Sophienlust Staffel 15 – Familienroman. Elisabeth SwobodaЧитать онлайн книгу.
in Ordnung zu bringen.«
»Immerhin haben wir das Geständnis des alten Nissen«, meinte der Anwalt nachdenklich. »Das ist schon etwas. Und mit der Aussage von Anjuta Fabricius können wir auch rechnen.«
»Wenn sie noch so lange lebt«, sagte Daniel leise.
Über diesen Einwurf dachte er noch nach, als er den Rechtsanwalt bereits verlassen hatte und wieder auf dem Weg zu seinem Büro war. Mein Gott, wenn sie doch nur am Leben bliebe, wünschte er sich verzweifelt. Sie bedeutet mir so viel.
Als er an diesem Abend nach Hause kam, rief er in Davos an und ließ sich mit Anjuta verbinden.
»Daniel, warum rufst du an?«, fragte sie überrascht.
»Ich wollte nur einmal hören, wie es dir geht.«
Daniel hatte Angst vor ihrer Antwort, doch ihre Stimme klang aufrichtig und lebhaft, als sie antwortete. »Mir geht es ein bisschen besser. Der Arzt ist sehr zufrieden mit meiner Verfassung.«
»Und wie fühlst du dich?«, fragte Daniel.
»Auch gut. Wirklich.«
»Das freut mich, Anjuta. Das freut mich sehr. Hör mal, ich werde dich nächstes Wochenende wieder besuchen. Bist du einverstanden?«
»Was für eine Frage, Daniel. Es gibt nichts, was ich mir mehr wünsche. Kommst du allein?«
»Wo denkst du hin?«, erwiderte er zärtlich.
»Ich weiß doch, wie sehr du dir das Wiedersehen mit deinem Jungen wünschst. Mit unserem Jungen«, fügte er leise hinzu.
»Ja, Daniel, das stimmt. Ich möchte ihn wiedersehen. Wirst du ihn mitbringen?«
Daniel versprach es. Dabei beschloss er, auch Ulrike mitzunehmen. Auf diese Weise würde er zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Er würde das Wochenende mit Ulrike verbringen und gleichzeitig Anjuta sehen. Und außerdem konnte er ihr Jens bringen.
Auf wen freue ich mich jetzt eigentlich mehr?, fragte er sich, als er an diesem Abend zu Bett ging. Auf Ulrike? Auf Anjuta? Oder auf Jens? Er konnte es nicht entscheiden und kam zu der Überzeugung, dass seine Vorfreude auf alle drei gleich groß war.
*
Jens saß im Aufenthaltsraum von Sophienlust und machte Hausaufgaben. Neben ihm saß Ulrike. Sie schaute ihm bei seiner Arbeit zu.
»Komm doch mit heraus, Ulrike«, bettelte Heidi. »Wir spielen im Park. Es ist doch so schönes Wetter.«
»Ja, aber Jens ist mit seinen Hausaufgaben noch nicht fertig«, sagte Ulrike.
Mit einem verständnislosen Kopfschütteln lief die kleine Heidi hinaus. Sie wusste, dass Ulrike immer bei Jens sitzen blieb, bis er seine Hausaufgaben fertig hatte. Ohne einen Mucks von sich zu geben, saß sie neben ihm und schaute andächtig zu, wenn er Zahlen oder Wörter in seine Hefte schrieb, die ihr unverständlich waren. Jens war für sie der Klügste. Außer dem Vater natürlich. Jens wusste auf alle Fragen eine Antwort. Außerdem war er inzwischen auch nicht mehr so schüchtern. Er wehrte sich, wenn ihm jemand Unrecht tat. Und einmal hatte er sogar zurückgeschlagen, als ein Stadtjunge versucht hatte, ihn zu verprügeln.
Darüber hatte sich am meisten Nick gefreut. »Der wird schon noch richtig«, hatte er behauptet.
»Ist es vielleicht richtig, wenn er sich prügelt?«, hatte Irmela ihm widersprochen.
»In diesem Fall war es richtig. Man kann sich schließlich nicht alles gefallen lassen. Sonst wird man von seiner Umwelt sehr schnell zum Hanswurst abgestempelt. Das weiß niemand besser als Jens selbst. Er ist bestimmt kein Raufbold. Er ist ungerechterweise angegriffen worden und hat sich gewehrt. Das halte ich für vollkommen richtig. Künftig wird es sich dieses Lästermaul zweimal überlegen, Jens anzugreifen.«
»Jetzt bin ich fertig«, sagte Jens. Er holte tief Luft und klappte sein Heft zu.
»Gehen wir hinaus spielen?«, fragte Ulrike. »Oder willst du lieber drinbleiben?« Sie richtete sich in allem nach Jens.
»Was ist dir lieber? Rausgehen, nicht wahr?«
Ulrike nickte und sprang auf. Doch an der Tür wurden sie noch einmal zurückgerufen. Von Schwester Regine. »Ich habe gerade mit deinem Vati telefoniert, Ulrike.«
»Oh!«
»Er lässt euch beiden schöne Grüße ausrichten und euch sagen, dass er morgen kommt und euch abholt.«
Jens’ Augen begannen zu leuchten.
»Hast du das gehört, Jens?«
Der Junge nickte und lächelte. »Bestimmt fährt er mit uns nach Davos«
»Wieso nach Davos?«, fragte Ulrike verständnislos.
»Na, zu meiner Mutti.«
»Ach so. Meinst du, ich darf auch mit?«
»Freilich. Wenn du willst. Willst du?«
Sie nickte. Eine Mutti, die so lieb war, wie Jens erzählte, die wollte sie gern sehen.
Nun waren die beiden doch zu aufgeregt, um sich am Spiel der anderen Kinder beteiligen zu können. Deshalb setzten sie sich auf die Steintreppe vor dem Haus und sprachen über Ulrikes Vater und Jens’ Mutter.
»Nun seht euch doch die beiden an«, sagte Pünktchen, die mit Nick und Henrik und noch drei Kindern Handball spielte. »Ein Herz und eine Seele.«
»Lass sie doch«, entgegnete Henrik. »Oder bist du eifersüchtig?«
Pünktchen tippte sich an die Stirn. Dabei wanderte ihr Blick zu Henrik. »Du spinnst.«
»Vielleicht spinnst du auf Jens«, konterte Henrik. »Vielleicht gefällt er dir. Du hast neulich schon gesagt, dass er ’n hübscher Junge ist.«
»So etwas Verrücktes«, entrüstete sich Pünktchen. »Der ist doch viel zu klein für mich.« Sie rümpfte verächtlich die Nase.
Darüber musste Nick lachen. »Kommt, lasst uns weiterspielen«, schlug er vor. »Streiten könnt ihr ein andermal.«
*
Bevor Daniel am Samstagmorgen nach Sophienlust fuhr, rief er noch einmal bei seinem Rechtsanwalt an. Dabei erhielt er eine gute Nachricht. Anjutas Eltern hatten sich bereit erklärt, zuzugeben, dass Jens Anjutas Sohn sei. Nur vor Gericht wollten sie es nicht zugeben. »Aber so weit bringen wir es auch noch«, sagte der Anwalt. »Das ist nur noch eine Zeitfrage.«
Gut aufgelegt und voller Hoffnung begann Daniel seine Fahrt. Das Leben könnte so schön sein, wenn Anjuta wieder gesund werden würde, dachte er. Aber er wusste, dass das unmöglich war. Der Arzt hatte es ihm ja selbst bestätigt. Es bestand keine Hoffnung mehr. Warum nur?, fragte er sich verzweifelt. Aber andererseits, was hätte es ihm geholfen? Er war ja verheiratet.
Daniel dachte an Carsta. Doch der Gedanke an seine eigene Frau kam ihm direkt fremd vor. Seit Tagen hatte er nicht mehr an sie gedacht. Er wusste auch nicht, ob sie überhaupt noch in Paris war und filmte. Sie hatte seit der Auseinandersetzung nichts mehr von sich hören lassen.
Daniels Gedanken weilten jedoch nicht lange bei ihr. Sie eilten rasch wieder zurück zu Anjuta und zu den Kindern.
Mittags kam Daniel in Sophienlust an. Jens und Ulrike warteten schon vor dem Haus auf ihn.
Während Ulrike dem Vater mit lauten Freudenrufen entgegeneilte, blieb Jens abwartend stehen. Er sah, wie sie sich an Daniels Hals warf, und hätte am liebsten das Gleiche getan.
»Jens, mein Junge«, rief Daniel. Gleich darauf erschrak er über seine eigenen Worte.
Doch da war Jens schon zu ihm geeilt und hatte sich in seine ausgebreiteten Arme geworfen. Daniel hielt ihn ganz fest. Er war einen Moment lang sehr glücklich.
Als er kurz darauf mit Ulrike einen Moment allein war, machte sie ein geheimnisvolles Gesicht. »Vati?«
»Ja?«
»Du