e-tot. Uwe PostЧитать онлайн книгу.
das Spezialpaket Werbe- und Trojaner-Blocker, besonders wirksam bei chinesischen Fabrikaten. Leider auch besonders teuer.
Leo bedenkt eine Alternative. Er könnte so tun, als hätte er nichts mit der Angelegenheit zu tun, und dem Serverbetreiber unterstellen, dass der Trojaner durch eine Sicherheitslücke geschlüpft ist. Bloß ist die Support-Hotline chronisch überlastet und unterbesetzt, die Sache würde eine ganze Weile dauern, immer unterbrochen von besonders nervtötenden Spam-Erscheinungen. Mit zweifelhaften Erfolgsaussichten.
Zähneknirschend trägt Leo das auf symbolische Weise besonders schwere KryptoMax-Paket zur Kasse. Ein Geist taucht spontan aus der Wand auf, lächelt den Kunden warmherzig an und kassiert – immer noch breit lächelnd – einen wirklich schmerzhaften Betrag. Immerhin erhält Leo eine neutrale Plastiktüte. Das ist ein bisschen ungewohnt im Vergleich zu seinem früheren Leben, aber die Dinger können hier im digitalen Nirwana ja keine Meere verschmutzen.
Kaum wendet sich Leo zum Gehen, verschwindet der Grinsegeist wieder in seiner Wand – Energiesparmodus.
Draußen vor dem Laden öffnet Leo die erstandene Schachtel. Darin befindet sich ein Schokokeks mit der Aufschrift »Iss mich«. Leo zögert einen Moment, dann schiebt er sich die Süßigkeit in den Mund. Sie schmeckt nach nichts. Aber schon kurz nach dem Schlucken spürt Leo, wie es in ihm rumort. Er muss plötzlich fürchterlich dringend aufs Klo. Glücklicherweise befindet sich direkt nebenan eine Cocktailbar. Leo stürmt hinein, findet die Toiletten und fummelt eilig seine Hose auf. Normalerweise haben E-Tote nicht den Bedarf, sich irgendwelcher Stoffwechselprodukte zu entledigen, schließlich essen und trinken sie auch mehr aus Gewohnheit denn aus Notwendigkeit. Aber ebenso aus reiner Gewohnheit verfügen die meisten Gebäude, insbesondere Bars und Restaurants, über Toiletten. Selbst wenn man sie nicht zum Pieseln aufsucht: Eine wichtige soziale Begegnungsstätte sind sie allemal.
Leo scheidet mehrere grässlich stinkende Trojaner aus.
An der Bar bestellt er dann eine Flasche Scotch und ein Glas zum Nachspülen. Hau weg den Scheiß! Nach der Hälfte der Flasche ist immer noch keine Werbung erschienen.
Bei der wievielten Flasche Lemmy wohl gerade ist?
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KALTHOR1
»Im Namen des Lebens, der Götter, der Vorfahren und der Zukunft!«
Als Kalthor den Server betritt, fühlt er sich bereit wie nie. In der Rechten hält er sein Kurzschwert Eiseskälte. In der Linken seine Einhand-Armbrust, die vergiftete Pfeile verschießt und über ein Magazin mit zehn Schuss verfügt. Auf dem Rücken trägt Kalthor, Krieger der Lebenden, seinen Langbogen samt Köcher. Seine olivgrüne Armeekluft ist geschmückt mit Haarsträhnen seiner Opfer, und selbstverständlich hat sie noch nie eine Waschmaschine von innen gesehen. Darauf ist Kalthor besonders stolz. Von ihm geht der Odem der Vernichtung aus, er ist das Letzte, das seine Opfer wahrnehmen.
Kalthors Avatar ist illegal in diesen Server eingedrungen, und nichts und niemand wird seinen Feldzug gegen die Zombies verhindern. Es ist geradezu lächerlich einfach, sich die nötigen Passwörter zu beschaffen. Es gibt sie zuhauf in gut sortierten Darknet-Shops, aber meist ist es viel billiger, einen schlecht bezahlten Mitarbeiter der Serverbetreiber zu bestechen.
Kalthor ist in einem Vergnügungspark des Servers erschienen, direkt am Ausgang einer Geisterbahn. Er fällt hier nicht weiter auf und niemand wundert sich über ein paar Schreie mehr oder weniger. Nebenan steht der Tempel des Heiligen Hamburgers, gegenüber gähnt der Schlund der Untergrund-Achterbahn Wirklich allerletzte Fahrt. Im Hintergrund dreht sich das Verrückte Riesenrad, vorwärts, rückwärts, seitwärts; die Zombies kreischen vor Vergnügen.
Der Krieger rückt seine Sonnenbrille zurecht, dann nimmt er sein erstes Opfer ins Visier, das gerade heulend aus der Geisterbahn gelaufen kommt. Ein vielleicht fünfzehnjähriges Mädchen, blondiert und offensichtlich zu dumm, um wahre von inszenierten Bedrohungen zu unterscheiden. Eindeutig hat sie vor ihrem Tod nicht genug Shooter gezockt.
»Hallo«, sagt Kalthor und tritt ihr mit erhobenen Waffen in den Weg.
»Tun Sie mir nichts!«, bettelt das Mädchen.
Kalthor schüttelt langsam den Kopf. »Nicht jeder Wunsch geht in Erfüllung. Das gilt für mich und auch für dich.« Das Schwert zerschneidet die Luft und das Mädchen. Ihr Körper wird zu Eis und splittert, wo er getroffen wurde. Ihr Todesschrei gefriert, dann zerspringt der Rest von ihr in Eiswürfel, die sogleich zu schmelzen beginnen.
»Du gibst eine hübsche Pfütze ab«, sagt Kalthor und grinst. Das Display in seiner Brille zeigt ihm den Gewinn läppischer acht Erfahrungspunkte. Kalthor presst die Lippen aufeinander. Er wird sich wertvollere Gegner suchen müssen. Oder einfach mehr.
Als zwei ältere Herren lachend und tuschelnd im Ausgang der Geisterbahn erscheinen, verzieht Kalthor angewidert das Gesicht. »Tunten. Wie hübsch.« Er spuckt aus und erschießt den einen Mann mit der Armbrust, bevor der ihn überhaupt bemerkt. Das Opfer fällt wie ein nasser Sack mit krankhaften Zuckungen. Der andere nimmt die Beine in die Hand, läuft um Hilfe rufend Richtung Hauptweg.
Kalthor schießt ihm einen Giftbolzen in den Rücken. Der Mann geht zu Boden und windet sich, während sich sein Körper langsam in braune Pixelsoße auflöst. »Kommt davon«, brummt Kalthor. »Hättest stehenbleiben können. Der Tod durch die Klinge ist weniger schmerzhaft.«
Die Erfahrungspunkteanzeige klettert um gute 70 Punkte. Immerhin. Kalthor erblickt eine Leiter, die aufs Dach der Geisterbahn führt. »Hübsch, wie für mich gemacht«, brummt er zufrieden. Er klettert hoch, legt sich auf die Lauer und pfeift die Titelmelodie von Buffy – Im Bann der Dämonen mit halber Geschwindigkeit. Von hier aus kann er die ganze Promenade ins Visier nehmen. Zufrieden zielt Kalthor mit Pfeil und Bogen, sucht sich in aller Ruhe seine Opfer aus. Als ein Pärchen mittleren Alters an einer nahen Ecke eine zärtliche Umarmung zeigt, ist die perfekte Gelegenheit da.
Der Bogen schnarrt, der Pfeil sirrt. Und durchbohrt das Pärchen.
»Ich mag Schaschlik«, murmelt Kalthor zu sich selbst. Endlich werden Passanten auf ihn aufmerksam. Zeigen auf ihn, schreien, rufen. Einige rennen weg, vielleicht um Hilfe zu holen.
Kalthor weiß genau, wie lange das dauert. Er richtet sich auf, hebt beide Arme. »Ich bin Kalthor, Krieger der Lebenden!«, tönt er. »Und ich befreie eure Seelen von den abartigen digitalen Dämonen, damit sie in Ruhe schlafen können!« Unbeeindruckt von den Verwünschungen, die ihm die Zombies entgegenschleudern, hebt er die Armbrust. Zielen, schießen. Zielen, schießen. Immer wieder.
Fünf Zombies erwischt er, drei davon trifft er beim Weglaufen in den Rücken. Seine Erfahrungspunkte schießen nach oben. Die Erlösten winden sich auf dem Boden, während sie sich in halbtransparente Konglomerate aus Bits und Bytes verwandeln. Ihre Seelen werden es Kalthor danken.
Dann aktiviert seine Brille die Warnleuchte. Die Suchprogramme haben ihn eingekreist.
Kalthor deutet eine Verbeugung an, dann deaktiviert er den Avatar.
Wieder einmal hat er kalten Hass in hübsche Punktzahlen verwandelt.
Zufrieden steht er in seinem abgedunkelten Zimmer, das von lautem Hiphop und dem Surren von Computerlüftern erfüllt ist. Im Zwielicht fließen die vielen Rechner, Tastaturen, Tablets und Monitore ineinander und werden zu einem Monstrum elektronischer Kriegsführung.
Es