Hexenhammer 2 - Alles Leid währt Ewigkeit. Uwe VoehlЧитать онлайн книгу.
rasch erledigt war, da es nur die Küche und eine kleine Abstellkammer beherbergte. Abgesehen von noch mehr Ratten und Mäusen stießen wir auf kein weiteres Lebewesen. Offenbar hatte es sich auch unter den Obdachsuchenden herumgesprochen, dass es im Hause nicht mit rechten Dingen zuging.
»Spürt Ihr es auch?«, fragte ich Coctorius. »Die unheilige Präsenz, die diesen Ort vergiftet?«
Der Pfarrer nickte schwach. Er zitterte am ganzen Leibe.
»So schlagt die Bibel auf an einer beliebigen Stelle – der Herr wird Eure Hand dabei lenken – und rezitiert laut die heiligen Worte, auf dass der Dämon vor Furcht erbebt!«
Der Pfarrer folgte meiner Aufforderung, gab ihm das heilige Buch doch Kraft und Zuversicht. Sogleich begann er mit immer kräftiger werdender Stimme zu lesen: »Es war aber dort am Berg eine große Herde Säue auf der Weide. Und die unreinen Geister baten ihn und sprachen: Lass uns in die Säue fahren! Und er erlaubte es ihnen. Da fuhren sie aus und fuhren in die Säue, und die Herde stürmte den Abhang hinunter ins Meer, etwa zweitausend, und sie ersoffen im Meer …«
Der Pfarrer sprach mit solch inbrünstiger Stimme, als stünde er auf der Kanzel und als würden seine Worte auf die gebannt lauschende Gemeinde hinunterprasseln.
Auch im Hause tat sich nun etwas. Ein Ächzen und Stöhnen drang aus den Wänden, als würden gemarterte Seelen darin wohnen.
Ich wandte mich der Treppe zu, die nach oben führte. Von dort wehte mir eiskalter Wind entgegen, der den unflätigen Gestank nach Schwefel und Schlimmerem mit sich trug.
Ich ließ mich nicht einschüchtern, sondern stieg weiter die Stufen hoch. Der Pfarrer folgte mir dichtauf, während er unermüdlich weitere Verse aus der Heiligen Schrift rezitierte.
Das Schwert ließ ich stecken – gegen den Teufel und seine Heerscharen war es machtlos. Dafür hielt ich in der Rechten mein silbernes Kreuz, während ich mit der Linken den Griff der Fackel umklammerte. In meinem Gürtel steckte zudem mein silberner Dolch.
Ich war auf der drittletzten Stufe, als sich der Dämon manifestierte. Zunächst sah ich nur ein rotglühendes Augenpaar aufblitzen, zugleich vernahm ich eine tiefe boshafte Stimme. Die Sprache war mir fremd. Trotz der offensichtlichen Gefahr nahm ich eine weitere Stufe.
Nach wie vor sah ich nur die Augen der Kreatur, die mit der Dunkelheit verschmolz. Selbst meine Fackel vermochte die Finsternis nicht zu durchdringen. Im Gegenteil, schien es doch, als würden die Schatten das Licht aufsaugen. Die Flamme flackerte. Einen Moment lang befürchtete ich, sie würde verlöschen, doch als ich den Stab mit dem Kreuz berührte, loderte der Feuerschein auf, heller und strahlender als zuvor.
Der Dämon brüllte wütend auf, hatte er doch erkannt, dass er in mir kein willfähriges Opfer vor sich hatte.
Die letzten zwei Stufen nahm ich mit Schwung, während ich gleichzeitig die Fackel nach vorn stieß. Ich hatte gehofft, die Flamme im Leib der Kreatur zu versenken, doch blitzschnell wich sie zurück.
Ein Wehklagen und Wimmern drang nun von überall her, und verwundert hielt ich inne. Es stammte nicht von dem Dämon, sondern klang wie aus Dutzenden verschiedener gepeinigter Kinderkehlen.
Hielt er die Kinder in dem Haus gefangen?
Allein der Gedanke, dass der Dämon unschuldigen Kindern etwas angetan hatte, entfachte eine unbändige Wut in mir. Ich stieß ein weiteres Mal mit der Fackel vor, doch wiederum wich der Dämon geschickt aus. Nach wie vor hielt er sich in der ihn umgebenden Schwärze verborgen. Allein die Augen blitzten in höllischem Zorn.
Das alles wurde begleitet von seinem Gebrüll, dem sich immer höher schraubenden schrillen Wehklagen der Kinder und der Stimme des Pfarrers, der mit bebender Stimme die Heilige Schrift rezitierte.
Es gelang mir, den Dämon weiter zurückzudrängen, bis er mit dem Rücken zur Wand stand. Wieder flackerte die Flamme, drohte zu verlöschen. Ich wechselte das silberne Kreuz in die andere Hand, sodass ich mit der Linken nun Kreuz und Fackel zugleich umklammerte. Mit der Rechten aber zog ich den Silberdolch hervor.
Solcherart bewaffnet, stürzte ich mich dem in die Enge getriebenen Dämon entgegen. Als ich in die ihn umgebende Schwärze eindrang, war es mir, als umhüllten mich klebrige, schleimige Spinnenfäden. Sie versuchten mich aufzuhalten, doch als die Flammen sie erfassten, wichen sie zurück.
Und nicht nur das: Für einen Moment wurde es taghell, und wie von einem Blitz erleuchtet, präsentierte sich mir der Dämon in seiner ganzen Scheußlichkeit. Es handelte sich um eine spinnenartige Kreatur mit pelzigem Körper und spindeldürren Beinen. Als er das Maul öffnete, bleckten mir Reihen nadelspitzer Zähne entgegen.
»Stirb, Dämon!« Ich sprang vor, bereit, ihm den silbernen Dolch in den Leib zu rammen.
Doch stattdessen stieß ich gegen die Wand. Verblüfft musste ich feststellen, dass sich der Dämon in nichts aufgelöst hatte.
Ich fuhr herum, erwartete seinen Angriff von hinten, doch nichts geschah. Der Schein meiner Fackel erhellte allein Coctorius’ verblüfftes Gesicht. Er hatte mitbekommen, was geschehen war, und seine Lesung unterbrochen.
»Weiter! Lest weiter!«, herrschte ich ihn an, denn ich spürte, dass der Dämon noch in der Nähe war. Ich fühlte seine drückende Präsenz. Er belauerte uns.
Statt meiner Aufforderung Folge zu leisten, ließ Coctorius die Bibel fallen. Sein Gesicht verzerrte sich zu einer grässlichen Grimasse, die Augen glitzerten im selben glühenden Rot wie die des Dämons. Mit einem tiefen, tierischen Knurren sprang er mich an, die Hände zu Klauen geformt. Nicht nur die Überraschung hielt mich gefangen, vor allem war es der Gedanke, dass es nach wie vor Coctorius war, den ich vor mir sah – und der sich in ein Monstrum verwandelt hatte! Er prallte gegen mich, sodass ich zu Boden ging. Und schon war er über mir. Seine Klauen umfassten meine Kehle, die Krallen, die ihm urplötzlich gewachsen waren, bohrten sich in mein Fleisch. Die Fackel war meiner Hand entfallen, ebenso das Kreuz.
Schon wurde mir schwarz vor Augen, während ätzender Geifer aus dem Maul des Pfarrers auf mein Gesicht tropfte. Meine einzig verbliebene Waffe war der Silberdolch. Mit letzter Kraft hob ich den Arm und stieß die Klinge dem Dämon tief in die Brust.
Die Kreatur, in die Coctorius sich verwandelt hatte, heulte auf. Die Klauen erschlafften, sodass ich sie mühelos beiseite schlagen konnte. Ich stieß seinen Körper von mir und rollte mich zur Seite. Er blieb auf dem Bauch liegen. Rasch ergriff ich die Fackel. Im Schein der Flamme erkannte ich, dass eine grauenvolle Veränderung mit Coctorius vor sich ging: Die Haare ergrauten innerhalb von Sekunden und fielen aus. Die Klauen wurden wieder zu Händen, deren Fleisch Blasen warf, als hätte Coctorius die Pest. Er wimmerte und schrie in höchster Pein.
»Coctorius!« Ich beugte mich zu ihm hinab und drehte ihn auf den Rücken. Auch sein Gesicht veränderte sich, wurde faltig und runzlig wie das eines uralten Mannes.
Er starb vor meinen Augen!
Aber noch hatte er es nicht überstanden. Er öffnete den Mund, nein, vielmehr war es, als öffnete jemand anderes seinen Mund von innen. Er wurde ihm so unnatürlich weit aufgerissen, dass er an den Mundwinkeln einriss und Blut herausspritzte. Coctorius würgte und rang verzweifelt nach Luft. Mit den Händen fasste er sich an die Kehle. Sein Gesicht lief blau an, während die weit aufgerissenen Augen zu platzen drohten.
Dann quoll es aus ihm heraus. Ein schwarzer Schleim, die Essenz des Dämons. Träge wälzte sich die Lache über den Boden und versuchte, in die Dunkelheit zu entfliehen.
Doch diesmal handelte ich schneller und stieß die Fackel in die schleimige Schwärze. Zischend und brodelnd ging sie in Flammen auf.
Der Dämon starb – doch um welchen Preis!
Schwer atmend wartete ich ab, bis ich sicher sein konnte, dass die schleimige Kreatur tatsächlich vollständig vom Feuer verzehrt worden war.
Der klagende Chor der Kinder war verstummt.
Ich widmete mich wieder dem Pfarrer. Den Dämon hatte ich aus seinem Körper vertreiben können, doch das Gift, das dieser darin hinterlassen hatte,