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Der Bund der Rothaarigen. Arthur Conan DoyleЧитать онлайн книгу.

Der Bund der Rothaarigen - Arthur Conan Doyle


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und Schubladen schienen vor der plötzlichen Abreise noch schnell durchwühlt und teilweise geleert zu sein. Holmes flog zum Klingelgriff, schob ein kleines Türchen in die Täfelung zurück und zog eine Photographie und einen Brief aus der Öffnung. Das Bild zeigte Irene Adler in Gesellschaftstoilette, der Brief war an Herrn Sherlock Holmes adressiert. Mein Freund riß den Umschlag auf, und wir lasen ihn alle drei gleichzeitig. Er war um Mitternacht des vorigen Tages geschrieben und lautete folgendermaßen:

      Mein lieber Herr Holmes!

      Sie führten Ihre Rolle wirklich bewunderungswürdig durch, und es gelang Ihnen vollständig, mein Vertrauen zu gewinnen. Bis der Feuerlärm vorüber war, hegte ich nicht den geringsten Argwohn, doch dann sah ich ein, daß ich mich verraten hatte, und wurde nachdenklich. Vor Monaten wurde ich schon vor Ihnen gewarnt, und Sie mir als der einzige bezeichnet, den der Fürst als Agenten verwenden würde. Ihre Adresse erfuhr ich ebenfalls. Doch dies alles bringt mich auf Ihren Wunsch zurück. Anfangs schämte ich mich meines Mißtrauens gegen einen so liebenswürdigen, alten Prediger, aber Sie wissen, ich bin selbst Schauspielerin gewesen und verstehe mich daher auf eine gute Maske. Ich habe sogar oft genug selbst von Verkleidungen Gebrauch gemacht. Ich schickte meinen Diener John als Aufpasser ins Zimmer und warf mich oben in meinen ›Wanderanzug‹, wie ich ihn nenne. Ich wurde noch rechtzeitig fertig, um Ihnen bis zu Ihrer Haustür folgen zu können und mich selbst zu überzeugen, daß ich für den berühmten Herrn Holmes ein Gegenstand des Interesses sei. Unvorsichtig wünschte ich Ihnen sogar ›Gute Nacht‹ und beeilte mich meinen Gatten aufzusuchen. Wir hielten es beide für das beste, uns einem so furchtbaren Gegner durch die Flucht zu entziehen. Sie werden daher morgen nur ein leeres Nest vorfinden. Wegen des Bildes mag Ihr Klient völlig beruhigt sein. Ich liebe und werde von einem viel edleren Manne, als er ist, geliebt. Der Fürst mag völlig nach seinem Belieben handeln, ich werde ihm, trotz seiner schweren Schuld gegen mich, nicht mehr in den Weg treten. Das Bild behalte ich in meiner sicheren Hut, es soll mich nur gegen spätere Angriffe schützen. Ich hinterlasse eine Photographie, auf deren Besitz der Fürst vielleicht Wert legt, und verbleibe, lieber Herr Sherlock Holmes, für immer Ihre ergebene

      Irene Norton, geb. Adler.

      »Welch eine Frau – nein, welch eine Frau«, rief der Fürst, als wir das Schriftstück beendet hatten. »Sagte ich Ihnen nicht, wie schnell und entschlossen sie handelt? Würde sie nicht eine großartige Fürstin geworden sein? Es ist ein Jammer, daß sie nicht mit mir auf gleicher Höhe steht!«

      »Nach dem, was ich von ihr gesehen habe, scheint sie mir allerdings einen ganz anderen Standpunkt einzunehmen als Eure Hoheit«, äußerte Holmes kühl. »Ich bedaure nur, die Angelegenheit nicht zu einem besseren Abschluß gebracht zu haben.«

      »Im Gegenteil, mein lieber Herr«, rief der Fürst lebhaft, »einen besseren Erfolg kann ich mir gar nicht wünschen. Ihr Wort steht felsenfest. Die Photographie ist jetzt ebenso sicher, als wäre sie ins Feuer geworfen.«

      »Die Worte Eurer Hoheit machen mich sehr glücklich.«

      »Ich bin tief in Ihrer Schuld. Bitte sagen Sie mir, womit ich Ihnen danken kann. Dieser Ring« – – er zog einen Smaragdreifen vom Finger und hielt ihn Holmes auf der offenen Hand hin.

      »Hoheit besitzen etwas, das viel höheren Wert für mich hätte.«

      »Bitte nennen Sie es nur.«

      »Diese Photographie.«

      Der Fürst sah ihn erstaunt an. »Irenes Photographie? Aber natürlich, wenn Sie sie haben wollen.«

      »Besten Dank, Hoheit. In der Sache läßt sich nun nichts mehr tun. Ich habe die Ehre, guten Morgen zu wünschen.« Er verbeugte sich und ging, ohne die ausgestreckte Hand des Fürsten zu bemerken.

      Auf diese Weise wurde der drohende Skandal im Fürstentum O. glücklich verhütet und die scharfsinnigsten Pläne Sherlock Holmes' durch die Schlauheit einer Frau vereitelt. Sonst hatte er sich stets über die Weiberschlauheit lustig gemacht, später habe ich nie mehr ein spöttisches Wort darüber von ihm gehört.

      Doktor Watson hatte geendet. Es war inzwischen Nacht geworden. Draußen rauschten die regennassen Bäume im Wind, irgendwo schlug ein Hund kurz und heftig an. Die Unterhaltung drin im Zimmer drehte sich lebhaft um das Gehörte, und die Sympathien der Anwesenden neigten sich sehr der Schauspielerin zu.

      »Es ist eigentlich ein Fall, wie er jeden Tag vorkommt«, meinte Doktor Hull. »Ein Verhältnis, das man nachher nicht mehr wahrhaben möchte. Nur daß es sich diesmal um ein regierendes Fürstenhaus handelte. Ein merkwürdiger, aber jedenfalls kein so ganz seltener Fall.«

      »Gewiß«, stimmte Doktor Watson bei. »Es war an sich keine außergewöhnliche Sache. Sherlock Holmes hat sich schon mit weit absonderlicheren Angelegenheiten abgeben müssen und sie glänzend gelöst. Wenn ich nur an diesen seltsamen »Bund der Rothaarigen« denke – –«

      »Bund der Rothaarigen?« fragte einer der Herren erstaunt. »Gibt es das auch? Und was für gemeinsame Interessen vertritt dieser Bund?«

      »Es ist eine ganze Geschichte«, erklärte Doktor Watson. »Und wenn Sie Lust haben, sie anzuhören – –«

      »Freilich, freilich! Erzählen Sie!« riefen die Gäste und rückten nah um den Kamin zusammen. Doktor Watson legte ein paar frische Birkenscheite nach. Dann begann er:

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