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Die Frauen von Janowka. Helmut ExnerЧитать онлайн книгу.

Die Frauen von Janowka - Helmut Exner


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Gott«, sagte Eduard, »war das peinlich. Ebenso gut hätte ich mich nackt auf den Tisch stellen können und alle hätten mich begutachtet.«

      »Das können wir ja noch nachholen«, prustete Friedrich, »ich kenne ein paar Frauen, die mit großem Interesse daran teilnehmen würden.«

      Jetzt kam Serafine an die Tür, die mit Stillen fertig war und sagte: »Jetzt lass meinen kleinen Cousin in Ruhe. Er hat heute genug durchgemacht.«

      »Wer an den Honigtopf meiner Schwester will, der muss das ertragen können.«

      Nun gab Eduard seinem zukünftigen Schwager einen freundschaftlichen Kinnhaken und beide lachten, bis ihnen die Tränen kamen.

      Serafine schüttelte den Kopf und meinte: »Friedrich, ich dachte immer, dass du der vernünftigste Mann in der Familie bist, aber du stehst deinem Vater an Verrücktheit nicht nach.«

      Katlika heiratete Eduard Ehmke kurz nach Ostern. Und Serafines Bruder Rudolf heiratete Pauline Ehmke, eine Cousine von Eduard und Serafine. Lustig war, dass Rudolfs Mutter mit Mädchennamen auch Pauline Ehmke hieß. So machten Freunde sich einen Spaß daraus, zu sagen: »Konntest du dir nicht die Zeit nehmen, eine andere Frau zu suchen? So nötig kann man es doch gar nicht haben, dass man seine eigene Mutter heiratet.« Der Verwandtschaftsgrad zwischen beiden Paulines war allerdings sehr weitläufig.

      - Kapitel 11 -

      Wieder war Sommer in Wolhynien. Es war ein heißer Tag in Janowka. Die Frauen brachten das Mittagsbrot auf die Felder, um ihre Männer, Kinder und die Landarbeiter zu versorgen. Serafine, Friedrich, ihre Schwiegereltern Christine und Karl sowie Aljoscha, der ukrainische Landarbeiter und sein Sohn Michail saßen im Kreis unter einem Schatten spendenden Baum und löffelten ihre Suppe. Ihre beiden Töchter hatte Serafine schon vorher versorgt und zum Mittagsschlaf ins Bett gelegt. Martha, die heute im Garten arbeitete, sollte nach ihnen sehen.

      Plötzlich konnte Karl den Blick nicht mehr von der Dorfstraße wenden. Da tat sich etwas. Er stand auf und sagte: »Nanu, was hat das denn zu bedeuten?«

      Alle anderen erhoben sich ebenfalls. Eine Staubwolke. Nach einiger Zeit war darin ein Vierspänner zu erkennen mit je vier Reitern vor und hinter dem Wagen.

      »Das sind russische Soldaten«, sagte Friedrich und bewegte sich in Richtung Straße. »Ich will wissen, was die wollen.«

      Karl ging mit ihm, und nach einigen Minuten hatten sie den Platz vor dem Bethaus erreicht, an dem sich bereits über hundert andere Dorfbewohner eingefunden hatten. Und immer mehr Menschen strömten herbei. Einer der Soldaten nagelte ein Blatt mit einem russischen Text an die Tür des Bethauses. Überschrift: Allgemeine Mobilmachung. Unterzeichner: Zar Nicolaus II.

      Schließlich erhob sich der Uniformierte in seinem Vierspänner, signalisierte, ruhig zu sein und sprach laut in russischer Sprache: »Seine Majestät, Zar Nicolaus II. hat am 30. Juli 1914 dem Deutschen Reich den Krieg erklärt.«

      Verständnislose Blicke, nackte Angst, entsetzte Schreie einiger Frauen, Jammern. Der Uniformierte las unentwegt weiter. Bei dem Wort Mobilmachung gaben viele der Zuhörer wieder Laute der Unfassbarkeit von sich.

      »Folgende Männer haben sich morgen früh sieben Uhr hier an diesem Platz einzufinden: Abel Maximilian, Brandt Heinrich....., Exner Friedrich, Exner Gottlieb,.......Hinz Wilhelm,......Rattai......«

      Von den etwa 160 Männern des Dorfes wurden mehr als 50 aufgefordert, sich in weniger als 24 Stunden zur Armee zu melden.

      »Wer dem Befehl nicht Folge leistet, wird mit Tod durch Erhängen bestraft!«

      Die Dorfbewohner hatten alles liegen und stehen lassen. Die Feldarbeit ruhte. Man war nach Hause oder zu Nachbarn gegangen, um sich zu beratschlagen. Aber es gab keine Alternative. Man musste gehorchen oder man war tot. Serafine saß mit ihrem Mann, den Schwiegerelten, Gottlieb und den Nachbarn Emil und Caroline Gehrmann hinter ihrem Haus. Emil musste nicht zum Militär, weil er nicht mehr ganz so jung war. Die Armee hatte sich zunächst mal auf die Männer unter dreißig konzentriert. Christine saß wie in Trance auf der Gartenbank. Sie hatte in den letzten Stunden so viele Tränen vergossen, dass sie nicht mehr weinen konnte. Die Vorstellung, dass beide Söhne in den Krieg ziehen mussten, war unerträglich.

      »Jetzt sind wir gefordert, Karl«, sagte Emil Gehrmann. »Wenn die Jungen weg sind, müssen wir doppelt so viel arbeiten. Meine Söhne sind, Gott sei Dank, noch nicht so alt. Aber für den Freund meiner Tochter wird es jetzt auch ernst. Er ist ja Offizier in der Russenarmee. Als Deutschen wird man ihn bestimmt an vorderste Front stellen. Wie auch immer, wir müssen jetzt zusammenhalten. Natürlich werde ich euch bei der Ernte helfen. Wir wissen ja auch gar nicht, ob sie uns die ukrainischen Erntehelfer lassen, oder ob der Zar sich die auch holt.«

      »Wo kommen unsere Männer denn hin?«, fragte Serafine.

      »Zunächst mal in ein Lager nahe Kostopol. Da werden sie gemustert, und wer Glück hat, der wird wieder nach Hause geschickt. Wer gesund ist, bleibt zur Ausbildung da. Und danach hat sich vielleicht alles schon wieder beruhigt. Ich glaube nicht, dass der deutsche Kaiser jetzt Truppen gegen Russland schickt, nur weil der Zar ihm den Krieg erklärt hat. Und der Österreicher wird sich auch still verhalten, der hat sowieso schon genug Schwierigkeiten am Hals mit den Serben, den Italienern, den Ungarn und Rumänen. Wahrscheinlich ist der ganze Spuk in ein paar Wochen vorbei und die hohen Herren trinken einen miteinander. Wir sollten uns jetzt nicht verrückt machen.«

      Serafine stöhnte und sagte: »Gebe Gott, dass es so ist. Ach, wenn wir doch auf den Salomon gehört hätten. Der hat es uns immer und immer wieder gepredigt: Wandert aus, geht nach Kanada.«

      »Aber wer verlässt schon gerne seine Heimat?«, fragte Karl nachdenklich.

      Spät abends saß Christine noch allein in der Küche. Sie konnte einfach nicht schlafen. Karl war die ganze Sache wohl sehr an die Nieren gegangen. Er, der sonst immer so schlagfertig war und vor Energie sprühte, hatte sich ins Bett gelegt. Ich habe ihn selten so ratlos gesehen, dachte Christine. Es geht ihm nicht nur um die Arbeit, die jetzt ohne die beiden Jungs geschafft werden muss. Er macht sich ernste Sorgen um seine Söhne. Er ist so stolz auf sie. Sie sind ihm so ähnlich. Auch wenn Friedrich eher ein nachdenklicher Typ ist, vernünftig und nicht so laut wie Gottlieb und Karl, so sind doch beide Jungen in ihrem Wesen ganz und gar der Vater. Beide zusammen ergänzen sich so, dass dabei Karl herauskommt. Es war schön, sie heranwachsen zu sehen. Um nichts in der Welt möchte ich die Streiche missen, mit denen sie ihren Vater auf die Palme gebracht haben. Und das ist bis heute so geblieben. Sie treiben immer noch viel Blödsinn, Gottlieb noch mehr als Friedrich. Das ist nunmal das Erbe ihres Vaters. Der lässt ja auch keine Gelegenheit aus. Ein kleines Lächeln legte sich um Christines Mundwinkel. Und wie lieb sie sich um ihre kleinen Schwestern gekümmert haben. Auch das ist bis heute so geblieben. Christine trank von der Milch, die sie sich eingegossen hatte und atmete tief ein. Und nun steht Serafine allein da mit ihren beiden kleinen Mädchen. Und das dritte Kind ist unterwegs. Nur gut, dass wir so dicht beieinander wohnen. Ich kann ihr helfen, und Martha ist auch noch da. Wenn die Jungen nur gesund zurückkommen. Das Lächeln war aus ihrem Gesicht gewichen und sie rief laut: »Verdammt! Warum müssen diese verfluchten Kaiser und Könige Krieg machen! Sollen sie sich doch selbst die Köpfe einschlagen. Was haben wir damit zu tun?«

      Es kam selten vor, dass die vernünftige Christine ihrem Ärger auf diese Weise Luft machte. Aber der heutige Tag war eine Ausnahme.

      Am nächsten Morgen hatte sich das gesamte Dorf auf dem Platz versammelt. Dazu kamen noch die Leute von den entfernter gelegenen Einzelgehöften und aus Solomiak. Auch Rudolf, Serafines Bruder, sowie Eduard, Katlikas Mann, hatte es getroffen. Da beide in Solomiak wohnten, hatte Serafine erst jetzt davon erfahren, geahnt hatte sie es aber schon gestern. Bislang hatten die Russen bei einigen Männern darauf verzichtet, sie zum Militärdienst einzuziehen, insbesondere, wenn sie dringend auf ihrem Hof gebraucht wurden. Und manchmal half auch Geld, um die Behörde zu solch einer Entscheidung zu bringen.


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