Der Stechlin. Theodor FontaneЧитать онлайн книгу.
es mich macht, Sie in meinem Kloster begrüssen zu können. Herr von Rex, Herr von Czako, Ihr Wohl.“
Man stiess an. Rex dankte unmittelbar und sprach, als man sich wieder gesetzt hatte, seine Bewunderung über den schönen Wein aus. „Ich vermute Montefiascone.“
„Vornehmer, Herr von Rex“, sagte Adelheid in guter Stimmung, „eine Rangstufe höher. Nicht Montefiascone, den wir allerdings unter meiner Amtsvorgängerin auch hier im Keller hatten, sondern Lacrimae Christi. Mein Bruder, der alles bemängelt, meinte freilich, als ich ihm vor einiger Zeit davon vorsetzte, das passe nicht, das sei Begräbniswein, höchstens Wein für Einsegnungen, aber nicht für heitere Zusammenkünfte.“
„Ein Wort von eigenartiger Bedeutung, darin ich, Ihren Herrn Bruder durchaus wiedererkenne.“
„Gewiss, Herr von Rex. Und ich bin mir bewusst, dass uns der Name gerade dieses Weines allerlei Rücksichten auferlegt. Aber wenn Sie sich vergegenwärtigen wollen, dass wir in einem Stift, einem Kloster sind . . . und so meine ich denn, der Ort, an dem wir leben, gibt uns doch auch ein Recht und eine Weihe.“
„Kein Zweifel. Und ich muss nachträglich die Bedenken Ihres Herrn Bruders als irrtümlich anerkennen. Aber wenn ich mich so ausdrücken darf, ein Kleidsamer Irrtum . . . Auf das Wohl Ihres Herrn Bruders.“
Damit schloss das etwas diffizile Zwiegespräch, dem alle mit einiger Verlegenheit gefolgt waren. Nur nicht die Schmargendorf. „Ach“, sagte diese, während sie sich halb in den Vorhängen versteckte, „wenn wir von dem Wein trinken, dann hören wir auch immer dieselbe Geschichte. Die Domina muss sich damals sehr über den alten Herrn von Stechlin geärgert haben. Und doch hat er eigentlich recht; schon der blosse Name stimmt ernst und feierlich, und es liegt was drin, das einem Christenmenschen denn doch zu denken gibt. Und gerade, wenn man so recht vergnügt ist.“
„Darauf wollen wir anstossen“, sagte Czako, völlig im Dunkeln lassend, ob er mehr den Christenmenschen oder den Ernst oder das Vergnügtsein meinte. „Und überhaupt“, fuhr die Schmargendorf fort, „die Weine müssten eigentlich alle anders heissen oder wenigstens sehr, sehr viele.“
„Ganz meine Meinung, meine Gnädigste“, sagte Czako. „Da sind wirklich so manche . . . Man darf aber andrerseits das Zartgefühl nicht überspannen. Will man das, so bringen wir uns einfach um die reichsten Quellen wahrer Poesie. Da haben wir beispielsweise, so ganz allgemein und bloss als Gattungsbegriff, die Milch der Greise‘ — zunächst ein durchaus unbeanstandenswertes Wort. Aber alsbald (denn unsre Sprache liebt solche Spiele) treten mannigfache Fort- und Weiterbildungen, selbst Geschlechtsüberspringungen an uns heran, und ehe wir’s uns versehen, hat sich die ,Milch der Greise‘ in eine ,Liebfrauenmilch‘ verwandelt.“
„Hihi . . . Ja, Liebfrauenmilch, die trinken wir auch. Aber nur selten. Und es ist auch nicht der Name, woran ich eigentlich dachte.“
„Sicherlich nicht, meine Gnädigste. Denn wir haben eben noch andre, dezidiertere, denen gegenüber uns dann nur noch das Refugium der französischen Aussprache bleibt.“
„Hihi . . . Ja, französisch, da geht es. Aber doch auch nicht immer, und jedesmal, wenn Rentmeister Fix unser Gaft ist und die Triglaff die Flasche hin und her dreht (und ich habe gesehen, dass sie sie dreimal herumdrehte), dann lacht Fix . . . Übrigens sieht es so aus, als ob die Domina noch was auf dem Herzen hätte; sie macht ein so feierliches Gesicht. Oder vielleicht will sie auch bloss die Tafel aufheben.“
Und wirklich, es war so, wie die Schmargendorf vermutete. „Meine Herren“, sagte die Domina, „da Sie zu meinem Leidwesen so früh fort wollen (wir haben nur noch wenig über eine Viertelstunde), so geb’ ich anheim, ob wir den Kaffee lieber in meinem Zimmer nehmen wollen oder draussen unter dem Holunderbaum.“
Eine Gesamtantwort wurde nicht laut, aber während man sich unmittelbar danach erhob, küsste Czako der Schmargendorf die Hand und sagte mit einem gewissen Empressement:
„Unter dem Holunderbaum also.“
Die Schmargendorf verstand nicht im entferntesten, auf was es sich bezog. Aber das war Czako gleich. Ihm lag lediglich daran, sich ganz privatim, ganz für sich selbst, die Schmargendorf auf einen kurzen, aber grossen Augenblick als „Käthchen“ vorstellen zu können.
Im übrigen zeigte sich’s, dass nicht bloss Czako, sondern auch Rex und Woldemar für den Holunderbaum waren, und so näherte man sich denn diesem.
Es war derselbe Baum, den die Herren schon beim Einreiten in den Klosterhof gesehen, aber in jenem Augenblick wenig beachtet hatten. Jetzt erst bemerkten sie, was es mit ihm auf sich habe. Der Baum, der uralt sein mochte, stand ausserhalb des Gehöftes, war aber, ähnlich wie der Pflaumenbaum im Garten, mit seinem Gezweig über das zerbröckelte Gemäuer fortgewachsen. Er war an und für sich schon eine Pracht. Was ihm aber noch eine besondere Schönheit lieh, das war, dass sein Laubendach von ein paar dahinter stehenden Ebereschenbäumen wie durchwachsen war, so dass man überal neben den schwarzen Fruchtdolden des Holunders die leuchtenden roten Ebereschenbüschel sah. Auch das verschiedene Laub schattierte sich. Rex und Czako waren aufrichtig entzückt, beinahe mehr als zulässig. Denn so reizend die Laube selbst war, so zweifelhaft war das unmittelbar vor ihnen in grosser Unordnung und durchaus ermangelnder Sauberkeit ausgebreitete Hofbild. Aber pittoresk blieb es doch. Zusammengemörtelte Feldsteinklumpen lagen in hohem Grase, dazwischen Karren und Düngerwagen, Entenund Hühnerkörbe, während ein kollernder Truthahn von Zeit zu Zeit bis dicht an die Laube herankam, sei’s aus Neugier oder um sich mit der Triglaff zu messen.
Als sechs Uhr heran war, erschien Fritz und führte die Pferde vor. Czako wies darauf hin. Bevor er aber noch an die Domina herantreten und ihr einige Dankesworte sagen konnte, kam die Schmargendorf, die kurz vorher ihren Platz verlassen, mit dem grossen Kohlblatt zurück, auf dem die beiden zusammengewachsenen Pflaumen lagen. „Sie wollten mir entgehen. Herr von Czako. Das hilft Ihnen aber nichts. Ich will mein Vielliebchen gewinnen. Und Sie sollen sehen, ich siege.“
„Sie siegen immer, meine Gnädigste.“
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