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Behemoth. Franz NeumannЧитать онлайн книгу.

Behemoth - Franz Neumann


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Die Minister brauchen nicht zu Rate gezogen werden. Dasselbe gilt für Plebiszite und vom Reichstag erlassene Gesetze. Recht ist, was der Führer will, die Gesetzgebung ist Ausfluß seiner Macht. Ähnlich verkörpert er die administrative Gewalt, die in seinem Namen ausgeübt wird. Er ist Oberbefehlshaber der Wehrmacht (Gesetz vom 21. Mai 1935) und – wie wir noch sehen werden6 – oberster und unfehlbarer Richter. Seine Macht ist gesetzlich und verfassungsmäßig unbeschränkt; sie entzieht sich jeder Beschreibung. Ein Begriff, der keine Begrenzung hat, kann rational nicht definiert werden.

      Am Tag von Hindenburgs Tod mußten alle Angehörigen der Reichswehr den folgenden Eid leisten: »Ich schwöre bei Gott diesen heiligen Eid, daß ich dem Führer des Deutschen Reiches und Volkes, Adolf Hitler, dem Oberbefehlshaber der Wehrmacht, unbedingten Gehorsam leisten und als tapferer Soldat bereit sein will, jederzeit für diesen Eid mein Leben einzusetzen.«7 Kabinettsmitglieder mußten folgendermaßen schwören: »Ich schwöre: Ich werde dem Führer des Deutschen Reiches und Volkes, Adolf Hitler, treu und gehorsam sein, meine Kraft für das Wohl des deutschen Volkes einsetzen, die Gesetze wahren, die mir obliegenden Pflichten gewissenhaft erfüllen und meine Geschäfte unparteiisch und gerecht gegen jedermann führen, so wahr mir Gott helfe.« (Gesetz vom 16. Oktober 1934.) Die Eidesformel für die Beamten lautet so: »Ich schwöre: Ich werde dem Führer des Deutschen Reiches und Volkes, Adolf Hitler, treu und gehorsam sein, die Gesetze beachten und meine Amtspflichten gewissenhaft erfüllen, so wahr mir Gott helfe.« (§ 4 des Deutschen Beamtengesetzes vom 26. Januar 1937.) Diese Eidesformeln zeigen, daß die oberste Führung keine durch Gesetze und Präzedenzfälle geregelte Einrichtung oder ein Amt mit delegierter Autorität, sondern die Machtvollkommenheit einer einzigen Person, Adolf Hitlers, ist.8 Die Rechtfertigung dieses Prinzips ist charismatisch: sie beruht auf der Annahme, daß der Führer mit Eigenschaften ausgestattet sei, die gewöhnliche Sterbliche nicht besitzen. Übermenschliche Eigenschaften strahlen von ihm aus und durchdringen Staat, Partei und Volk. Es erübrigt sich, die götzendienerischen Äußerungen von Parteimitgliedern, Ministern, Reichswehroffizieren, Universitätsprofessoren oder zahlreichen protestantischen Pfarrern hier zu zitieren.

      Max Weber9 hat auf die allgemeine Erscheinung charismatischer Herrschaft hingewiesen und sie von allen rationalen und traditionalen Herrschaftstheorien klar abgegrenzt. Seine Entdeckung war in der Tat die Wiederentdeckung eines Phänomens, das so alt wie das politische Leben selbst ist. Charismatische Herrschaft ist lange Zeit vernachlässigt und lächerlich gemacht worden, hat aber offenbar weit zurückreichende Wurzeln und wird, wenn die geeigneten psychologischen und sozialen Bedingungen erst einmal vorhanden sind, zu einer machtvollen Antriebskraft. Die charismatische Macht des Führers ist kein bloßes Trugbild – niemand kann bezweifeln, daß Millionen an sie glauben. Wir schlagen an dieser Stelle vor, drei Aspekte des Problems zu untersuchen: den Ursprung der charismatischen Führung; die psychologische Verfassung derjenigen, die an sie glauben; endlich ihre gesellschaftliche Funktion. Um eine Antwort zu erhalten, werden wir die Geschichte befragen müssen.

      Das politische Denken des Mittelalters wurde von den irrationalistischen Philosophien des Absolutismus abgelöst, die sich eine ganze Weile hielten, bis sie ihrerseits vom modernen Rationalismus verdrängt wurden. Sowohl die lutherische als auch die calvinistische Reformation boten irrationale Rechtfertigungstheorien unbeschränkter souveräner Gewalt dar und gehörten durchaus nicht, wie gemeinhin angenommen wird, zu den Bewegungen, die das Zeitalter des Liberalismus, der natürlichen Rechte, der Gleichheit und des Rationalismus einleiteten. In der Epoche der Religionskriege und Volkserhebungen hatte die aufsteigende Mittelklasse Ruhe und Frieden bitter nötig; Handelsherren und Industrielle verlangten nach Gleichstellung mit dem Klerus und dem Adel. Als Folge davon wurde eine zentrale weltliche Obrigkeit errichtet, deren souveräne Gewalt als die einer Institution gerechtfertigt wurde, der die Menschen nicht nur äußerlichen Gehorsam, sondern aufrichtige innerliche Ergebenheit schuldeten. Die charismatische Rechtfertigung der bestehenden Obrigkeit fand so am Anfang der bürgerlichen Gesellschaft ihren Platz; heute, in den Wehen ihrer schwersten und tiefsten Krise, ist die europäische Gesellschaft zu ihren frühesten theoretischen Anschauungen zurückgekehrt.

      Die Puritaner der frühen Tudor-Ära bedienten sich aller Arten von Rechtfertigung der königlichen Autorität – der Heiligen Schrift, des göttlichen Naturrechts, der Staatsräson. Sie wiesen in feierlicher Mahnung auf das schreckliche Schicksal der revolutionären und chiliastischen Bewegungen des Kontinents, wie den Bauernaufständen oder den Bewegungen der Taboriten und Anabaptisten. Die Apologeten König Heinrichs VIII. beschworen die Lehren Luthers und Calvins, um Gehorsamspflicht gegenüber der Person des Königs zu begründen. Ihre Argumentation war überwiegend antirational, ja sogar charismatisch. »Der König«, schrieb Tyndale, »unterliegt in dieser Welt keinem Gesetz, kann nach seinem Belieben recht oder unrecht tun und ist nur Gott allein verantwortlich.«10 Heinrich VIII. ist der »Sonne der Menschheit« gleich – man »wagt nur einen Blick von der Seite auf den strahlenden Glanz der hellen Sonne (des Königs) zu werfen, der man nirgendwo unverwandt standzuhalten vermag.«11 Gehorsam gegenüber dem König war eine bürgerliche und, mehr noch, eine religiöse Pflicht. Ihm mußte gehorcht werden, weil er mit übermenschlichen Eigenschaften begabt war. Er war der Führer. Es ist leicht einsehbar, daß diese Lehren ihrem Wesen nach opportunistisch waren, dazu bestimmt, den Erfordernissen von Englands innen- und außenpolitischer Lage zu genügen. Es bedurfte einer zentralen und unanfechtbaren Autorität, die dem Zugriff der Katholischen Kirche entzogen und fähig war, einem Angriff von außen zu widerstehen – eine Autorität, die sich die autonomen lokalen, feudalen und kirchlichen Herrschaftsbereiche unterordnen und sie wenn nötig sogar vernichten würde. All das machte es unmöglich, sich auf eine Theorie des Gesellschaftsvertrages mit ihren revolutionären Implikationen zu stützen. Die lutherischen und calvinistischen politischen Lehren lieferten eine Lösung des Problems.

      Luther forderte zwar individuelle Freiheit, doch unterschied sich seine Idee der Freiheit grundlegend von der unsrigen. Luthers Freiheitsbegriff, wie er ihn in seiner wichtigen Abhandlung »Von der Freiheit eines Christenmenschen« darlegte, vereint in sich tatsächlich unsere Vorstellung und ihr genaues Gegenteil. Luther sagt dort: »Eyn Christenmensch ist eyn freyer herr, über alle ding, und niemandt unterthan. Eyn Christenmensch ist eyn dienstpar knecht aller ding und yederman unterthan.« Die Antinomie könnte kaum mit deutlicheren Worten ausgedrückt werden. Beide Postulate, Freiheit und Untertänigkeit, sollen gleich gültig und allgemein sein.

      Der Begriff der »inwendigen Freiheit« löst den Widerspruch. Freiheit und Knechtschaft gehören in zwei verschiedene Sphären; Freiheit in die innere, Knechtschaft in die äußere Welt. Die erste Aussage Luthers betrifft den inneren Menschen und seine Freiheit; die zweite den äußeren Menschen, der gehorchen muß. Eine solche Dichotomie zwischen innerem und äußerem Leben – jedes für sich von anderen Gesetzen geregelt – war der griechischen und mittelalterlichen Philosophie fremd. Alle klassischen griechischen Denker vertraten die Auffassung, daß innere Freiheit ohne äußere Freiheit nicht möglich sei, und die Denker des Mittelalters sahen im Menschen ein vernunftbegabtes Wesen, dessen Geist und Taten nach natürlichem Recht geordnet sind. Luther trennte das innere vom äußeren Reich und verneinte den Wert der »Werke«, das heißt der äußeren Einflüsse. »So ists offenbar, das keyn eusserlich ding mag yhn frey, noch frum machen, wie es mag ymmer genennet werden«, und kein äußeres Verhältnis reicht »bis an die Seelen, sie zu befreyen oder fangen, frum oder böße zu machen.« Der Arme ist genau so frei wie der Reiche, der unterjochte Bauer ist ebenso frei wie der König, der Gefangene so frei wie sein Wärter. Die Unterdrückten sind bereits im Besitz der Freiheit; warum also sollten sie nach ihr streben? Gewiß, die Welt, so wie sie ist, entspricht nicht dem christlichen Ideal. Brüderlichkeit, Gerechtigkeit und Liebe herrschen nicht auf dieser Welt, und Luther hielt diese ursprünglich nicht für die Verkörperung christlicher Prinzipien. Er nahm die Welt und die souveräne Macht des Staates lediglich als bedauerliche Tatsachen hin. Doch diese resignierte Hinnahme wich bald einer ausdrücklichen Rechtfertigung. »Es will dißer artickel (gemeint ist die Forderung der Bauern nach Aufhebung der Leibeigenschaft, 1525) alle Menschen gleich machen, und aus dem geystlichen reich Christs eyn welltlich eusserlich reich machen, wilchs unmuglich ist. Denn welltlich reich kan nicht stehen, wo nicht ungleicheyt ist ynn personen, das ettliche frey,


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