folge. Italien blieb ein durch scharfe geographische, ökonomische und soziale Gegensätze gespaltenes Land.42 Die erzielte politische Einheit war äußerst gefährdet. Der Heilige Stuhl und seine 70 000 Priester waren heftige Gegner des neuen italienischen Staates, weil er der Kirche ihren Landbesitz geraubt hatte. Noch im November 1914 konnte von Bülow, der deutsche Botschafter, Italien mit der Restauration des Kirchenstaates drohen, falls es nicht dem Zweibund Deutschland-Österreich beitrete. Zudem war die Masse der italienischen Bevölkerung gegen den Krieg von 1914, und diese Gegnerschaft beschränkte sich nicht auf kleine revolutionäre Gruppen, wie es in Deutschland der Fall war. Im Gegensatz zu Deutschland stand Italien unmittelbar vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges am Rande eines Bürgerkrieges. Das letzte Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts war eine Zeit voller Streiks, Aufstände, Finanz- und Industrieskandale, steigender Preise und wachsender Unruhe unter dem Industrieproletariat im Norden und der Bauernschaft im Süden gewesen.43 Am Vorabend des Ersten Weltkrieges gelang es den italienischen Arbeitern, eine Rote Woche auszurufen und zu organisieren. Es ist gemeinhin nicht bekannt, daß bei Kriegsende 1 100 000 Prozesse gegen Deserteure bei den italienischen Militärgerichten schwebten.44 Jeder fünfte aufgebotene Italiener war fahnenflüchtig.

      Die Erfordernisse der Konkurrenz auf dem Weltmarkt zwangen den Faschismus, die italienische Staatsgewalt zu stärken. Ein demokratisches Italien wäre zwar vor derselben Notwendigkeit gestanden, hätte aber andere Methoden angewandt und aus anderen Motiven gehandelt. All das erklärt freilich, warum die Verherrlichung des Staates eine so zentrale Stellung in der faschistischen Ideologie einnimmt.

      Im Gegensatz zu Italien war die deutsche Staatsmaschinerie niemals ernsthaft in Gefahr, nicht einmal in den Revolutionstagen von 1918 und 1919. Die Bürokratie arbeitete nach wie vor unter ihren eigenen Häuptern, wenn auch scheinbar auf Anweisung der Arbeiter- und Soldatenräte. Die im Reich und in den Ländern gebildeten neuen demokratischen Regierungen störten das alte Personal wenig, und die von ihnen unternommenen Schritte, den alten Beamtenapparat durch neue, demokratische Beamte zu ersetzen, erfolgten langsam und zaudernd. Wo Arbeiterregierungen, wie in Thüringen und Sachsen, den Demokratisierungsprozeß der Verwaltung beschleunigten, schritt das Reich ein und setzte die Regierungen ab. Die Verfassung von 1919 garantierte den Beamten schließlich ihren Status und ihre individuellen Rechte. Die folgende Periode des Staatsinterventionismus bot der Staatsbürokratie


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