Ein neuer Anfang für die Liebe. Susan Anne MasonЧитать онлайн книгу.
über diesen Mann wusste. Was hatte er für ein Leben geführt, bevor er nach Brentwood gekommen war? Alles, woran Julia sich erinnerte, war ein junger Mann in der Uniform eines Dieners. Zu gerne hätte sie mehr über ihn gewusst, vor allem, wie er ein Bediensteter ihres Onkels geworden war.
Mit ernster Miene setzte sich Quinn ihr gegenüber. „Bitte, machen Sie sich keine Sorgen, Miss Holloway. Alles wird gut. Das verspreche ich Ihnen.“ In seinem Blick lag Aufrichtigkeit. Konnte Julia seine gut gemeinte Geste wirklich annehmen? Das letzte Mal, als sie sich auf die Barmherzigkeit eines Fremden eingelassen hatte, hatte sie ihre Fehleinschätzung später bitter bereut.
Im Vergleich zu damals strahlte Quinn jedoch ein Gefühl der Sicherheit und Vertrauenswürdigkeit aus. Trotzdem – Vorsicht würde sicher nicht schaden! „Was stimmt Sie so gewiss, dass alles gut wird?“, fragte sie ihn ruhig. „Ich glaube nicht, dass ich mir die Miete hier leisten kann.“
Er musterte sie. „Ich kenne Mrs Chamberlain noch nicht lange, aber ich weiß, dass sie ein großes Herz hat und gerade Zugezogenen mit besonderer Fürsorge begegnet. Tatsächlich leitet sie zusammen mit dem Pastor einer Gemeinde hier eine Gruppe für Neuankömmlinge in der Stadt“, sagte er und lächelte. „Seien Sie vorgewarnt, dass Mrs C Sie zweifelsohne zu einem Treffen einladen wird.“
„Das wäre keine schlechte Idee“, sagte Julia zaghaft und versuchte zu lächeln. „Ich habe noch nicht viele Freunde in der Stadt. Und nun, wo Sam …“ Eilig presste sie die Lippen zusammen, um Tränen zu unterdrücken. Wann wäre sie jemals so weit, seinen Namen zu erwähnen, ohne dabei innerlich zusammenzubrechen?
„Der Verlust Ihres Freundes tut mir sehr leid“, sagte Quinn mit sanfter Stimme. „Es muss ein fürchterlicher Schlag für Sie gewesen sein.“
„Das war es. Ich … Ich habe seine Leiche gefunden.“ Verzweifelt schloss sie die Augen und kämpfte gegen die Bilder von Sams leblosem Körper auf dem Bett an, den blutgetränkten Laken und seinem Gesicht, so blass wie die Wand hinter ihm.
„Warum?“ Dieses eine Wort zerrte heftig an Julias Herz und Seele. Wie oft hatte sie sich dasselbe gefragt? „Warum hat er sich das Leben genommen?“, formulierte Quinn die Frage aus.
„Das weiß ich nicht genau“, erwiderte Julia mit gerunzelter Stirn. „Es war kurz nachdem er schlechte Nachrichten vom Arzt erhalten hat. Nachrichten, von denen ich nur zu gern selbst gewusst hätte. Vielleicht hätte ich dann etwas tun können, um seinen Tod zu verhindern“, erklärte sie und holte tief Luft. Sie hielt sich eine Hand auf den Magen und atmete langsam wieder aus, um das Übelkeitsgefühl zu verdrängen.
Voller Mitgefühl sah Quinn sie an.
„Ich wusste, dass er an jenem Nachmittag einen Termin bei Dr. Clayborne hatte, doch er hat darauf bestanden, allein zu gehen. Und später wollte er mir nicht sagen, was er vom Arzt erfahren hat. Stattdessen hat er sich in sein Zimmer verkrochen und wollte allein sein. Als ich ihn dann am nächsten Morgen aufwecken wollte, habe ich ihn …“, sie hielt inne, ihr Hals schnürte sich zu.
„Sie brauchen nichts mehr zu sagen. Den Rest kann ich mir denken.“
Doch Julia schüttelte den Kopf. „Ich kann nicht anders, als mich verantwortlich zu fühlen. Als seine Pflegekraft hätte ich früher nach ihm sehen müssen. Ich hätte es wissen müssen!“ Wieder schloss sie die Augen und versuchte, gegen den Schmerz anzukämpfen.
Wärme umgab ihre kalten Finger, als Quinn eine ihrer Hände in die seinen nahm. „Julia, tun Sie sich das nicht an. Geben Sie sich nicht die Schuld für Sams Handlungen.“
Als sie die Augen wieder öffnete, sah sie Quinns Gesicht dicht vor ihrem und seine Augen strahlten Mitgefühl aus. Für einen Augenblick klammerte sie sich an seiner Hand fest und sog den Trost auf, den er ihr bot. Doch dann kamen in ihr ungebetene Erinnerungen an Dr. Hawkins und das Brandmal seines Trostes hoch. Schnell zog sie ihre Hand wieder zurück.
Nebenan klirrten einige Tassen und kurz darauf betrat Mrs Chamberlain die Stube. „Tut mir leid, dass ich so lange gebraucht habe. Ich habe doch einen frischen Tee aufgesetzt“, erklärte sie und stellte ein Tablett auf dem Tisch ab. Mit einem Blick zu Julia nahm sie wahr, wie aufgelöst sie war. „Oh, meine Liebe. Bitte seien Sie unbesorgt. Im zweiten Stock habe ich ein kleines Zimmer frei. Eine meiner anderen Mieterinnen bereitet es gerade schon für Sie vor.“
Mit einem Taschentuch tupfte sich Julia die Wangen ab. „Das ist überaus nett von Ihnen, danke. Aber … ich fürchte, ich kann mir die Miete nicht leisten.“
„Aber, aber! Heute Abend möchte ich nichts mehr von Geld hören. Morgen, wenn Sie sich erholt haben, wird genug Zeit sein, um über die Zukunft zu sprechen.“
Erholt? Sogleich wanderte Julias Blick zu der kunstvoll verzierten Uhr auf dem Kaminsims. Bereits nach Mitternacht. Wie sollte sie mit so wenig Schlaf bloß morgen früh um sieben wieder im Krankenhaus sein?
„Ich muss morgen schon sehr früh wieder arbeiten gehen. Und ich weiß nicht einmal, wie ich von hier zum Militärkrankenhaus komme“, sagte sie. Erschöpft bis auf die Knochen wurde selbst das Denken zu einer Qual. Wenn sie noch länger aufblieb, bekäme sie gar keinen Schlaf.
„Nur keine Sorge. Wir sind hier alle Frühaufsteherinnen. Und eine meiner Mieterinnen, Nora, arbeitet bei einer Bank, die genau auf der gegenüberliegenden Straßenseite des Krankenhauses liegt. Sie wird Ihnen helfen, rechtzeitig zur Arbeit zu kommen.“
Julias Rücken entspannte sich und sie sank in die Kissen des Sofas.
Mrs C drückte ihr eine Tasse in die Hand. „Trinken Sie Ihren Tee, Liebes. Und wenn Sie damit fertig sind, wird auch Ihr Zimmer bereit sein.“
Mit einem großen Schluck leerte Quinn seine Tasse und stellte sie zurück auf das Tablett. „Vielen lieben Dank, Mrs C. Jetzt, da ich weiß, dass Julia in den besten Händen ist, werde ich wohl besser wieder gehen“, sagte er und stand auf.
„Keine Ursache, Quinten. Kommen Sie gern vorbei, wann immer Sie möchten.“
Mit einem langen Blick zu Julia erwiderte er: „Das habe ich vor. Schlafen Sie gut, Julia. Wir sehen uns morgen.“
Kapitel 6
Am nächsten Nachmittag wanderte Quinn ungeduldig den Bürgersteig vor dem Militärkrankenhaus auf und ab und wartete auf Julias Schichtende. Er hoffte, sie würde nicht versuchen, ihm aus dem Weg zu gehen und das Krankenhaus bewusst über einen Hinter- oder Mitarbeiterausgang verlassen. Er konnte sich gut vorstellen, dass sie sich womöglich schämte und vielleicht sogar ein wenig verärgert war über ihn und die Art, wie er die Situation mit ihrem alten Vermieter gehändelt hatte.
Nichtsdestotrotz bereute Quinn seine Handlung nicht. Genauso wenig wie er seine kleine Schwester in solch einer Situation hätte alleinlassen können, konnte er auch Julia nicht der Willkür dieses Mannes überlassen. Seine Ehre hatte ihn dazu verpflichtet, die Nichte des Earls aus diesen Umständen zu retten. Denn es war offensichtlich, dass sie schwere Zeiten durchgemacht hatte.
Da Julia als Sams persönliche Pflegekraft nach Kanada gekommen war, nahm er an, dass ihre Stelle mit ihm gestorben war. Und da Julia auch keine ausgebildete Krankenschwester war, sondern lediglich ihre Erfahrungen aus der Kriegszeit hatte vorweisen können, bezweifelte Quinn, dass dies genug gewesen war, um in dem Bereich angestellt zu werden.
Aber Böden schrubben? Sicher gab es irgendeine andere Arbeit, die eher ihren Fähigkeiten entsprach. Und sie weniger beanspruchte. Auf dieses Thema musste Quinn jedoch mit äußerster Vorsicht zu sprechen kommen! Am besten zeigte er ihr dabei auf, dass die Rückkehr nach England die beste Option darstellte.
Jetzt öffnete sich eine Tür und Julia trat heraus. Als sie Quinn entdeckte, zögerte sie kurz, doch dann lächelte sie zaghaft. „Guten Tag, Mr Aspinall.“
„Guten Tag. Aber bitte, bleiben wir bei Quinn“, sagte er und bot ihr den Arm an. „Gleich auf der nächsten Straße habe ich ein hübsches Café entdeckt. Ich bezweifle zwar, dass wir dort guten englischen Tee bekommen, aber ich wäre