Praxis Dr. Norden Box 4 – Arztroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
gestand der junge Mann.
Er wollte gerade fortfahren, als sich eine Melodie in den Barjazz mischte. Arndt erhob sich und nahm das Mobiltelefon von der Anrichte. Ein Blick auf das Display und ein Seufzen folgte.
»Das ist Frau Herdeegen, eine Patientin. Bitte entschuldigt mich.« Er drückte auf die Taste mit dem grünen Hörer und verschwand im Wohnzimmer. Gedämpft klang seine Stimme durch die geschlossene Tür.
War das die Gelegenheit, auf die Janine seit zwei Stunden wartete? Sie überlegte noch, wie sie Dannys Auftrag ausführen sollte, als Malte das Wort ergriff.
»Deshalb werde ich niemals Medizin studieren«, erklärte er aus tiefstem Herzen. »Arzt ist kein Beruf, das ist eine Lebenseinstellung.« Er sah hinüber zu Janine. Sein offener Blick gefiel ihr. »Stört Sie das nicht?«
»Keine Sorge. Ich weiß, worauf ich mich einlasse. Als gelernter Krankenschwester ist mir kein Abgrund dieses Berufs fremd.« Die Überstunden, Krankenvertretungen und Notfälle, die sie manchmal tagelang in der Klinik festgehalten hatten, waren ihr in lebhafter Erinnerung geblieben. Dagegen waren die Arbeitszeiten eines niedergelassenen Arztes ein wahres Honigschlecken. Selbst wenn er, wie jetzt Arndt, ab und an zu Notfällen gerufen wurden.
Seine Miene sprach Bände, als er ins Esszimmer zurückkehrte.
»Frau Herdeegen hat plötzlich unerklärliche Schmerzzustände. Wir haben heute eine neue Therapie begonnen. Deshalb muss ich zu ihr fahren.«
Janine machte Anstalten aufzustehen. Offensichtlich hatte sie an diesem Tag kein Glück.
»Ich begleite dich hinunter und fahre dann nach Hause.«
»Auf gar keinen Fall«, widersprach Arndt und drückte sie zurück auf den Stuhl. »Bitte bleib hier. Es dauert bestimmt nicht lange.«
»Außerdem gibt es noch Nachtisch«, fügte Malte vielsagend hinzu.
Sein Kommentar gab den Ausschlag.
»Wenn es dir nichts ausmacht, wenn ich dir Gesellschaft leiste …«
»Malte liebt Besuch«, hallte Arndts Stimme aus dem Flur. »Er war schon immer ein geselliges Kind.«
Ein Glück, dass er nicht im Zimmer war. Maltes Augenrollen hätte ihm nicht gefallen. Nur mit Mühe konnte sich Janine ein Kichern verkneifen.
»Schön, dass du so fröhlich bist.« Arndt kehrte zurück, beugte sich über sie und küsste sie auf den Mund. »Ich bin bald zurück.« Kurz darauf fiel die Tür hinter ihm ins Schloss.
Janine machte sich daran, Malte beim Tischabräumen zu helfen. Plötzlich war die Leichtigkeit zwischen ihnen verflogen. Das lag nicht zuletzt an Dannys Auftrag. Wie sollte sie beginnen?
»Ich habe selten erlebt, dass sich ein Sohn so gut mit seinem Vater versteht«, sagte sie und beugte sich tief über den Geschirrspüler.
Malte stand neben ihr. Sein sinnender Blick fiel aus dem Fenster.
»Seit ich denken kann, erzählt er mir alles. Er behandelt mich mehr wie einen Freund. Nicht wie einen Sohn.«
»Das ist schön, dass Arndt dir so vertraut.«
»Mag sein. Aber manchmal ist mir das alles ein bisschen zu viel.« Malte sortierte das Besteck ins obere Fach des Spülers. Als das letzte Messer an seinem Platz lag, hob er den Kopf. »Ehrlich gesagt bin ich froh, dass er Sie kennengelernt hat. Dann muss ich auch kein schlechtes Gewissen mehr haben, wenn ich ihm nicht alles erzähle.«
Die Haut hinter Janines Ohren kribbelte, als wollten sich die Ohrmuscheln aufrichten.
»Das musst du so oder so nicht haben.« Sie wählte ihre Worte mit Bedacht. »Es ist ganz normal, dass Menschen Geheimnisse voreinander haben.«
»Finden Sie?« Malte betrachtete Janine mit schief gelegtem Kopf. »Sie haben gesagt, dass Sie Krankenschwester sind?«
»Das ist richtig.« Janine sah nach, wie er zum Kühlschrank ging und eine Schale herausholte. Er stellte sie auf die Arbeitsplatte und bestäubte die Oberfläche mit Kakao aus einer Edelstahldose. »Kann ich etwas für dich tun?«
Die Dose schwebte in der Luft.
»Wenn Sie versprechen, nichts meinem Dad zu sagen.«
So weit war es also her mit dem großartigen Verhältnis zwischen Vater und Sohn! Trotzdem war Janine erleichtert. Malte war ein ganz normaler Teenager. Egal, was sein Vater in ihre Beziehung hinein interpretierte.
»Kein Wort!«, versprach sie und hob drei Finger der rechten Hand zum Schwur.
Malte trug die Schüssel Tiramisu an ihr vorbei zum Esstisch. Er holte drei Dessertschalen aus dem alten Bauernschrank und stellte sie auf den Tisch.
»Ich habe seit ein paar Monaten immer wieder Durchfall. Ab und zu muss ich mich auch übergeben.«
Blitzschnell zählte Janine eins und eins zusammen.
»Und jetzt hast du Angst, dass du auch an Morbus Crohn leidest? Wie deine Mutter?«
Malte nickte. Er schob Janine eine Schüssel Tiramisu über den Tisch.
»Ich habe keine Ahnung, wie Dad darauf reagieren würde. Deshalb habe ich ihm nichts davon gesagt.«
Nachdenklich schob Janine einen Löffel Mascarponecreme mit Biskuit in den Mund.
»Schwer zu sagen. Allerdings deuten deine Symptome nicht zwangsläufig auf Morbus Crohn hin. Es gibt eine Menge anderer Erkrankungen, die mit Verdauungsbeschwerden einhergehen. Mein Chef Danny Norden kann das untersuchen. Vorausgesetzt natürlich, du willst das.«
Scheinwerferlichter streiften den Bauernschrank. Ein Motorengeräusch kam näher und verstummte vor dem Haus. Noch bevor sich Malte zu einer Antwort durchgerungen hatte, drehte sich ein Schlüssel im Schloss.
»Ah, du bist ja noch hier! Und Nachtisch gibt es auch noch«, frohlockte Arndt und bemerkte vor Freude nicht das künstliche Lächeln auf Janines Lippen.
*
»Zwanzig Minuten Pause!« Carlos’ Ankündigung war nicht nur eine Erlösung für Wendy.
Auch Dr. Daniel Norden wollte an die Bar flüchten, um seinen Kummer in einem Glas Apfelsaftschorle zu ertränken. Doch seine Frau kannte keine Gnade.
»Dan, mein Liebster, wo willst du denn hin?«, flötete sie und hielt ihn am Ärmel fest.
Wie von selbst bewegten sich ihre Beine im Salsaschritt.
»Gönnst du mir noch nicht einmal ein paar Minuten Erholung?«
»Dazu hast du heute Nacht noch genug Zeit. Wir müssen üben, damit du mir später keine Schande machst.« Felicitas zog ihren Mann an sich und legte die Linke auf seine Schulter.
»Na, vielen Dank auch für die Blumen.« Daniel wollte sich aus ihrer Umklammerung winden.
Vergeblich.
»Jetzt hab dich nicht so! Ich will doch nur stolz auf meinen Mann sein.«
»Und das geht nur, wenn ich Salsa tanzen kann?« Als sich seine Frau nach einer Drehung in seine Arme schmiegte, hielt Daniel sie fest.
»Das geht besser, wenn du Salsa kannst«, gurrte sie in seinen Armen. »Und alle Frauen mich um dich beneiden.«
Daniel zog sie an sich.
»Und was genau habe ich davon?«, raunte er ihr zu.
Fee lachte leise. Flüsterte ihm etwas ins Ohr. Daniels Mundwinkel hoben sich.
»Na, wenn das so ist, üben wir selbstverständlich weiter.«
Viel Zeit blieb dem Ehepaar nicht. Nur ein paar Minuten später scheuchte Carlos seine Schützlinge zurück auf die Tanzfläche.
Wendy schickte ihrem ehemaligen Chef einen hilfesuchenden Blick. Retten konnte er sie allerdings nicht. Ganz im Gegenteil.
»Nein, nein, nein. So geht das nicht«,