Heliosphere 2265 - Der komplette Fraktal-Zyklus. Andreas SuchanekЧитать онлайн книгу.
Björn erhob sich. »Danke, Admiral. Ich fasse mich kurz, da die Zeit drängt. Um 22:15 Solarer Standardzeit erhielt ich eine Nachricht von Captain Cross. Er befindet sich aktuell auf Rental IV, in Gesellschaft des Obersten Rudelführers der Rentalianer. Es stellte sich heraus, dass es im dortigen System in der Tat ein weiteres Artefakt gibt. Es wirkt auf die Rentalianer jedoch anders als auf uns Menschen. Es beeinflusste die Crew eines Schiffes, worauf diese eine Antimateriebombe stahl und davonflog.«
»Damit können die einen Planeten ausradieren!«, sagte Isa Jansen entsetzt. »Gibt es Hinweise auf ihr Ziel? Besteht Gefahr für die Solare Union?«
Björn schüttelte den Kopf. »Zweifellos werden sie sie einsetzen, doch ihr Vektor deutet nicht in unsere Richtung. Captain Cross ist es gelungen, das wahrscheinliche Ziel ausfindig zu machen.«
»Das da wäre?«, wollte Zhang wissen.
»Das Schiff hat Kurs auf den Parlidenraum gesetzt. Es steuert auf ein System zu, über das wir bisher kaum Aufklärungsdaten besitzen. Die HYPERION hat unter dem Kommando von Commander Noriko Ishida die Verfolgung aufgenommen.«
Er hatte sie gesagt, die magischen Worte. Admiral Michalews Kopf fuhr in die Höhe, den Blick auf Björn gerichtet wie ein Raubtier, das seine Beute taxierte. Doch überraschend schnell glättete sich Michalews Stirn und er wandte den Blick ab.
»Aktuell befindet sich die HYPERION noch im Raum der Rentalianer und damit innerhalb der Phasenfunk-Relaiskette«, sprach Björn weiter. »Doch in einigen Stunden wird dies nicht mehr der Fall sein. Wir müssen uns für ein Vorgehen entscheiden. Kommandantin Ishida benötigt klare Befehle.«
»Ihre Empfehlung, Admiral Sjöberg?« Zhang wirkte nach außen hin gelassen, doch das tat er immer. Björn hatte ihn als einen Mann schneller Entscheidungen und klarer Worte kennengelernt.
»Sie soll das Schiff verfolgen und vernichten, bevor es die Bombe einsetzen kann. Andernfalls werden die Parliden umgehend einen Vergeltungsschlag gegen die Rentalianer führen. Unser Beistandsabkommen würde uns in diesem Fall dazu verpflichten, den Rentalianern zu helfen. Ich muss nicht sagen, worauf das hinauslaufen könnte.«
»Und was ist, wenn die Parliden unsere Intervention nicht als Hilfe ansehen, sondern als Angriff?«, fragte Admiral Pendergast. Wie immer suchte sie die Schwachstelle der Empfehlung und hinterfragte das Vorgehen – sie spielte den Advocatus Diaboli. »Die HYPERION hat im Elnath-System vor wenigen Wochen drei ihrer Schiffe zerstört. Und genau dieses Raumschiff – für die Parliden ein rotes Tuch – kommt nun herbeigeeilt, um angeblich das Schiff eines mit der Menschheit assoziierten Volkes zu vernichten? Das könnte genauso gut nach hinten losgehen.«
»Ein guter Einwand«, Zhang nickte Admiral Pendergast zu. »Aber es läuft darauf hinaus, dass wir uns zwischen diesen beiden Möglichkeiten entscheiden müssen. Und beide könnten unvorhersehbare Folgen nach sich ziehen. Halten wir uns heraus, greift bei einem Vergeltungsschlag durch die Parliden das Beistandsabkommen. Greifen wir ein, könnte es als feindlicher Akt betrachtet werden. Ich denke, jeder ist sich dessen bewusst. Da uns die Zeit davonläuft und ich die Präsidentin informieren muss, müssen wir uns jedoch entscheiden. Sie erwartet einen Plan, hinter dem eine geeinte Admiralität steht.«
Natürlich konnte die Präsidentin ihr Veto einlegen, doch das hatte sie bisher noch nie getan.
Björn schüttelte den Kopf – Politiker. Sollte der Space Navy diese Operation um die Ohren fliegen, würde die Präsidentin sich ganz einfach davon distanzieren.
Zhang bat um Handzeichen für und gegen eine Intervention der HYPERION. Zhang selbst, Santana, Isa und Björn stimmten mit zwei weiteren für einen Angriff. Fünf Admiräle stimmten dagegen.
»Juri, wie stimmen Sie?«, wollte Zhang wissen.
Alle Blicke richteten sich auf den Admiral.
Björn schloss die Augen. Er hatte vermutet, dass es so kommen würde. Bei den meisten seiner Kollegen war klar, in welches Lager sie gehörten. Und die Befürworter eines Krieges gegen die Parliden würden diese Möglichkeiten ausnutzen und gegen eine Intervention stimmen. Sie hofften, dass daraus auf jeden Fall ein Krieg entstand. Michalew wartete doch nur auf eine solche Gelegenheit.
»Lassen Sie die HYPERION das verdammte Ding abschießen«, sagte Michalew an Zhang gewandt. »Die Chancen, dass Ishida das hinbekommt, ohne einen interstellaren Zwischenfall zu provozieren, sind äußerst gering. Aber so besteht immerhin noch eine gewisse Chance auf Frieden.« Der Admiral räusperte sich. »Ich bin nicht sicher, ob ein Krieg zu diesem Zeitpunkt eine gute Idee ist.«
Wäre in diesem Augenblick ein Parlide unter ihnen materialisiert, Björn wäre nicht überraschter gewesen. Was war mit Michalew nur los? Björns Spione in den Reihen des Admirals sprachen schon die ganze Zeit davon, dass er seltsam in sich gekehrt wirkte und irgendetwas ausheckte. Was ging nur vor sich? Wenn die Versammlung vorbei war, würde er einige seiner Leute aktivieren, um das herauszubekommen.
»Damit steht es sieben zu fünf. Ich werde der Präsidentin empfehlen, dass wir das Schiff verfolgen und zerstören. Die Versammlung ist hiermit aufgelöst.«
Nach und nach verschwanden die einzelnen Admiräle.
»Sie haben eine Glückssträhne, Björn«, sagte Santana leise. »Ich hoffe, das war die richtige Entscheidung.«
Mit einem Nicken stand sie auf und ging.
*
Büro der Präsidentin, London, 13. Januar 2266, 23:05 Uhr
»Das ging überraschend schnell«, begrüßte Präsidentin Kartess Admiral Zhang, als er vor ihr materialisierte.
Er selbst befand sich noch immer auf SOL-13, um die Neukonstruktion des nächsten Schiffes der Interlink-Klasse zu besprechen. Sein Körper saß auf einem Holo-Chair, der seine neuronalen Wellen über den Phasenfunk in einen Körper aus Photonen im Büro der Präsidentin projizierte.
»Ab und an sind diese Zusammenkünfte doch ganz nützlich«, sagte er zu der hochgewachsenen Frau mit dem rotblonden Haar.
Präsidentin Kartess strahlte mit jedem Schritt und jeder Bewegung Eleganz aus. Sie trug ein modisches Kostüm und wirkte von ihrem filigranen Wesen her zerbrechlich, wodurch sie von ihren Feinden oft unterschätzt wurde. Ein Fehler, den jene Personen nur einmal begingen.
»Also gut, Yoshio, wie lautet Ihr Vorschlag für mich? Wofür spricht sich der Rat der Admiralität aus?«
Natürlich hatte er der Präsidentin noch während der Beratung einen Kurztext in ihren persönlichen Speicher gesendet.
»Sieben zu fünf für eine Intervention. Ich habe eine Nachricht an Kommandantin Ishida bereits vorbereitet. Mit Ihrem Einverständnis werde ich sie absenden.«
»Die ist hiermit erteilt«, sagte die Präsidentin. Sie lehnte sich in ihrem Stuhl zurück, griff nach einer auf dem Schreibtisch stehenden Porzellantasse, deren Wert vermutlich Yoshios Jahresgehalt überstieg, und nippte bedächtig daran. »Während ihr Rat debattierte, habe ich den Außen- und den Verteidigungsminister ins Bild gesetzt. Beide planen bereits für verschiedene Szenarien voraus, können im Ernstfall also schnell reagieren. Die übrigen Kabinettsmitglieder wissen bisher von nichts, und das wird auch noch eine Weile so bleiben. Mir steht wahrlich nicht der Sinn nach irgendwelchen Sondersitzungen. Gab es Probleme mit Michalew oder Sjöberg?«
Yoshio schüttelte den Kopf. »Sie haben sich beide tadellos verhalten. Michalew war heute handzahm. Irgendetwas ist da im Busch.« Während er sprach, aktivierte er seine körperlichen Funktionen auf SOL-13 mit einer gespeicherten Handgeste. Das Hologramm stand noch immer still vor der Präsidentin, während er mit seiner rechten Hand blind eine Eingabe auf der Konsole seines Holo-Chairs vornahm. Die Befehle an Ishida wurden nun automatisch über seinen Adjutanten versandt. Er aktivierte wieder das taktile Feedback des Hologramms, und das Gefühl seines Originalkörpers verblasste.
»Müssen wir uns Sorgen machen?«, fragte die Präsidentin.