Nachtstücke - 2. Teil. E.T.A. HoffmannЧитать онлайн книгу.
hervor, das ich sie zu erfassen wähnte. Aber dann kam es mir auf grauliche Weise vor, ich sei selbst die Gestalt und von den Nebeln des Spiegels umhüllt und umschlossen. Ein empfindlicher Brustschmerz und dann gänzliche Apathie endigte den peinlichen Zustand, der immer eine das innerste Mark wegzehrende Erschöpfung hinterliess. In diesen Momenten misslang jeder Versuch mit dem Spiegel, hatte ich mich aber erkräftigt, und trat dann das Bild wieder lebendig aus dem Spiegel hervor, so mag ich nicht leugnen, dass sich damit ein besonderer, mir sonst fremder physischer Reiz verband, — Diese ewige Spannung wirkte gar verderblich auf mich ein, blass, wie der Tod und zerstört im ganzen Wesen schwankte ich umher, meine Freunde hielten mich für Frank, und ihre ewigen Mahnungen brachten mich endlich dahin, über meinen Zustand, so wie ich es nur vermochte, ernstlich nachzusinnen. War es Absicht oder Zufall, dass einer der Freunde, welcher Arzneikunde studierte, bei einem Besuch Keils Buch über Geisteszerrüttungen zurückliess. Ich fing an zu lesen, das Werk 30g mich unwiderstehlich an, aber wie ward mir, als ich in allem, was über fixen Wahnsinn gesagt wird, mich selbst wiederfand! — Das tiefe Entsetzen, das ich mich selbst auf dem Wege zum Tollhause erblickend, empfand, brachte mich zur Befinnung und zum festen Entschluss, den ich rasch ausführte. Ich steckte meinen Taschenspiegel ein und eilte schnell zu dem Doktor K., berühmt durch seine Behandlung und Heilung der Wahnsinnigen, durch sein tieferes Eingehen in das psychische Prinzip, welches oft sogar körperliche Krankheiten hervorzubringen und wieder zu heilen vermag. Ich erzählte ihm alles, ich verschwieg ihm nicht den kleinsten Umstand, uno beschwor ihn, mich zu retten von dem ungeheuern Schicksal, von dem bedroht ich mich glaubte. Er hörte mich sehr ruhig an, doch bemerkte ich wohl in seinem Blick tiefes Erstaunen. „Noch,“ fing er an, „noch ist die Gefahr keineswegs so nahe als Sie glauben, und ich kann mit Gewissheit behaupten, dass ich sie ganz abzuwenden vermag. Dass Sie auf unerhörte Weise psychisch angegriffen sind, leidet gar keinen Zweifel, aber die völlige klare Erkenntnis dieses Angriffs irgendeines bösen Prinzips gibt Ihnen selbst die Waffen in die Hand, sich dagegen zu wehren. Lassen Sie mir Ihren Taschenspiegel, zwingen Sie sich zu irgendeiner Arbeit, die Ihre Geisteskräfte in Anspruch nimmt, meiden Sie die Allee, arbeiten Sie von der Frühe an, solange Sie es nur auszuhalten vermögen, dann aber, nach einem tüchtigen Spaziergange, fort in die Gesellschaft Ihrer Freunde, die Sie so lange vermisst. Essen Sie nahrhafte Speisen, trinken Sie starken kräftigen Wein. Sie sehen, dass ich bloss die fixe Idee, das heisst die Erscheinung des Sie betörenden Antliges im Fenster des öden Hauses und im Spiegel vertilgen, Ihren Geist auf andere Dinge leiten und Ihren Körper stärken will. Stehen Sie selbst meiner Absicht redlich bei.“ — Es wurde mir schwer, mich von dem Spiegel zu trennen, der Arzt, der ihn schon genommen, schien es zu bemerken, er hauchte ihn an und fragte, indem er mir ihn vorhielt: „Sehen Sie etwas?“ „Nicht das mindeste,“ erwiderte ich, wie es sich auch in der Tat verhielt. „Hauchen Sie den Spiegel an,“ sprach dann der Arzt, indem er mir den Spiegel in die Hand gab. Ich tat es: das Wunderbild trat deutlicher als je hervor. „Da ist sie,“ rief ich laut. Der Arzt schaute hinein und sprach dann: „Ich sehe nicht das mindeste, aber nicht verhehlen mag ich Ihnen, dass ich in dem Augenblick, als ich in Ihren Spiegel sah, einen unheimlichen Schauer fühlte, der aber gleich vorüberging. Sie bemerken, dass ich ganz aufrichtig bin, und eben deshalb wohl Ihr ganzes Zutrauen verdiene. Wiederholen Sie doch den Versuch.“ Ich tat es, der Arzt umfasste mich, ich fühlte seine Hand auf dem Rückenwirbel. — Die Gestalt kam wieder, der Arzt, mit mir in den Spiegel schauend, erblasste, dann nahm er mir den Spiegel aus der Hand, schaute nochmals hinein, verschloss ihn in dem Pult und kehrte erst, als er einige Sekunden hindurch, die Hand vor der Stirn, schweigend dagestanden, zu mir zurück. „Befolgen Sie,“ fing er an, „befolgen Sie genau meine Vorschriften. Ich darf Ihnen bekennen, dass jene Momente, in denen Sie, ausser sich selbst gesetzt, Ihr eignes Ich in physischem Schmerz fühlten, mir noch sehr geheimnisvoll sind, aber ich hoffe Ihnen recht bald mehr darüber sagen zu können.“ — Mit festem, unabänderlichem Willen, so, schwer es mir auch ankam, lebte ich zur Stunde den Vorschriften des Arztes gemäss, und so sehr ich auch bald den wohltätigen Einfluss anderer Geistesanstrengung und der übrigen verordneten Diät verspürte, so blieb ich doch nicht frei von jenen furchtbaren Anfällen, die mittags um zwölf Uhr viel stärker aber nachts um zwölf Uhr sich einzustellen pflegten. Selbst in munterer Gesellschaft bei Wein und Gesang war es oft, als durchführen plötzlich mein Inneres spitzige glühende Dolche, und alle Macht des Geistes reichte dann nicht hin zum Widerstande, ich musste mich entfernen und durfte erst wiederkehren, wenn ich aus dem ohnmachtähnlichen Zustande erwacht. — Es begab sich, dass ich mich einst bei einer Abendgesellschaft befand, in der über psychische Einflüsse und Wirkungen, über das dunkle unbekannte Gebiet des Magnetismus gesprochen wurde. Man kam vorzüglich auf die Möglichkeit der Einwirkung eines entfernten psychischen Prinzips, sie wurde aus vielen Beispielen bewiesen, und vorzüglich führte ein junger, dem Magnetismus ergebener Arzt an, dass er wie mehrere andere, oder vielmehr wie alle kräftigen Magnetiseure, es vermöge, aus der Ferne bloss durch den festsixierten Gedanken und Willen auf seine Somnambulen zu wirken. Alles, was Kluge, Schubert, Bartels u. m. darüber gesagt haben, kam nach und nach zum Vorschein. „Das Wichtigste,“ fing endlich einer der Anwesenden, ein als scharfsinniger Beobachter bekannter Mediziner, an, „das Wichtigste von allem bleibt mir immer, dass der Magnetismus manches Geheimnis, das wir als gemeine schlichte Lebenserfahrung nun eben für Kein Geheimnis erkennen wollen, zu erschliessen scheint. Nur müssen wir freilich behutsam zu Werke gehen. — Wie kommt es denn, dass ohne allen äusseren oder inneren uns bekannten Anlass, ja unsere Ideenkette zerreissend, irgendeine Person, oder wohl gar das treue Bild irgendeiner Begebenheit so lebendig, so sich unseres ganzen Ichs bemeisternd uns in den Sinn kommt, dass wir selbst darüber erstaunen. Am merkwürdigsten ist es, dass wir oft im Traume auffahren. Das ganze Traumbild ist in den schwarzen Abgrund versunken, und im neuen, von jenem Bilde ganz unabhängigen Traum tritt uns mit voller Kraft des Lebens ein Bild entgegen, das uns in ferne Gegenden versegt und plötzlich scheinbar uns ganz fremd gewordene Personen, an die wir seit Jahren nicht mehr dachten, entgegenführt. Ja, noch mehr! Oft schauen wir auf eben diese Weise ganz fremde unbek annte Personen, die wir vielleicht Jahre nachher erst kennenlernen. Das bekannte: ,Mein Gott, der Mann, die Frau kommt mir so zum Erstaunen bekannt vor, ich dächt’, ich hätt’ ihn, sie shon irgendwo gesehen,‘ ist vielleicht, da dies oft schlechterdings unmöglich, die dunkle Erinnerung an ein solches Traumbild. Wie, wenn dies plötzliche Hineinspringen fremder Bilder in unsere Ideenreihe, die uns gleich mit besonderer Kraft zu ergreifen pflegen, eben durch ein fremdes psychisches Prinzip veranlasst würde? Wie, wenn es dem fremden Geiste unter gewissen Umständen möglich wäre, den magnetischen Rapport auch ohne Vorbereitung so herbeizuführen, dass wir uns willenlos ihm fügen müssten?“ „So kämen wir“, fiel ein anderer lachend ein, „mit einem gar nicht zu grossen Schritt auf die Lehre von Verhexungen, Zauberbildern, Spiegeln und andern unsinnigen abergläubischen Phantastereien längst verjährter alberner Zeit.“ „Ei,“ unterbrach der Mediziner den Ungläubigen, „keine Zeit kann verjähren und noch viel weniger hat es jemals eine alberne Zeit gegeben, wenn wir nicht etwa jede Zeit, in der Menschen zu denken sich unterfangen mögen, mithin auch die unsrige, für albern erkennen wollen. — Es ist ein eignes Ding, etwas geradezu wegleugnen zu wollen, was oft sogar durch streng juristisch geführten Beweis festgestellt ist, und so wenig ich der Meinung bin, dass in dem dunkeln geheimnisvollen Reiche, welches unseres Geistes Heimat ist, auch nur ein einziges, unserm blöden Auge recht hell leuchtendes Lämpchen brennt, so ist doch so viel gewiss, dass uns die Natur das Talent und die Neigung der Maulwürfe nicht versagt hat. Wir suchen, verblindet wie wir sind, uns weiter zu arbeiten auf finstern Wegen. Aber so wie der Blinde auf Erden an dem flüsternden Rauschen der Bäume, an dem Murmeln und Plätschern des Wassers, die Nähe des Waldes, der ihn in seinen kühlenden Schatten aufnimmt, des Baches, der den Durstenden labt, erkennt und so das Ziel seiner Sehnsucht erreicht, so ahnen wir an dem tönenden Flügelschlag unbekannter, uns mit Geifteratem berührender Wesen, dass der Pilgergang uns zur Quelle des Lichtes führt, vor dem unsere Augen sich auftun!“ — Ich konnte mich nicht länger halten; „Sie statuieren also“, wandte ich mich zu dem Mediziner, „die Einwirkung eines fremden geistigen Prinzips, dem man sich willenlos fügen muss?“ „Ich halte,“ erwiderte der Mediziner, „ich halte, um nicht zu weit zu gehen, diese Einwirkung nicht allein für möglich, sondern auch andern, durch den magnetischen Zustand deutlicher gewordenen Operationen des psychischen Prinzips für ganz homogen.“ „So könnt’ es auch“, fuhr ich fort, „dämonischen Kräften verstattet sein, feindlich