Der Douglas. Max GeißlerЧитать онлайн книгу.
Kraft der guten Knechte wird hingereicht haben, alles wohl zu bewahren. Auch erwarten mich ja nicht Weib und Kind daheim. Meine Kammern sind kalt, und nur in den Gemächern der Dienenden brennen die Herdfeuer. Darum – wo wäre meine Anwesenheit nötiger als hier auf Burg Malcolm? Ehe ich nach dem Meinigen sehe, will ich des Eueren warten, Herr! Ich will einen Rundgang durch Hof und Ställe gehen und will zusehen, ob Zucht und Ordnung allenthalben aufrecht erhalten ist.“
Der Marschalk verbeugte sich.
Wie konnte es geschehen, dass das scharfe Auge des alten Ritters das gleisnerische Lächeln nicht durchschaute? Wie konnte es kommen, dass das feine Ohr des alten Herrn die schmeichlerische Falschheit dieser Stimme nicht wahrnahm?
Da erhob der Marschalk noch einmal seine Stirn: „Mein edler Herr, bald hätte ich vergessen, Euch zu bitten, Euere herrliche Tochter, Jungfrau Blossom (englischer Kosename; zu deutsch „Blüte“), von dem jungen Herrn aufs schönste zu grüssen! Jungfrau Blossom und der junge Ritter John sind ein Geschwisterpaar, Herr, von dessen Treue, Liebe und Schönheit und von dessen Tugenden man sich im ganzen kaledonischen Tann erzählt ...“
Über das gelbe Gesicht des Marschalks glitt bei diesen Worten ein sonderbares Lächeln. Der alte Ritter aber horchte erstaunt auf. Dann sagte er: „Marschalk, ‚Jungfrau Blossom‘ nennst du mein Kind?“
Diese Frage kam aus gütigem Munde. Und Glenalvon antwortete:
„Verzeiht, mein edler Herr, wenn sich Euer Dienstmann des vermisst! Aber, soweit man ihren Namen nennt, heisst Harriet Malcolm so wegen ihrer blühenden Schönheit und der Holdseligkeit ihres Wesens. Darf ich die Bitte wagen, der edlen Jungfrau auch von Eurem ergebenen Marschalk einen Gruss zu bestellen?“
Dabei verzog Glenalvon sein bartloses Gesicht zu einem knechtischen Grinsen. Er tat so, als verdiene er für seine Anmassung eine ernste Verwarnung. Allein – Glenalvon kannte die Gutmütigkeit und die Dankbarkeit seines Lords zu genau. Dabei war er so klug und berechnend, dass er die Grenzen nie überschritt, in denen er sich dem Ritter gegenüber bewegen durfte, ohne sich dessen Gunst zu verscherzen. Vor Jahren hatte er ihn aus rauchendem Reiterkampfe herausgehauen und hatte ihm das Leben gerettet. Für diese tollkühne Tat, die von herrlichem Mute zeugte, war der Marschalk von Ritter Malcolm erhöht worden. Zuvor war er ein gewöhnlicher Trossknecht gewesen. Aber er hatte an jeder Stelle seine Klugheit bewiesen. Da war er allmählich zum höchsten Beamten in Burg Malcolm aufgestiegen.
Seit er dem Lord den grossen Dienst erwiesen, hatte dieser innerhalb der Grenzen seiner Lordschaft keine Bestimmung getroffen, ohne zuvor den Rat des Glenalvon einzuholen. Der war ein so umsichtiger Haushalter, dass sein Herr sich unbedingt auf ihn verlassen durfte.
Vielleicht hätte die Dankbarkeit des alten Ritters sich aber doch in anderer Weise gezeigt, wenn er gewusst hätte, dass unter den Dienstleuten ein Gerücht ging: es werde kein anderer die Hand der schönen Harriet Malcolm gewinnen als Marschalk Glenalvon, der doch früher eben solch ein Knecht gewesen sei wie einer von ihnen.
Von diesem Gerüchte ahnte Ritter Malcolm nichts. Niemals wäre ihm auch der Gedanke gekommen, dass sich sein Dienstmann Glenalvon unterfangen könne, bei ihm um die Hand Harriets anzuhalten.
Das Gesinde aber neidete dem Marschalk das unbegrenzte Vertrauen des Herrn. Glenalvon hatte die Tücke des Wolfes und sah mit seinen stachlichten Haaren und der rüsselartigen Nase einem Igel ähnlich. Was wollte er mit der Blume der Wälder beginnen?
Die Heimkehr
Der Morgen des nächsten Tages dämmerte herauf. Da erscholl vom Wartturme das Horn des Wächters. Es verkündete das Nahen eines Heerhaufens. Aber es waren nicht anrückende Feinde, sondern der junge Ritter Malcolm kehrte an der Spitze seines Trosses aus dem Heerlager heim. Die Dänen waren also mit ihrem letzten Schiffe vor gutem Winde davongesegelt.
Die Knechte stiessen das grosse Tor des Gehöfts auf. Alsbald zog ein Haufe Gewappneter hindurch – Fussvolk und Reiter.
Drüben auf den Wegen des Waldes und wo sich die grosse Heerstrasse teilt, sah man andere Trupps, die zu einer entfernten Burg marschierten. So fegte der Winter nicht nur die Felder, sondern er fegte auch die Strassen rein von kriegerischem Volk.
Zuletzt rollte nur noch dann und wann ein Wagen mit grauer Blache überspannt die steinichte Strasse daher.
Während auf dem Burghofe die Rosse abgeschirrt und die Waffen in die Rüstkammern gebracht wurden, rollte ein solches Gefährt mit hochgewölbter Plane auch gegen Malcolm. Beim Antritt der Heerfahrt war es mit Proviant gefüllt gewesen. Nun aber lagen Verwundete darin. Sie lagen auf weichem Stroh, das die harten Stösse des Gefährtes milderte.
Beim Anblicke des Wagens mit den Kranken mässigten sich die rohen Knechte ein wenig. Ihre harten Rufe klangen gedämpfter, und die Pferdejungen, die die bestaubten Rosse in ihre Stände führten, richteten ihre Augen nach dem herankommenden Wagen.
Noch war das Tor nicht lange geöffnet, so sprengte auch schon der Marschalk Glenalvon über den Anger vor der Burg. Er kam von seinem Lehnshof, sprang aus dem Sattel seines roten, schweren Dänenrosses und trat grüssend zu John Malcolm.
„Ich hatte Euch nicht vor Abend erwartet, junger Herr,“ sagte er, „aber es ist dennoch alles für die Heimkehr bereitet. Die Pferde finden die Krippen voll Futter, und die Waffenkammer ist in guter Ordnung, das wiedereingebrachte oder erbeutete Rüstzeug aufzunehmen.“
Während sie miteinander sprachen, schleppten die Trossknechte die schweren Armbrüste, Spiesse und kurzen Schwerter über den Hof.
„Es ist gut, Marschalk!“ nickte der junge Ritter und schlug den Bug seines grauen Rosses.
Dann deutete er nach dem Tore: „Da kommt der Wagen, Glenalvon! Ich habe dem Knechte geboten, langsam zu fahren.“
„Führt Ihr den unbekannten Krieger in unsere Burg?“ fragte der Dienstmann.
„Ja, Marschalk. Er liegt auf dem Stroh wie ein Toter und hat die Augen noch immer nicht aufgeschlagen. Im Heerlager wär’ er gestorben. Aber ich denke, wenn er die harte Fahrt übersteht und in gute Pflege kommt, werden wir ihn wieder lebendig machen. Dann kann er in wenigen Wochen gesund heimreiten.“
Der Wagen war inzwischen zur Mitte des Hofes gerollt und abgeschirrt worden. Der junge Ritter und Glenalvon winkten einigen Knechten und näherten sich dem Gefährt. Ob der fremde Kriegsmann noch am Leben war?
In dem schlanken Eckturme öffnete sich um diese Zeit die Türe zu ebener Erde. Jungfrau Harriet trat auf den Hof, um ihrem Bruder entgegenzueilen.
Der junge Lord, der seine ganze Aufmerksamkeit auf den Wagen richtete, um den sich die Knechte mühten, bemerkte die Schwester jedoch nicht. Glenalvons Falkenaugen aber hatten sie erspäht.
Der Marschalk zog sich das hirschlederne Gewand ein wenig zurecht, rückte sich die Kappe, und dann klirrten die Sporen seiner Reiterstiefel über die Fliesen des Grundes. Er lief ihr geschäftig entgegen.
„Ich grüss’ Euch, edle Jungfrau!“ rief er ihr zu, hob aber seine Hände wie zur Abwehr. „Vielleicht gefällt es Euch, ein wenig zu verziehen. Die Männer sind dabei, einen Sterbenden zu bergen. Der Anblick eines Verwundeten, der auf dem Sande des Schlachtfeldes aufgefunden wurde, ist hässlich.“
Harriet Malcolms Augen wurden weit: „Von wem redet Ihr, Herr Marschalk? Verbergt Ihr mir den Namen des sterbenden Kriegers mit Absicht?“
„Ich verschweige der Tochter meines gnädigen Herrn nur das, was ich selbst nicht weiss,“ entgegnete Glenalvon mit gleisnerischem Lächeln. „Es kennt keiner seinen Namen; denn der Feind hatte ihm Waffen und Rüstzeug geraubt und ihn für tot in einem Haufen Gefallener liegen lassen.“
Da wurden Harriets Augen voll heller Freude: „Und Ihr seid es gewesen, Herr Marschalk, der ihn geborgen hat?“
Der Marschalk neigte sein Haupt und hob zu bescheidener Abwehr die Hand: „Nicht ich, Herrin – das ist vielmehr die Tat des Herrn John.“
„Daran erkenn’ ich meinen Bruder!“ sprach Harriet mit freudigem Stolz.