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Fremdsprachenunterricht aus Schülersicht. Julia FritzЧитать онлайн книгу.

Fremdsprachenunterricht aus Schülersicht - Julia Fritz


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kann“ (Hofer 1981:53, zit. nach Ditton 2002:264). Dieser Kritikpunkt ist jedoch insofern zu relativieren, als im Rahmen entsprechender Studien diesbezüglich nur kurzfristige Effekte erfasst wurden (vgl. Stolz 1997:138). Außerdem basieren die Meinungen der SchülerInnen weniger auf individuell-persönlichen Präferenzen oder (Vor‑)Urteilen als vielmehr auf der Grundlage der durch ihre schulische Sozialisation bedingten Erwartungsmuster. Vor diesem Hintergrund ist „die These, dass sich Schüler bei der Wahrnehmung oder Bewertung ihrer Lehrer auf längere Sicht von blenderischem Auftreten beeindrucken lassen, nicht sonderlich überzeugend“ (Ditton 2002:264).

      Zudem stellt das Problem der sozialen Erwünschtheit kein rein schülerspezifisches Phänomen dar, sondern kann gleichermaßen bei Unterrichtsbeobachtungen durch externe Personen und Befragungen von Lehrkräften auftreten (vgl. Holl 2007:27f.). Auch die Untersuchung von Clausen (2002:186) zeigt, dass es bei einem Vergleich der drei Perspektiven die eine mit der „Unterrichtswirklichkeit“ übereinstimmende Sichtweise nicht gibt. So hänge die Frage nach der Brauchbarkeit und Berechtigung einer der Datenquellen – ob externe BeobachterInnen, Lehrende oder Lernende – vor allem von der verfolgten Fragestellung ab. Für die Schülersicht fasst er zusammen:

      Eine Erhebung der Schülersicht gewinnt ihre Bedeutung durch die vergleichsweise engen Zusammenhänge zu Leistung und Interesse bzw. deren Entwicklung. Die Wahrnehmung der Schüler hat für die Entwicklung der Schüler die größte Bedeutung. Für eine neutrale wissenschaftlich-differenzierende Betrachtung des Unterrichtsgeschehens sind Schülerurteile aufgrund der Tendenz zur affektiv geprägten generalisierenden Beurteilung weniger geeignet. (ebd.: 188)

      Wenn die Übereinstimmung zwischen externen BeobachterInnen, Lernenden und Lehrenden in der Beurteilung von Unterricht so gering ist, wie die Studie von Clausen nahelegt, liefert dieser Befund gleichzeitig ein zentrales Argument für die Berücksichtigung und stärkere Beachtung aller, auch der Sichtweisen der SchülerInnen. Denn gerade weil sich die Perspektiven so voneinander zu unterscheiden scheinen, kommt eine differenzierte Einschätzung von Unterricht nicht ohne die Auffassungen der Lernenden aus.

      Die Aussagekraft von direkten, unmittelbaren Schülerurteilen über die Effektivität und Wirksamkeit von Unterricht ist insgesamt deutlich höher einzuschätzen als durch die Anwendung von Tests. Zudem lassen sie sich auch einfacher erheben (vgl. Hofer 1981:50). Für die Erhebung subjektiver, schülerbezogener Wahrnehmungsdaten gegenüber externen BeobachterInnen spricht ferner ihr höherer Erklärungswert, da sie „auch die heterogenen Erfahrungen einzelner Gruppenmitglieder abzubilden“ (Clausen 2002:43) vermögen und sich die Erfahrungen der Lernenden mit Schule, Unterricht und Lehrkräften in der Regel auf einen längeren Zeitraum beziehen: „Schüler kennen Lehrkräfte sowohl im Vergleich mehrerer Fächer als auch im Vergleich über die Schulzeit hinweg. Ihre Aussagen können sich auf Wahrnehmungen über einen längeren Zeitraum und auf die Erfahrungen in unterschiedlichen Situationen stützen.“ (Ditton 2002:264)

      Und auch wenn die Schüleraussagen im Vergleich zu Lehrenden und externen BeobachterInnen ein vergleichsweise geringeres Abstraktions- und Reflexionsniveau aufweisen mögen, sind es doch die Lernenden, die als HauptakteurInnen von Schule und Unterricht maßgeblich an deren Gestaltung beteiligt sind. Sie als ExpertInnen für Unterricht zu betrachten und ihre Sichtweisen für die Evaluation von Unterricht zu berücksichtigen (vgl. u.a. Helmke et al. 2009:98; Walter & Walter 2014:71) erscheint in diesem Zusammenhang nur konsequent. Unterricht ist als Interaktion zwischen Lehrenden und Lernenden zu begreifen. „Das Verständnis von Prozeßen [sic] der Interaktion zwischen Lehrern und Schülern im Unterricht erfordert Einsichten in die subjektive Sicht der Schüler, in ihre Erlebens- und Urteilsprozesse.“ (Hofer 1981:50) Dies impliziert, beide Wirkungsrichtungen, d.h. LehrerIn – SchülerIn und SchülerIn – LehrerIn, in den Blick zu nehmen. So kann in der Konsequenz auch erst dann glaubhaft von lerner- und schülerorientiertem Unterricht die Rede sein, wenn die AdressatInnen desselben mit ihren Bedürfnissen, Erfordernissen, Erwartungen und Wünschen stärker zu Wort kommen und danach gefragt wird, wie sie ihren Unterricht wahrnehmen und erleben: „The notion of how the student experiences the lesson is critical to engagement and success in participating in learning […].“ (Hattie 2012:140) Den Unterricht an den Erwartungen der SchülerInnen zu orientieren und ihre Interessen ernst zu nehmen setzt voraus, die Lernenden bei der Konzeption und Bewertung von Unterricht mit einzubeziehen (vgl. Bocka 2003:41f.). Dass die Bedeutung der Schülersicht lange Zeit relativiert und als unbrauchbar eingeschätzt wurde, gilt insofern heute als überholt (vgl. ebd.: 51f.). Dennoch ist sie als Informationsquelle für die Evaluation von Unterricht noch vergleichsweise unterrepräsentiert (vgl. Kämpfe 2009:151). Auch wenn es bei der vorliegenden Studie nicht um die Erforschung der Unterrichtsqualität geht, erscheint eine stärkere Berücksichtigung der Schülersicht dennoch vielversprechend, birgt sie doch die Chance, Aussagen darüber treffen zu können, wie die Lernenden als HauptakteurInnen des Fremdsprachenunterrichts diesen wahrnehmen und erleben.

      3.2 Die Schülersicht in der pädagogischen Forschung

      Studien, die sich mit der Erfassung der Schülersicht beschäftigen, verfolgen verschiedene Ansätze und fokussieren jeweils unterschiedliche Merkmale von Unterricht. Diese reichen von sehr allgemeinen, eher unterrichtsübergreifenden, schulbezogenen Aspekten bis hin zu fachspezifischen Merkmalen und der Lehrperson.

      Einen empirischen Zugang zur Sicht bzw. Wahrnehmung von SchülerInnen liefert die pädagogische Klimaforschung1, welche „die Schülerwahrnehmung als konstituierendes Merkmal des Unterrichts- und Schulklimas in das Zentrum ihrer Forschungstätigkeit“ (Lenske 2016:74) rückt. Dabei wird nach Schul-, Klassen- und Unterrichtsklima differenziert. Während mit dem Begriff „Schulklima“ alle subjektiv bedeutsamen Merkmale gemeint sind, „die sich auf die ganze Schule als Organisationseinheit beziehen“ (Eder 2002:215), geht es bei der Erforschung des Klassenklimas2 um Fragen, die „die sozialen Beziehungen zwischen Lehrern und Schüler/innen bzw. der Schüler/innen untereinander, die Erwartungen hinsichtlich Leistungen und Verhalten, die Art und Weise, wie Lehr-/Lernprozesse ablaufen“ (ebd.), betreffen. Der Begriff „Unterrichtsklima“ umfasst sowohl eine klassenspezifische als auch eine lehrer- und fachspezifische Komponente. Daraus ergibt sich bei der Erforschung eine Fokussierung auf die subjektiven Lernerfahrungen in einem bestimmten Fach, mit einer bestimmten Lehrkraft (bzw. aus allen Fächern mit allen Lehrkräften) im Kontext einer bestimmten Klasse (vgl. ebd.). Dabei stellen quantitative Forschungsdesigns, bei denen im Rahmen von standardisierten Fragebogenstudien die Unterrichtsqualität über einzelne oder mehrere wahrgenommene Unterrichtsmerkmale erfasst wird, die wohl häufigste Erhebungsform dar (vgl. Wagner 2008:6).

      Im Folgenden werden die Ergebnisse zentraler allgemeinpädagogischer Untersuchungen, deren Erkenntnisinteresse sich auf die Erforschung von unterrichtsbezogenen Merkmalen aus Schülersicht richtet, zusammengetragen.

      3.2.1 Die Lehrkraft und das Lehrer-Schüler-Verhältnis

      Die Frage, wie SchülerInnen ihren Unterricht wahrnehmen, ist untrennbar verbunden mit der Wahrnehmung ihrer Lehrkraft. In zahlreichen Forschungsarbeiten wird dieser Zusammenhang deutlich hervorgehoben1 (vgl. u.a. Lüdtke 1971; Hofer 1981; Furtner-Kallmünzer & Sardei-Biermann 1982; Haecker & Werres 1983; Petillon 1987; Apel 1997; Haselbeck 1999). Kein anderer Faktor scheint den Lernerfolg so nachhaltig zu beeinflussen wie die Lehrkraft (vgl. Hattie 2008). Entsprechend wenig überrascht es, dass Schule, Unterricht, Lerninhalte sowie die Beliebtheit eines Faches in erster Linie über die Lehrperson beurteilt werden und auch das Interesse an einem bestimmten Schulfach maßgeblich von der jeweiligen Lehrkraft abhängt. „[G]uter Unterricht [ist] oft gleichbedeutend mit einem als gut eingeschätzten Lehrer.“ (Bocka 2003:73)

      In seiner Untersuchung zum Thema Schülerurteile über LehrerInnen und mögliche Langzeitwirkungen kann Stolz (1997:157) sogar einen „negativen Zusammenhang zwischen den Studienfächern der befragten Studierenden […] und dem Unterrichtsfach der beschriebenen Lehrpersonen“ nachweisen.2 Erleben die Studierenden eine in ihren Augen schlechte Lehrkraft, wählen sie vergleichsweise selten das entsprechende Studienfach. Alarmierend ist, dass am häufigsten Lehrpersonen fremdsprachlicher Fächer als negativ beschrieben werden (41 %). Bei den männlichen Befragten ist es sogar über die Hälfte (53 %) (vgl. ebd.). Insgesamt


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