Эротические рассказы

Oval. Elvia WilkЧитать онлайн книгу.

Oval - Elvia Wilk


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die sich duplizierenden Zellen ein zartes, kleines Heim gebaut haben, indem sie Schicht auf parametrische Schicht legten, bis alles stimmte: ein vollkommen kreisförmiges, doppelbögiges Dach. Dann würde es aufhören. Knorpelgewebe in der ersten offiziellen Anwendung als Architektur. Ein perfektes, wachstumsfähiges, reproduzierbares, haltbares Dach, das Fin-Start in Form eines kleinen Bündels Zellen, die auf Kommando wachsen würden, überall in die Welt verschicken konnte. Zellen, die ursprünglich in ihrem Labor bei RANDI herangezüchtet worden waren.

      Sie konnte Michel schon vor sich sehen, wie er seine Aufregung zu unterdrücken versuchte. Sie würde ihn hänseln, ihn Dr. Evil nennen, doch wenn das Ding ausgewachsen war, würden sie sich beide ein paar Minuten lang dem Eigenlob hingeben. Diese Woche würde ein Ventil bieten für all die öden Monate, die sie damit zugebracht hatten, Variablen in riesige Datenblätter zu tippen und dabei so zu tun, als wäre ihnen ihre Arbeit scheißegal. (Andererseits würden sie einander mit einigen verlegenen Blicken eingestehen müssen, dass der Erfolg einen Wendepunkt darstellte, nun waren sie verantwortlich für das, was sie bei RANDI taten. Bisher hatten sie das Unbehagen hinter Sarkasmus und Augenrollen verbergen können, aber bald würden sie sich mehr Mühe geben müssen, Gleichgültigkeit vorzutäuschen und zu behaupten, sie wüssten nicht, wo all dies hinführte. Darüber wollte sie sich nächste Woche Gedanken machen, sobald sie die kleine Formübung durchgeführt hatten, ein Nachweis der Machbarkeit, der sicher nur ein kleiner Schritt in einem Vorgang war, der erst in Jahren zur Anwendung kommen würde.)

      Die Ampel an der Jannowitzbrücke unterbrach ihr Strampeln und das imaginäre Zellwachstum. Ein Schwarm Teenager in roten Kappen überquerte die Straße, für einen kurzen Moment war sie von ihnen umgeben. Drei Mädchen, die ihre Kappen verkehrt herum trugen – oh, kläglicher Widerstand! – liefen dicht hintereinander her. Es war einfach, anhand der Geometrie dieser Herde sofort das beliebteste Mädchen an der Spitze des Rudels auszumachen. Was hatte dieses Mädchen an sich, fragte sich Anja, dieses etwas reizlose, mit seinem Telefon beschäftigte Mädchen, dass es den Mittelpunkt der Gruppe bildete, das Eigelb im Zentrum der Aufmerksamkeit? Wie lautete der Faktor des sich selbst erneuernden Algorithmus, jener auffallend konsistenten Geometrie der Beliebtheit? Und wie konnte es sein, dass Anja nach all den Jahren die Antwort immer noch nicht kannte, dass sie selbst als erwachsene Wissenschaftlerin die versteckte Logik sozialer Übereinkünfte nicht verstand? Die Ampel schaltete auf Gelb, und die Gruppe eilte an ihr vorbei, angetrieben von einer Aufsichtsperson in einem roten T-Shirt. Zur gleichen Zeit übernahmen laut Podcast, der nun wieder zu ihr durchdrang, Quallen die Ozeane. In dem viel zu warmen Wasser starben andere Arten aus und überließen den Quallen den Raum, sich weiter zu vermehren. Einer dicken Steppdecke gleich breiteten sich die Quallen unterhalb der Wasseroberfläche aus, verstopften die Getriebe von Kraftwerken und blockierten den Fluss von Sauerstoff in die Tiefen des Meeres.

      Howard ließ sie zwei Minuten warten, beinahe lang genug, dass sie noch einmal geklingelt hätte, eher er ihr die Haustür öffnete und sie ins Gebäude einließ. Sie wusste, dass er sie durch die kleine Kamera an der Klingelanlage sehen konnte, und fragte sich, ob er sie in aller Ruhe gemustert hatte, bevor er den Knopf drückte. Sie schleppte ihren klebrigen Körper hinauf ins Obergeschoss, auf dem Treppenabsatz hielt sie inne, um die Haut unterhalb ihrer Augen mit einem Taschentuch abzuwischen. Ein großer Teil ihrer angeblich wasserfesten Mascara war verlaufen. Schwitzen verbrennt Kalorien, hätte ihre Schwester gesagt.

      Howard öffnete die Wohnungstür und drückte einen Kuss auf ihre erhitzten Wangen. Sie bemerkte einen feuchten Film auf seinem Kopf – der Kopf schwitzte, das war etwas, was sie bisher nicht für möglich gehalten hatte. Aber natürlich schwitzte ein Glatzkopf genau wie jeder andere. Sie ermahnte sich, nicht zu starren – Männer mochten das nicht – doch hier handelte es sich ja um Howard; er war seiner selbst sicher. Er war schon sehr früh kahl geworden und trug seine Glatze ohne all die Ängste jener Männer, denen das erst später im Leben widerfährt, er brachte sie nicht mit schwindender Männlichkeit oder irgendetwas anderem in Zusammenhang.

      So handhabte er fast all seine besonderen Merkmale, als wären sie nebensächlich und mitnichten bemerkenswert. Wie etwa die Tatsache, dass er die einzige Schwarze Person in den oberen Rängen von Fin-Start in Deutschland war, was er nie thematisierte. Theoretisch arbeitete er in der PR-Abteilung von Fin-Start, aber Anja hatte im Laufe der Zeit verstanden, dass die Art von sanfter Macht, die er über die Jahre erlangt hatte, viel gewichtiger war, als sein offizieller Titel es erahnen ließ. Er würde nie nach London zurückziehen, so viel war klar. Er saß hier fest im Sattel. Sein tadelloses Deutsch konnte schneidend sein wie Papier.

      Howard führte Anja den Flur entlang am Wohnzimmer vorbei, einem 50er-Jahre Wald aus Teakholz und Mahagoni, in die enge Küche, wo sie immer saßen. Möglichst weit weg vom Bett.

      »Nur Wasser, danke«, sagte sie, als er ihr einen Becher anbot.

      »Detox?«

      »Ein bisschen hibbelig. Ich brauche kein Koffein.«

      »Viel zu tun im Labor?«

      »Ja, tatsächlich. Beziehungsweise kommt das jetzt auf uns zu. Diese Woche ist eine große Nummer.« Dabei umrahmte sie ›große Nummer‹ mit Anführungszeichen.

      Ohne zu fragen, kippte er ein Päckchen Elektrolyte in ein Glas mit Wasser und reichte es ihr samt einem Löffel zum Umrühren.

      »Dann ist das ja gutes Timing. Ich habe große Neuigkeiten«, wobei nun er ›große Neuigkeiten‹ mit Anführungszeichen umrahmte. »Wahrscheinlich weißt du es schon, aber Fin-Start strukturiert einige Abteilungen von RANDI um.« Sie schwieg, dann kapitulierte sie und gab mit leichtem Kopfschütteln zu, dass sie es noch nicht wusste. »Oh«, sagte er. »Naja, nun weißt du es. Sie streichen nicht den ganzen Bereich oder so, aber sie führen viele Teilabschnitte zusammen. Der Großteil von Legierungen fließt in den Allgemeinen Zukunftsbereich ein, und der Knorpelsektor geht zurück zu Biologisch abbaubare Materialen, wo er wahrscheinlich von Anfang an hätte bleiben sollen.«

      Ihr Herz stockte für einen Augenblick. »Zurück zu Bioabbaubar? Da war ich vorher, erinnerst du dich, aber dann haben wir alle beschlossen, dass Knorpelgewebe eine eigene Abteilung werden sollte, weil wir aufbauen und nicht abbauen.«

      »Richtig. Deine Spezialmission, du hast uns damit in den Ohren gelegen. Aber nun ist deine Mission erfüllt. Voilà.«

      Sie kaute auf der Innenseite ihrer Wange herum und fummelte an den Ohrstöpseln in ihrer Tasche. Ear buds, dachte sie: Ohrknospen. Winzige Klumpen Knorpelgewebe, aus denen Ohren sprießen würden.

      »Eigentlich ist es aber noch gar nicht fertig«, sagte sie langsam. »Wir haben das Ding, das wir machen sollen, noch nicht wirklich im Labor wachsen lassen.«

      »Von der Wissenschaft dahinter verstehe ich nichts«, sagte er und lachte, »aber nimm es als fettes Lob von ganz oben. Scheinbar denken die, du hättest das, was du dir vorgenommen hast, erfüllt.«

      »Wir kehren also dahin zurück, wo wir herkamen. Kompost.«

      »Nein. Das ist die Sache. Ich weiß nicht, was mit dem Typen ist, mit dem du zusammengearbeitet hast, aber dich entlassen sie in die Freiheit.«

      »In die Freiheit? Bin ich gefeuert?«

      »Warum erwartest du immer das Schlimmste?« Er machte eine dramatische Pause. »Vielmehr haben sie dich direkt zur Beraterin befördert. Laboratory Knowledge Management Consultant nennen sie das, glaube ich.«

      Sie schüttelte den Kopf. Das ergab alles keinen Sinn. »Nein, Howard. Ich bin nur eine Labortechnikerin. Ich habe nichts getan, womit ich sie beraten könnte.« Beraterin war kein Titel, den sie jemals für sich vorgesehen hatte, weder in der Gegenwart noch in der Zukunft. Louis war der Berater, nicht sie.

      Er schien ihre Gedanken lesen zu können. »Oh, aber Louis, der hat das? Du weißt schon, dass man keine Erfahrung in der Beratung haben muss, um Berater zu werden.«

      Sie biss zurück. »Louis ist für seinen Job tatsächlich höchstqualifiziert.«

      Howard hob die Hände in gespielter Verteidigung. »Ich habe ja nicht behauptet, dass er das nicht ist. Ich sage nur, dass die Qualifikation nicht


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