Sprachenübergreifendes Lernen. Группа авторовЧитать онлайн книгу.
und interkulturell konstruiert wird, ermöglichen, fördern und fordern die ‚Fliegenden Teppiche‘ den Austausch zwischen den LeserInnen und machen sie zugleich zu AutorInnen eines gemeinschaftlich entstehenden Projekts. Auf diese Weise unterstützen sie die Arbeit der Lehrkräfte bei der Entwicklung und Förderung von Lesegewohnheiten, fördern das Interesse an der Verwendung von Materialien in verschiedenen Formaten, animieren zu gemeinsamen Lernprozessen, regen Verbindungen zwischen der inner- und der außerschulischen Welt an, stärken das soziale Miteinander und ermuntern – nicht nur die SchülerInnen – zu Offenheit für kulturelle und sprachliche Vielfalt (vgl. Vallejo Rubinstein & Noguerol Rodrigo, 2018).
Beim lokalen ‚Fliegenden Teppich‘ handelt sich um einen Koffer, der mit verschiedenen Materialien gefüllt ist und eine detaillierte Anleitung für die Durchführung der damit verbundenen Aktivitäten enthält. Darüber hinaus befindet sich im Koffer ein Notizbuch, in dem die Familien Dinge festhalten können, die sie mit den anderen teilen möchten. Zusätzlich zu den Materialien, die von den Lehrkräften bereitgestellt werden, werden SchülerInnen und deren Eltern eingeladen, Beiträge in verschiedener Form (digital, audio, analog etc.) aus ihren Herkunftskulturen und -sprachen einzubringen; dies können zum Beispiel Bücher, Comics, Ton- und Videoaufnahmen, Links zu Websites, Zeichnungen, Fotos oder Gegenstände sein, sowohl in der Landessprache als auch in einer Herkunftssprache. Nach einem Workshop (Leitfaden s. Anhang), in dem über die Nutzung aufgeklärt wird, wandert der ‚Fliegende Teppich‘ von Kind zu Kind. Familien werden gebeten, sich einen ruhigen Moment zu nehmen, das Material zu lesen und sich darüber auszutauschen. Darüber hinaus werden die Familien gebeten aufzuschreiben, was während der Lektüre vor sich gegangen ist, welche Gedanken sie sich zu den Materialien gemacht haben und was ihnen am besten gefallen hat. Vorbereitete Fragen und Kommentare helfen den Kindern dabei, ihre Gedanken und Gefühle auszudrücken. Durch das gemeinsame Rezipieren der gesammelten Materialien können SchülerInnen in Begleitung ihrer Eltern Erfahrungen mit Multiliteralität (multimodal, mehrsprachig, interkulturell) machen und sich der sprachlichen und kulturellen Lebenswirklichkeiten ihres Umfelds bewusst werden. Durch die Einbindung der Eltern in den Entstehungs- und Verwendungsprozess der Materialien wird zudem eine Verbindung zwischen Schule und Elternhaus geschaffen, die den von KOINOS explizit gewünschten Beitrag zum gesellschaftlichen Miteinander leistet.
Die ‚E-fliegenden Teppiche‘ (vgl. exemplarisch Abbildung 2 & 3, http://plurilingual.eu/de/e-portfolio/fliegende-teppiche) dienen dem Austausch zwischen Schulen der verschiedenen Partnerländer. Auch hier soll die Förderung von Multiliteralität und der Kontakt mit sprachlicher und kultureller Vielfalt im Fokus stehen. Durch die Kommunikation und Kollaboration über Grenzen hinweg entsteht hier die Notwendigkeit für LehrerInnen und SchülerInnen, sich mit digitalen Medien auseinanderzusetzen und diese zu verwenden sowie Strategien zu entwickeln, sprachliche Barrieren zu überwinden. Das KOINOS-Portal dient dabei neben klassischen Emails als Plattform für die Kommunikation zwischen Lehrenden zur Planung, Durchführung und Reflexion der gemeinsam entwickelten Unterrichtsprojekte sowie zum Austausch für die SchülerInnen. Für diese ‚E-fliegenden Teppiche‘ können SchülerInnen beispielsweise Audio- und Videoaufnahmen oder Zeichnungen (visuelle Narrative, vgl. Melo-Pfeifer & Helmchen, 2018) herstellen, in denen die SchülerInnen sich und ihre Sprachen vorstellen, ihren AustauschpartnerInnen Lektürevorschläge unterbreiten, ihnen Tonaufnahmen ihrer Lieblingslieder bzw. Links dazu schicken oder die Durchführung bestimmter Aktivitäten empfehlen.
Abbildung 2: ‚E-fliegender Teppich‘ der Rudolf-Roß-Grundschule (Hamburg)
Durch den Austausch über diese Aktivitäten, Rückfragen und Bemerkungen entfaltet KOINOS sein interaktionales Potential. Eine solche Aktivität ist beispielsweise das Projekt ‚Alba‘, in dem ein Mädchen aus dem Jahr 3025 die SchülerInnen per Videobotschaft bittet, die Sprache zu retten, die in der Zukunft nur sehr reichen Menschen vorbehalten ist. Sie fordert die SchülerInnen deshalb auf, ihre Lieblingsworte zu sammeln, die um ein bestimmtes Thema kreisen, in diesem Fall das Thema ‚Mut‘. Im Anschluss wird das Ergebnis mit den SchülerInnen der anderen Schulen geteilt. Die Form der Präsentation wird den TeilnehmerInnen überlassen. In einem anderen Projekt, El còmic arreu del món (Das Comic rund um die Welt), erstellen SchülerInnen der verschiedenen teilnehmenden Schulen gemeinsam ein Comic in verschiedenen Sprachen. Beide Unterrichtsprojekte fördern die rezeptive und produktive Auseinandersetzung mit der bzw. den eigenen Sprache(n) und bieten zugleich die Erfahrung, dies auch mit unbekannten Sprachen zu tun. So wird die Neugier auf und das Bewusstsein für sprachliche (Bedeutungs-)Vielfalt angeregt und die Motivation für den Erwerb fremder Sprachen gesteigert.
Abbildung 3: ‚E-fliegender Teppich‘ der Grundschule Baró de Viver (Barcelona)
Gemäß der Zielsetzungen von KOINOS erfüllen diese Projekte die von Kalantzis und Cope (2008; sowie Cope & Kalantzis, 2009) definierten Anforderungen an eine zeitgemäße Form der (Multi-)Literalität und unterstützen SchülerInnen dabei, Kompetenzen zu entwickeln, die sie dazu befähigen, sich in vielfältigen und dynamischen sprachlichen Milieus mit unbekanntem Text auseinanderzusetzen, nach Hinweisen auf Bedeutung zu suchen, ohne dabei ein Gefühl der Distanz oder Exklusion zu empfinden. In einer weiteren Aktivität stellten SchülerInnen Weihnachtspostkarten für die SchülerInnen einer portugiesischen Partnerschule her und drehten einen Videoclip über das Making-of, den sie den anderen online zur Verfügung stellten. Die affektive Komponente, die dem Austausch persönlicher Nachrichten unter den SchülerInnen innewohnt, dient dabei einem der primären Projektziele, der Stärkung sozialer Kohäsion, in diesem Fall über die Grenzen der unmittelbaren Umgebung der SchülerInnen hinaus.
Von großer Bedeutung für eine erfolgreiche Durchführung der Projekte ist die Integration der von den Partnerklassen erstellten Materialen in den Unterricht. Dabei werden keine Sprachkenntnisse der LehrerInnen vorausgesetzt; sie sollen sich gemeinsam mit ihren SchülerInnen auf eine sprachliche und interkulturelle, kooperative Entdeckungsreise begeben. Zur Unterstützung der am Projekt beteiligten LehrerInnen finden sich auf dem KOINOS-Portal Hilfsmittel wie ein Aktivitätenraster, in dem Ziele, Themen, Materialien und Organisation gemeinsam festgelegt und festgehalten werden können.
5. Zusammenfassung und Fazit
Literalität ist der Schlüssel zur Teilhabe an der Mediengesellschaft. Sie ist die Voraussetzung für autonomes und lebenslanges Lernen und befähigt Individuen somit, sich stetig weiterzuentwickeln. Literalität beschränkt sich im 21.Jahrhundert aber nicht mehr auf die Rezeption mündlicher oder schriftlicher monolingualer Texte. Der kompetente Umgang mit einer großen Diversität medialer Darreichungsformen in verschiedenen Sprachen ist bereits jetzt von immenser Wichtigkeit für das Lehren und Lernen und wird mit voranschreitender Globalisierung und technologischem Fortschritt weiter an Bedeutung gewinnen. Die frühe Förderung von Multiliteralität muss deshalb Kernanliegen einer modernen Pädagogik sein. Wenngleich die Förderung von Literalität Hauptaufgabe der Schule ist, kann die Ausbildung von Lesekompetenz nicht allein darauf beschränkt bleiben (vgl. Ehmig & Reuter, 2011). Für eine wahrhaft wirksame Förderung müssen alle am Bildungsprozess von Menschen beteiligten sozialen AkteurInnen einbezogen werden. Dazu gehören neben professionellen Institutionen wie beispielsweise Bibliotheken und Jugendzentren auch die Familien – als der Ort, an dem die Lesesozialisation ihren Anfang nimmt. Hertel, Jude & Naumann (2010, S.272) konstatieren dazu:
Neben der Bereitstellung von Ressourcen und der aktiven Gestaltung der Lernumgebungen im Elternhaus sind auch die Einstellungen und Überzeugungen der Eltern zum Lesen sowie ihre eigene Lesepraxis wichtige Faktoren der Lesesozialisation. Das Verhalten der Eltern wirkt sich nicht nur im Sinne einer Vorbildfunktion aus, vielmehr ist auch davon auszugehen, dass sich deren Einstellung zum Lesen wiederum auf die vorhandenen Ressourcen und die Leseförderung auswirken.
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