Einführung in die systemische Sexualtherapie. Karina Kehlet LinsЧитать онлайн книгу.
1.4Die systemische Sexualtherapie
Innerhalb der systemischen Sexualtherapie kommt die Funktion erst an zweiter Stelle. Darum stellt sie eine gute Alternative zur klassischen Sexualtherapie dar. In der systemischen Sexualtherapie ist es wichtiger, die Bedeutung eines Symptoms zu verstehen, sowohl für den individuellen Klienten wie auch innerhalb des Interaktionsmusters eines Paares. Durch die Brille der systemischen Sexualtherapie kann man sexuelle Probleme als soziale Konstruktionen sehen, bei denen Symptome im Beziehungszusammenhang stehen. Hierzu gehören Paardynamik, individuelle Dynamik und Kontext. Das systemische Denken befreit zusätzlich die Therapie vom Symptomeliminierungszwang, indem der Fokus sich von der Funktion des Könnens zum Wollen bzw. Anderswollen verschiebt. Dieses wiederum macht das sexuelle Begehren zu einem zentralen Punkt in der Therapie (Eck 2016a). Kurzum: man nähert sich dem Begehren als systemischem Beziehungsprozess statt als persönlichem Merkmal (Schnarch 2010).
Um Klienten helfen zu können, Sex zu haben, für den es sich lohnt, sich zu begeistern und so die Lust wieder willkommen zu heißen, müssen Kliniker neue Fähigkeiten erwerben und lernen, wie sie andere Einsichten bei Klienten fördern können für die Entwicklung eines eigenen und authentischen Narrativs. Therapeuten müssen darum auch lernen, wie man Paaren helfen kann, Beziehungen zu entwickeln, die ausreichend sicher sind, sodass man, indem man authentisch ist, seine eigene Verwundbarkeit zeigen kann (Kleinplatz et al. 2009). In einer Beziehung, egal, wie gut sie ist, ist es unvermeidlich, dass es eine Zeit geben wird, wo einer Lust auf Sex hat und der andere gerade nicht. Wie mit dieser Situation umgegangen wird, ist der springende Punkt.
Klinische Symptome können also nicht nur die sexuelle Beziehung des Paares betreffen, sondern auch als Probleme in einigen anderen Bereichen verstanden werden, einschließlich der Regeln über das Sexualverhalten in den Herkunftsfamilien, der Vorgeschichte des Paares, populärer Sexualmythen oder noch tiefgründigeren, kulturell und historisch bedingten Verhaltensmustern. Neue Geschichten über das sexuelle und intime Leben entstehen, wenn es ein neues Publikum gibt, das bereit ist, sie zu hören (Weeks, Heaphy a. Donovan 2001). Und mithilfe systemischer Methoden kann man seinen Klienten helfen, die eigene Autorenschaft zu übernehmen und seine eigene Geschichte zu erzählen.
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